Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Some alt text
Alle Fotos © Jonny Soares

Aktuelle Aufführungen

London trifft Leverkusen

A DREAM IS STILL A DREAM
(Rebecca Carrington/Colin Brown)

Besuch am
4. Dezember 2015
(Einmaliges Gastspiel)

 

 

Forum Leverkusen, Festhalle Opladen

Ein Traum ist immer noch ein Traum: Der Titel des Programms irritiert. Wohl ist auch von Träumen die Rede, aber eigentlich geht es überwiegend um ein britisches Ehepaar, das vor acht Jahren nach Berlin gezogen ist. Eigentlich. Aber es gibt auch Verballhornungen und Parodien von Liedern. Und letztlich ist es Musiktheater, das sich mit – scheinbaren – Unterschieden von Kulturen auseinandersetzt. Die Zuschauer interessiert in erster Linie der Unterhaltungswert.

Es gibt vermutlich nicht viele Menschen außerhalb von Leverkusen, die die Festhalle Opladen kennen. Die Stadt sagt, der schmucklose Vielzweckbau ist ein „vielseitig genutzter Veranstaltungsort, in dem unter anderem regelmäßig Veranstaltungen der KulturStadtLev stattfinden“. Sind wir ehrlich. Es ist eine ursprünglich luxuriös ausgestattete Schulaula, leicht angegammelt, mit 600 Plätzen, Mittelbühne und einem Orchestergraben. Von der Größe her ideal für das Künstlerpaar Carrington Brown, das in Leverkusen bereits zum zweiten Mal zu Gast ist. Der Saal ist zu rund zwei Dritteln gut besetzt, und das Publikum erstreckt sich über alle Altersklassen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Rebecca Carrington hat Cello und Gesang studiert, Colin Brown ist Schauspieler und Sänger. Gemeinsam haben sie eine Show einstudiert, die inklusive Zugaben sage und schreibe zweieinhalb Stunden dauert. Den Auftakt bildet der „erste schwarze James Bond“ – und hier zeigt Carrington bereits, dass ein Cello ein typisches Zupf- und Schlaginstrument ist. Joe heißt ihres und ist nach Angaben der Künstlerin über 200 Jahre alt. Eher selten greift die Sängerin zum Bogen, so wie sie auch mit ihrer Stimme ein Spektrum zeigt, dass man nicht jeden Tag erlebt. Von Sopranlagen geht es bruchlos in die Mittellagen, eindrucksvoller nur noch die akustischen Phänomene, die sie mit dieser Stimme erzeugt. Die reichen vom einfachen Knacken bis zur Saxophon-Imitation. So lassen sich nicht nur Bond-Songs mühelos erzeugen, sondern auch eine Weltreise mit dem Schlaflied Hush, Little Baby. Colin Brown sekundiert mit einer Stimme, die vom Tenor bis zum tiefen Bass in verständlicher Form reicht. Nach der Pause überrascht Brown gar mit der deutschen Nationalhymne, die er auf dem Dudelsack präsentiert. Und das ist, was diesen Abend durcheinanderbringt. Was machen Menschen mit diesen unglaublichen Fähigkeiten auf der Kleinkunstbühne? Die gehören doch ganz woanders hin.

Rebecca Carrington und Colin Brown © Jonny Soares

Und so hapert es auch mit der Tiefe der Liedtexte. Die Comedy ist schmalhüftig. Vergleiche zwischen den Kulturen, heruntergebrochen auf Klischees, funktionieren heute nur noch selten. Die Oper in drei Minuten kennen wir ebenso wie die Klippen der deutschen Sprache. Der Witz bleibt an der Oberfläche, erreicht aber voll und ganz das Publikum, das gar nicht genug an Applaus, Zwischenrufen und Gelächter bieten kann. Die Anbiederung an den Standort Leverkusen geht irgendwann auf die Nerven des Kritikers, nicht des Publikums.

Der Vergleich zwischen Madonna und Michael Jackson ist genauso unergiebig wie sinnlos. Der Steuerberater-Blues bringt selbst das feierwütige Publikum zum Schweigen. Am Ende überzeugen die stimmlichen wie instrumentalen Fähigkeiten von Carrington ebenso wie die tänzerischen und gesanglichen Einlagen von Brown. Kulturreisen und Spracherfahrungen des Duos hätte man sich ebenso wie den Werbeblock am Ende ersparen können. Und was wurde aus den Träumen. Die Begeisterung eines in Deutschland Angekommenen, was sonst?

Für den September kommenden Jahres ist das Programm Ten angekündigt. Da wird man sich dann bei diesen künstlerischen Fähigkeiten ein wenig mehr philosophische Tiefe wünschen dürfen.

Michael S. Zerban