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Kulturmagazin mit Charakter

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Die Ulrichskirche in Halle - Foto © Thomas Ziegler

Aktuelle Aufführungen

Trällern in der Meisterklasse

GALAKONZERT
(Händel-Festspiele Halle)

Besuch am
20. November 2015
(EInmalige Aufführung)

 

 

Händel-Festspiele Halle, Ulrichskirche

Still ist es in der Konzerthalle Ulrichskirche, einer gotischen Hallenkirche. Ruhig verharrend und gespannt sitzt das großenteils lokale Publikum auf den eng gereihten Plätzen. Die mächtige moderne Orgel, hinter dem Altar thronend, flößt Ehrfurcht ein. Schwungvoll polternd geht die hölzerne Tür zur Sakristei auf und das Concerto  Köln stürmt förmlich mit seinen Originalinstrumenten auf das Podest, barocke Dynamik bereits ohne einen Ton verströmend.

Einmal aufgestellt, geht es auch schon los mit der Sinfonia The Arrival of the Queen of Sheba. Ein bekanntes und sehr beliebtes Opus von Halles wohl berühmtestem Bürger, Georg Friedrich Händel. Ihm zu Ehren führt die Stadt jährlich  international anerkannte Händelfestspiele im Frühjahr auf und nun auch im Herbst. Für das Eröffnungs-Galakonzert hat man die junge Russin Julia Lezhnewa eingeladen. Auf der fernen Insel Sachalin geboren, hat sie in den letzten Jahren die Welt der Barockfans für sich gewonnen. Von der Fachwelt wird sie auf Grund der Breite, des Klangs und der Flexibilität ihrer Stimme sowie dem außerordentlichen Können bejubelt. Sie entweicht der großen Vermarktung und dem Starrummel und tritt selten, meist nur in Konzertsälen oder Kirchen auf, obwohl die Barockoper ihr stimmliches Zuhause ist, genauso wie sakrale Musik.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Kaum ist der letzte Ton des Eröffnungsstückes verhallt, tritt Lezhnewa bescheiden, sympathisch auf die Bühne. Kleingewachsen, im beigen armlosen Kleid wirkt die Sängerin mit ihrem runden Gesicht sehr mädchenhaft, scheu aber eine besondere Aura ausstrahlend. Ihre erste Arie widmet sie dem großen Konkurrenten Händels am Londoner Opernmarkt seiner Zeit, Nicola Antonio Porpora. Come Nave in mezzo all'onde aus dessen Oper Silface. Porpora war ein bekannter und gefürchteter Gesangslehrer, der für seine außerordentlich talentierten Schüler, meist Kastraten, anspruchsvollste Arien schuf und so den Starkult seiner Zeit noch anfeuerte. Mit diesem Stück zeigt Lezhnewa wahre Stimmakrobatik. Staccati und Koloraturen wechseln mit ekstatischen Höhensprüngen ab. Volle Konzentration und Stimmbeherrschung ist gefordert. Wie eine Turnerin bewegt sie ihre Stimme geschmeidig von einem Kunststück zum anderen. Mal sind es lange weich ausgedehnte Vokale, im Legato ausgebreitete Melodiebögen, um dann in einem Sprung zu einem Lauf in Koloraturen oder wahrhaft stimmlichen Triller einzuschwenken. Die Anforderungen an Atemtechnik, Öffnung der stimmlichen Resonanzkästen und dabei noch sprachlicher Artikulation sind enorm. Julia Lezhnewa wählt dafür auch ein hohes Tempo, vermeidet aber, noch weiter aufs Tempo zu drücken, sondern drosselt sich und das Orchester mit gefühlvollen Ritardandi.

Julia Lezhnewa mit dem Concerto Köln - Foto © Maria Scheunpflug

Mit dem Concerto Köln hat sie in den letzten Jahren intensiv zusammengearbeitet und auch verschiedene Platten aufgenommen. Hier stimmt die Chemie im Zusammenspiel, das merkt man. Kleine Gesten, Augenkontakt oder ein offenes Ohr eines jeden Musikers im Orchester gewährleistet ein funktionierendes Gemeinsam. Herzlich bedankt sie sich auch bei den Musikern, allen voran bei der Konzertmeisterin Mayumi Hirasaki, eine ebenso kleine und zarte, aber resolute Künstlerin.

Das begeistert vereinnahmte Publikum erklatscht drei Zugaben, die weitere stimmliche Kunststücke beinhalten und Julia Lezhnewa, nach der Pause in ein ansprechendes rotes Kleid mit transparenten weiten Ärmeln gehüllt, bleibt zurückhaltend, wirkt strahlend beschämt, lächelt einnehmend und fühlt sich ihren Fans in diesem Moment ganz nah. Solchem Charme entkommt man schwer, und es ist gut, dass die Künstlerin sich dem großen Starkult entziehen will. Dieser Abend war ein natürlich schönes, unaufdringliches Musikerlebnis, das einem noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Helmut Pitsch