Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Paul Leclaire

Aktuelle Aufführungen

Geschlechterkampf

COSÌ FAN TUTTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
22. Mai 2016
(Premiere am 24. November 2012)

 

 

Oper Köln, Staatenhaus

Wiederaufnahmen kann man gut mit aufgewärmten Essen aus der Mikrowelle vergleichen. Die Erinnerung an das Originalessen macht es noch irgendwie schmackhaft. Vielleicht war die Erinnerung an Tatjana Gürbacas Inszenierung von Così fan tutte zu gut. 2012 wurde sie im damaligen Interimsquartier, dem Palladium, gefeiert. Nun wird ihre Arbeit im Saal 2 des Staatenhauses wieder aufgewärmt, allerdings von der Regisseurin persönlich, was für eine Wiederaufnahme schon ein kleines Ereignis ist. Doch so ganz glücklich wird man szenisch nicht. Das sparsame Bühnenbild von Ingrid Erb jedenfalls wirkte, wenn die Erinnerung nicht getrübt ist, im Palladium nicht so verloren. Die drei weißen Wände mit umständlichem Einstieg wirken wie ein Kokon der beiden Damen Dorabella und Fiordiligi, die sich auch in den weißen hochgeschlossenen Kleidern vor ihren Sehnsüchten verstecken. Uniformität ist das Schlagwort in den ebenfalls von Ingrid Erb entworfenen Kostümen, wo nur Don Alfonso und Despina einen Hauch von modischem Leben zeigen dürfen. Selbst in Verkleidung sind die beiden fremden Verehrer noch Soldaten. Auch in den Gesten ist das bella vita militar ständig präsent, und der erste Akt wird so zum Kampf der Geschlechter. Allerdings ein reichlich alberner Kampf, in dem sich manche Geste in der zehnten Wiederholung abnutzt.

Deutlich konzentrierter gelingt der zweite Akt, in dem Gürbaca in den nachdenklichen Momenten große Sensibilität offenbart. Erst hier entwickeln sich die vier Versuchskaninchen der Aufklärung weiter. Barocke Zitate in den Kostümen des Chores lassen die Vergangenheit lebendig werden, die Damen befreien sich aus ihren engen Röcken. Ihr sicherer Raum reißt immer weiter ein, das Licht von Andreas Grüter hat dessen Schwachpunkte schon zuvor offengelegt. Die neue Verwundbarkeit der beiden Schwestern wird von den Herren eiskalt ausgenutzt. Einmal mehr wird deutlich, dass die Oper nicht so frauenfeindlich ist wie ihr jahrelanger Ruf, sondern vor allem eine böse Abhandlung über unvollkommene Beziehungen und unerfüllte Sehnsüchte.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Auch musikalisch steigert sich der Abend, was gesanglich kaum zu erwarten ist. Denn das Ensemble verliert selbst im hektischen ersten Akt kaum die stimmliche Contenance, sondern beweist eine Homogenität, die so nicht selbstverständlich ist. Die Premierenserie seinerzeit fiel da nicht so positiv aus. Wenn die Ruhe im zweiten Akt die Oberhand gewinnt, kommen Glanz und Technik der Stimmen noch mehr zur Geltung. Jacquelyn Wagner als Fiordiligi beispielsweise singt im ersten Akt eine ganz starke Felsenarie, ihr Per pietà ist dann nur noch innerste Offenbarung. Totale Harmonie wie unter Schwestern findet auf der Bühne mit Katrin Wundsam statt, die als einzige schon 2012 erfolgreich mitgewirkt hat und sich seitdem noch weiterentwickelt hat. Das Ergebnis: Eine wunderbare Dorabella. Aoife Miskelly gelingt das Kunststück, einer so oft gehörten Rolle wie der Despina einen eigenen Stempel aufzudrücken. Das Geheimnis liegt in diesem Fall in der Natürlichkeit ihres Soprans und in ihrem Spielwitz.

Foto © Paul Leclaire

Spielwitz stünde Andrei Bondarenko gut zu Gesicht, der darstellerisch etwas gelangweilt über die Bühne geht. Sein Bariton hat offenbar weit mehr Lust an diesem Abend. Ähnliches gilt für den schönen Tenor von Maximilian Schmitt, der sich im zweiten Akt ganz frei singt und ein stark reflektiertes tradito, schernito präsentiert. Kein weiser Aufklärer sondern ein zynischer Berater ist Markus Werba bei seinem Hausdebüt in Köln. Sein Don Alfonso lebt durch pointierten Text und Bühnenpräsenz und ist – was sonst zu selten vorkommt – auch sauber gesungen. Sehr gut!

Das Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Francesco Pasqualetti beginnt in der Ouvertüre sehr engagiert, um sich dann etwas zurückzuziehen. Fast befürchtet man, dass der Rest der Musik zur reinen Begleitung verkommt. Zudem lässt die Sauberkeit zu wünschen übrig. Das Blech stellt die Standhaftigkeit von Jacquelyn Wagners starkem Felsen auf eine harte Probe. Doch nach und nach werden die von Pasqualetti geforderten Differenzierungen hörbar, dann atmet die Musik eine Atmosphäre aus, die Mozarts Harmonien schweben lässt. Bemerkenswert, wie Pasqualetti die schwierige Akustik des Staatenhauses meistert. Die Abmischung von Bühne und Graben lässt keine Wünsche offen.

Ärgerlich sind nach wie vor die starken Kürzungen in Musik und Rezitativen. Dass der Abend dann trotzdem über drei Stunden dauert, überrascht. Das Publikum beklatscht ganz brav die sehr gut gesungenen Arien, beim Schlussapplaus geht den meisten nach dem ersten Durchgang die Luft aus. Schwache Leistung.

Rebecca Hoffmann