Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Lorraine Wauters

Aktuelle Aufführungen

Die kleine Schwester des Barbiers

LA SCALA DI SETA
(Gioacchino Rossini)

Besuch am
15. März 2016
(Premiere am 11. März 2016)

 

 

Opéra Royal de Wallonie, Liège

Mangel an Fantasie in Sachen Spielplangestaltung kann man Intendant Paolo Arrivabeni und seiner Königlichen Oper der Wallonie Liège nicht vorwerfen. Geschickt kauft er für seinen Stagione-Betrieb interessante Produktionen ein und knüpft Bande in ganz Europa für lohnende Gemeinschaftsprojekte. Im letzten Monat überraschte er mit einem Doppelabend der Einakter Susannes Geheimnis von Ermanno Wolf-Ferrari und der Voix Humaine von Francis Poulenc, im April kann man sich mit Aubers Manon Lescaut auf eine weitere Rarität freuen und Rossinis La Scala di Seta, Die seidene Leiter, gehört auch nicht zu den Rennern des Repertoires. Für die frühe Rossini-Oper übernahm der Intendant jetzt eine fertige Produktion des Rossini-Festivals Pesaro und besetzte es mit einem blutjungen Ensemble, das dem 80-minütigen Einakter des damals gerade einmal 20-jährigen Komponisten vollauf gerecht wird.

Die Spieldauer erschwert freilich einen Dauerplatz im Repertoire. Für Kopplungen ist es zu lang, für einen ganzen Abend eigentlich zu kurz. Was Qualität und Bühnenwirkung angehen, braucht sich die „kleine Schwester“ des vier Jahre später entstandenen Barbiere di Siviglia vor dem ganz großen Wurf nicht zu verstecken. Das Werk enthält alles, was den Barbier so liebenswert macht: Vokalen Süßstoff in Hülle und Fülle, koloraturreiche Stimmakrobatik, Witz und Pep, raffinierte Ensemblesätze und Überraschungen voller überdrehter Irrungen und Wirrungen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Das Faktotum Germano ist zwar bei weitem nicht so intelligent wie sein pfiffiger Kollege aus Sevilla und bringt die Handlung mit etlichen Missverständnissen und Fehlentscheidungen eher in die Bredouille anstatt die Probleme der jungen Liebesleut‘ zu lösen. Die Handlungsmuster beider Stücke ähneln sich jedoch: Giulia setzt sich gegen ihren Vormund Dormont durch und heiratet den jungen Dorvil, während Dormont bereits eine andere Partie für sein Mündel arrangiert hat. Am Ende findet nach etlichen Ecken und Kanten das junge Paar sein Glück und auch Dormont trifft in Giulias Cousine Lucilla auf die Frau seines Lebens.

Foto © Lorraine Wauters

Mit leichter Hand und viel Tempo bringt Regisseur Damiano Michieletto die ebenso turbulente wie harmlose Handlung in Schwung. Bühnenbildner Paolo Fantin gestaltet den Raum nach dem Grundriss einer Architekturskizze, die sich auch noch im Hintergrund spiegelt und verblüffende optische Effekte bereithält. Eine Statistenschar sorgt während der Ouvertüre für die nötige, moderne Einrichtung, die den Herren, die auf der von Giulia gespannten „seidenen Leiter“ in ihr Gemach dringen wollen, viele Versteckmöglichkeiten bietet. Die haben sie auch bitter nötig.

Auf Klamauk verzichtet Michieletto und bietet Maestro Christopher Franklin damit ein ideales Tummelfeld für eine musikalisch adäquat schlanke und bewegliche Darstellung. Das sehr jung, teilweise blutjung besetzte Ensemble garantiert ein flottes Opernvergnügen ohne jeden Fettansatz. Sowohl stimmlich als auch optisch. Die gerade einmal 20-jährige Sopranistin Maria Mudryak aus Kasachstan ist anmutig anzusehen und zeigt beachtliche Talente als Rossini-Sängerin. Die Koloraturen der Partie fallen ihr ebenso leicht wie die herzenswarmen Kantilenen. Gewisse Schärfen in der Höhe muss man bei ihr allerdings ebenso in Kauf nehmen wie eine tenorale Enge bei Ioan Hotea in der Rolle ihres jungen Gemahls Dorvil. Filippo Fontana verfügt für die Dienerrolle des Germanos über einen etwas dünnen Bass, der Rest des Ensembles bewegt sich auf insgesamt erfreulichem Niveau, so dass man sich auf einen vergnüglichen und kurzweiligen Opernabend freuen darf.

Pedro Obiera