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Sevilla-Romantik und Stierkampfidylle wird man bei Georges Bizets Carmen am Stadttheater Klagenfurt, wo die heute üblicherweise verwendete Originalfassung mit den gesprochenen, französischen, teils etwas langatmigen Dialogen verwendet wird, szenisch wenig finden. Statt der Weite Andalusiens und großer Plätze in Sevilla sieht man, durch Projektionen unterstützt, die der Verortung dienen, enge, von Mauern begrenzte, meist schmucklose Räume, die Josef Frommwieser erdacht hat, sogar in den Bergen, die die Massenszenen jedoch sehr beengen. Die teilweise folkloristischen Kostüme von Marina Luxardo sind teils von eigenwilligem Geschmack und nicht unbedingt vorteilhaft für die Protagonisten ersonnen, so etwa der schrecklich geschmacklose und dick auftragende Hosenanzug der Titelheldin im letzten Akt.
Konventionell ist die nahe am Heute angesiedelte Regie von Cesare Lievi, der hier am Haus vor zwei Jahren Verdis Macbeth erfolgreich inszeniert hat. Lebendigkeit und wirkliche Gefühle sind großenteils zu erkennen. Erotik wird man bei Carmen allerdings vergeblich suchen oder sie wirkt extrem unnatürlich aufgesetzt. Das liegt jedoch auch in ihrer Persönlichkeit und ihren teils ungelenken Bewegungen. Auch ist sie im Gegensatz zu Don José von recht großer Statur, eine optisch etwas unglückliche Konstellation. Zum Schluss erlebt man statt eines Einmarsches der Stierkämpfer in die Arena, die nur durch ein Tor symbolisiert wird, den Tod als Sensenmann und einige überdimensionale Marionetten, an die schließlich die packend inszenierte finale Mordszene anschließt. Wirkliche Erotik verströmt nur eine neu erdachte, sinnliche Traumszene des Don José im Gefängnis beim ersten Zwischenspiel durch eine Tänzerin hinter den Gitterstäben. Die Choreographie auch aller übrigen, sehr gelungenen Tanzeinlagen stammt von Conchita Navarro.
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Obwohl diese Oper schwer zu besetzen ist, kann man sich an überwiegend exzellenten Stimmen erfreuen: Allen voran singt Elsa Benoit eine wunderbare, mädchenhafte und innig phrasierende Micaela. Eve-Maud Hubeaux ist eine schönstimmige und dramatisch fokussierte Carmen. Demos Flemotomos ist ein viel Schmelz verströmender, höhensicherer Don José. Charles Rice singt den Escamillo markant, etwas eng in der Höhe, etwas knorrig in der Tiefe. Gut ausgewählt sind auch die kleinen Partien: Martin Summer singt einen stimmgewaltigen Zuniga. Nikos Kotenidis ist ein kraftvoller Morales, Ivana Zdravkova eine klare Frasquita, Christiane Döcker eine feine Mercédés, Grga Peros singt den Dancairo tadellos und Thomas Tischler liefert einen urkomischen Remendado, fast wie eine Karikatur eines Schmugglers ab. Der Chor des Hauses, dessen Einstudierung Günter Wallner besorgte, entwickelt so manches rhythmische Eigenleben, und der spielfreudige Kinderchor der Singschule Carinthia, den Apostollos Kallos und Krassimir Tassev einstudiert haben, singt meist tadellos.
Knisterndes Feuer, glühende Leidenschaft, spannungsvolle Momente tönen mitreißend aus dem Orchestergraben: Spätestens nach dieser Premiere weiß man, warum Lorenzo Viotti den diesjährigen Young Conductors Award der Salzburger Festspiele gewonnen hat. Denn der erst 25-jährige Schweizer Dirigent vermag bei Bizets Carmen am Stadttheater Klagenfurt, die hier zuletzt 2004 gespielt wurde, all seine musikalischen Vorstellungen umzusetzen: Bei oft extrem zugespitzten Tempi, etwa beim Vorspiel oder beim Schmugglerquintett, erlebt man auch blühende Melodik, glutvolle Sinnlichkeit und funkelnden Farbenreichtum bei einem immer ausbalancierten Klangbild und stetiger Rücksichtnahme auf die Sänger.
Großer Jubel des begeisterten Publikums für alle Beteiligten.
Helmut Christian Mayer