Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Alle Fotos © Annemone Taake

Aktuelle Aufführungen

Trauer muss Didone tragen

DIDONE ABBANDONATA
(Leonardo Vinci/Georg Friedrich Händel)

Besuch am
5. Dezember 2015
(Premiere)

 

Theater Heidelberg,
Winter in Schwetzingen

Wie so oft in der Barockoper interessieren einen die Texte und Inhalte weniger. Denn üblicherweise winden sich die meist mythologischen Figuren in ihrem irrationalen Schmerz, gefallen sich in mehr oder weniger eitler Selbstbespiegelung und können die Machtstrukturen nicht aufbrechen, damit sie unter Liebesqualen sterben. Das macht aber gar nichts, sofern gut gesungen und musiziert wird.

Beides ist im Rokokotheater der Fall, wo das Theater Heidelberg mit seinem Festival Winter in Schwetzingen gastiert. Dieses Jahr ist die Oper Didone abbandonata des Neapolitaners Leonardo Vinci auf der bezaubernd kleinen Bühne dran; Georg Friedrich Händel hat das Stück für seinen Londoner Hausgebrauch umgemodelt, eigenes eingefügt, gekürzt und Arien von Hasse und Vivaldi verwendet. Pasticcio nennt sich das in diesem Fall erfolgreiche Verfahren, denn die deutsche Erstaufführung nach rund 270 Jahren Dornröschenschlaf gerät zur erfolgreichen Reanimation.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Regisseurin Yona Kim setzt ganz auf die psychologische Durchdringung der Figuren; deren Herzeleid, ihre Intrigen, ihre Selbstbezogenheit kommen trefflich zur Geltung, denn im Grunde können sie allesamt nicht miteinander kommunizieren: Weil sie gefangen sind im Kokon ihrer Eigenliebe. Auf der stilisiert kargen Bühne der Ausstatter Hugo Holger Schneider und Margrit Flagner, die allenfalls durch ein Bild – halb Wolf, halb Löwe – Äneas' Rom-Problem illustriert, können also die Protagonisten ihre Leiden auskosten.

Elisabeth Auerbach als Selene, Kangmin Justin Kim in der Rolle des Aeneas und Polina Artsis als Osmidas - Foto © Annemone Taake

Was sängerisch und darstellerisch fabelhaft glückt. Allen voran Rinnat Moriah mit makellos geführtem Sopran, der mühelos die Koloraturen durchläuft und viele feine Facetten einbringt. Aussehen und Aura dieser Sängerin kommen hinzu. Ihr zur Seite der Counter Kangmin Justin Kim als Äneas, rank und schlank im sportiven Aussehen und in seiner hell geführten Stimme. Der arme Kerl wird dummerweise auch von Selene umgarnt, Elisabeth Auerbach macht ihre Sache gut. Dido ist eine Königin, sie selbst und ihr Reich sind heiß begehrt; deshalb muss ein „Barbar“ her, der Bedrohlichkeit ausstrahlt. Terry Wey, ebenfalls ein Counter, wird dunkel fast wie ein Samurai kostümiert und gibt seiner Stimme härtere Kontur. In kleineren Partien gefallen Tenor Namwon Huh und die Altistin Polina Artsis, beide haben im Beziehungsgeflecht wichtige Funktionen zwischen wechselnden Treueschwüren und Parteienverrat. Sehr dinglich zeigt die Inszenierung die zunehmende Vereinsamung der Dido, die sich von allen verlassen fühlt und am Ende mit ihrer brennenden Stadt untergeht.

Das Heidelberger Orchester hat sich in den letzten zehn Jahren mit Bestehen dieser Barock-Pflege zu einem tüchtigen, historisch informierten Klangkörper gemausert. Wolfgang Katschner am Pult und an der Laute drückt aufs Tempo, dem – fast – alle Sänger gewachsen sind, setzt schroffe Akzente und führt den Abend durch eine Vielzahl musikalischer Affekte.

Heftiger Premierenbeifall.

Eckhard Britsch