Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Thomas M. Jauk

Aktuelle Aufführungen

Die Katzen lassen das Mausen nicht

DIE ENGLISCHE KATZE
(Hans Werner Henze)

Besuch am
21. Dezember 2016
(Premiere am 26. November 2016)

 

 

Staatsoper Hannover

Nach einer Erzählung von Honoré de Balzac schrieb der englische Dramatiker Edward Bond, der für Henze bereits ein Libretto verfasst hatte, den Text zur Englischen Katze. Im viktorianischen England angesiedelt, prangert er als Gesellschaftssatire getarnt die bigotte bürgerliche Welt an, deren moralischer Anspruch als Deckmantel für absolut eigennützige Interessen dient und die dafür auch den Tod von anderen leichtfertig in Kauf nimmt.

Das Werk wird von Sabine Mader in einen Quader projiziert, der das Wohnzimmer von Ms. Halifax zeigt. Alles ist merkwürdig verquer hier: Nicht nur der Boden ist schräg, auch der Kronleuchter ragt seitlich aus der Wand, ein Teppich schiebt sich auf einer Seite an der Wand hoch, auf der anderen hängt er herunter. Es gibt einen Tresor, der sich auf der Außenseite des Quaders als Balkon mit Gitterstäben entpuppt. In diesen wird Minette im zweiten Teil gesperrt und sieht dort ihrem Prozess entgegen. Zudem befindet sich im Salon eine Tür und merkwürdigerweise ragt ein Baumstamm quer durchs Zimmer.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

In dieser verdrehten Welt leben die hochherrschaftlichen Katzen, die aber fast nur durch die sich unter ihren Haaren abzeichnenden Katzenohren an solche erinnern. Bis auf die weitere Tatsache, dass sie sich auch ab und an mit raubtierhaften Bewegungen gebärden, erscheinen sie ansonsten doch sehr menschlich. In Kostümen von Ellen Hofmann aus der vorletzten Jahrhundertwende präsentieren sich die als elitäre Tiere verkleideten Schauspieler in Pelzen, glitzernden Abendkleidern oder auch mit Frack und Zylinder. Die Katzen halten sich eine Mäusewaise – Louise – die trotz des offenbaren Reichtums in einem Kellerloch gehalten wird, das jeglichem Luxus trotzt.

Foto © Thomas M. Jauk

Diese Interpretation der Wohnsituation von Louise durch Dagmar Schlingmann, die in der nächsten Spielzeit als Intendantin ans Staatstheater Braunschweig wechselt, erschließt sich vor dem Hintergrund einer angenommenen, dem äußeren Schein dienenden Barmherzigkeit der Katzen, denen das Leben ihrer Maus aber in Wirklichkeit völlig egal ist. Dass es eigentlich ein Leichtes sein sollte, aus dieser falschen Welt zu entfliehen, macht die schwebende Feuerleiter deutlich, auf der Minette dem Kater Tom begegnet. Allerdings führt sie ins Nirgendwo – der Ausweg aus der trügerischen Katzenwelt ist so also auch nicht möglich.

Das Ensemble war bereits in der zweiten Vorstellung von grippalen Infekten geplagt, so dass sie ausfallen musste. Um nicht auch die dritte Vorstellung ausfallen zu lassen, tritt Ania Vegry als Minette trotz etwas schwacher Stimme auf. Zudem übernimmt der Kapellmeister von der Seite den Gesangspart von Byung Kweon Jun, der den Mr. Jones, Mr. Fawn und den Richter gibt.

Vegrys Minette ist eine schüchterne, aber im Umgang mit Tom bisweilen sogar kecke Katze, die ihrem Schicksal, ertränkt zu werden, mit relativer Gelassenheit entgegensieht. Mit warmem, ausdrucksstarkem Sopran interpretiert sie ihre Rolle intonationssicher. Matthias Winckhler als Tom präsentiert die Rolle des Gigolos mit schönem Timbre. Überzeugend gesteht er erst Minette seine Liebe, wendet sich später aber von der zum Tode Geweihten ab und ihrer Schwester – mit Minettes Einverständnis – zu. Julia Sitkovetsky gibt die stille, liebenswerte Waisenmaus Louise mit wunderschöner Stimme. Mit festem Ton geht sie im Verlauf der Handlung in fast revolutionäre Stimmung über. Daniel Eggert ist ein überzeugender Arnold, Sung-Keun Park ein stimmstarker Lord Puff und Hanna Larissa Naujoks eine bezaubernde Babette. Etwas schwierig gestaltet sich die Übernahme der drei Rollen durch den Kapellmeister. Hier sind einige Textversprecher zu bemerken – aber das ist natürlich verzeihlich. Nichtsdestotrotz wirkt das Ensemble an diesem Abend nicht perfekt eingespielt. Sei es die mal deutsche, mal englische Aussprache des Wortes „Puff“ oder die bisweilen unkoordiniert wirkenden Bewegungen auf der Bühne. Vielleicht liegt das auch daran, dass die vielen Protagonisten oftmals gemeinsam auf der Bühne sind – es gibt wenig Momente der Zwei- oder Dreisamkeit.

Mark Rohde lotst das mit exotischen Instrumenten wie Heckelphon und Zither verstärkte Staatsorchester gut und sicher durch die Partitur. Das verdient bei der klangfarbenreichen Musik, die an neuromantische und klassizistische Traditionen anknüpft, aber auch atonale Elemente erhält, besondere Achtung.

Das Publikum zeigt sich am Ende mäßig begeistert, der Vorhang fällt ziemlich früh. Schade, denn die Oper steht selten auf dem Spielplan und verdient durch die stets aktuelle Gesellschaftskritik mehr Beachtung.

Agnes Beckmann