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Aktuelle Aufführungen
DIE SPANISCHE STUNDE/
DAS KIND UND DER ZAUBERSPUK
(Maurice Ravel)
Besuch am
30. September 2016
(Premiere am 25. September 2016)
Mit französischem Esprit startet die Kölner Oper in die neue Saison. Mit einer Neuinszenierung der beiden Einakter von Maurice Ravel, Die Spanische Stunde sowie Das Kind und der Zauberspuk, erfüllt sich der frisch gebackene Generalmusikdirektor François-Xavier Roth einen lang gehegten Herzenswunsch. Denn beide Werke werden in der Fachliteratur zwar hoch gelobt, aber nur selten aufgeführt. Und im Doppel-Pack außerhalb Frankreichs so gut wie nie. Dass die musikalische Leitung von Roth die stärksten Impulse der Produktionen ausstrahlt, verwundert angesichts seiner Affinität zu dieser delikaten Musik nicht. Erfreulich, dass das Publikum dem feinsinnigen Ansinnen Roths in großer Zahl folgt. Zur Premiere war das Staatenhaus restlos, zur ersten Reprise immer noch fast ausverkauft.
Die beiden Stücke wurden im Abstand von vierzehn Jahren in den Jahren 1911 und 1925 uraufgeführt. So filigran beide Partituren gearbeitet sind, Ravel leuchtet die Stücke entsprechend der unterschiedlich akzentuierten Handlungen extrem differenziert aus. Vor allem im später entstandenen Kind und der Zauberspuk entfaltet Ravel einen Klangzauber von erlesenster Delikatesse. Jede der vielen Figuren erhält ein pointiert klingendes Idiom, womit Ravel seinen Rang als wohl bester Orchestrator seiner Zeit bestätigt.
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Dem kann Regisseurin Béatrice Lachaussée leider nicht ganz gerecht werden. Zeugnisse ihrer Sensibilität konnte sie zwar bereits erfolgreich in Köln mit einer beeindrucken Janáček-Produktion und einer einfühlsamen Verkauften Braut in Aachen ablegen. Beim Ravel-Abend hält sie sich allerdings ungewöhnlich stark zurück und beschränkt sich darauf, die Personen geschickt zu arrangieren, anstatt sie scharf zu charakterisieren.
Das bekommt der der Commedia dell’arte angelehnten Liebesposse Die spanische Stunde besonders schlecht. Hier lässt einzig die weibliche Hauptfigur als selbstbewusst agierende Frau ein Profil erkennen, während die männlichen Figuren allesamt blass bleiben. Dabei gäbe die Handlung einiges her: Concepción, die Gattin des unermüdlich tätigen Uhrmachers Torquemada, langweilt sich. Wenn der seine Runden dreht, um die städtischen Uhren aufzuziehen, ist die Stunde für ihre Liebhaber gekommen: den recht langweiligen Schöngeist Don Gonzalve und den nicht wesentlich spannenderen, aber erheblich reicheren Bankier Don Inigo Gomez. Dumm nur, wenn beide gleichzeitig eintreffen und noch dümmer, wenn zur Zeit des Schäferstündchens ein Kunde des Uhrmachers im Laden auf den Meister wartet wie der arme, aber attraktive Maultiertreiber Ramiro. Concepción hat alle Hände voll zu tun, die Liebhaber in Uhren zu stecken und von dem starken Ramiro in verschiedene Räume transportieren zu lassen, bis sie merkt, dass der Maultiertreiber ihren Vorstellungen von einem rassigen Liebhaber am Nächsten kommt. Das Ende kann man sich denken.
So beeindruckend Katrin Wundsam die Rolle der zwischen Ehe-Frust, Koketterie und Abenteuerlust zerrissenen Concepción auch ausspielt. Die Wirkung bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück, wenn die männlichen, im Libretto und durch die Musik äußerst detailliert umrissenen Figuren wie leblose Puppen agieren. Da fällt selbst der potenzstarke Maultiertreiber kaum durch ein besonderes männliches Charisma auf.
Am Ende des Stücks lässt die Regisseurin bereits den Jungen die Uhren demolieren, der im Zauberspuk von seiner Mutter Stubenarrest erhält und seine Wut an Tieren, Spielzeugen und Mobiliar aller Art auslässt. Die erwachen jedoch allesamt zum Leben, beschweren sich bei ihm und rotten sich am Ende bedrohlich zusammen. Erst ein Mitleidsakt des Jungen gegenüber einem verletzten Eichhörnchen besänftigt die aufgebrachten Tiere und Haushaltsgegenstände, und der Knabe bereut mit sanft geläuterten Tönen.
Vom chinesischen Porzellan bis zur Schafherde, von Schul- und Märchenbüchern bis zu Katzen, blauen Hunden und Fledermäusen lässt Ravel hier eine bizarre Welt erstehen, die er in delikateste Klänge kleidet. Lachaussée formt die Charaktere zwar schärfer als die in der Spanischen Stunde, lässt sie aber recht stereotyp an- und abtreten. Da wären fantasiereichere Arrangements denkbar, zumal es auch die Bühnenbildnerin Nele Ellegiers bei einem schwarzen Bühnenraum belässt, während sie die Spanische Stunde mit größerem Raffinement in einem surrealen Uhren-Kabinett spielen lässt. Ein Szenario mit unkontrolliert reagierenden Zeigern und überdimensionalen, teilweise im Boden eingelassenen Uhren, das wenigstens teilweise über die zahme Regie hinweghilft. Ganz zu schweigen von der überbordenden Fantasie, mit der Ellegiers ein Feuerwerk an bizarren Kostümen abbrennt, so dass vor allem im Zauberspuk die Kostüme die stärksten szenischen Impulse auslösen.
So zart und sensibel Ravels Musik tönt, so gewaltig ist die vorgesehene Orchesterbesetzung angelegt. Roth sorgt für einen schillernden, feingeschliffenen Klang des Gürzenich-Orchesters, auch wenn sich im Staatenhaus manche Feinheit verliert. Die Wunder der Zauberspuk-Musik leuchten in ungetrübter Transparenz auf.
Musikalisch hält der Dirigent die Fäden fest in der Hand und auch vokal ist wenig auszusetzen. Mit der Ausnahme, dass die Herren in der Spanischen Stunde gesanglich so brav und unprofiliert agieren wie szenisch. Selbst Thomas Dolié als Maultiertreiber singt kaum weniger brav als der biedere Ehemann John Heuzenroeder. Dafür kann Katrin Wundsam als frustrierte, aber selbstbewusste Concepción umso eindrucksvoller auftrumpfen. Darin steht ihr Regina Richter als aufmüpfiges Kind kaum nach. Die 20 Solo-Rollen im Zauberspuk teilen sich acht Solisten, die sich im fliegenden Wechsel mehrfach umkostümieren müssen. Nicht zu vergessen die kleinen, aber feinen Aufgaben des Chors und des Kinderchors mit Mädchen und Jungen des Kölner Domchores. Zu würdigen ist hier eine Ensembleleistung erster Güte, an der auch einige Mitglieder des Opernstudios ihren Anteil haben.
Viel Beifall für einen Saisonauftakt ohne Knalleffekte. Es mangelt erfreulicherweise nicht an musikalischen Feinschmeckern im Kölner Publikum.
Pedro Obiera