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Alle Fotos © Werner Kmetitsch

Aktuelle Aufführungen

Dieser Wurm wird seinem Namen voll gerecht

LUISA MILLER
(Giuseppe Verdi)

Besuch am
16. Dezember 2015
(Premiere am 12. Dezember 2015)

 

 

Opernhaus Graz

Er kriecht am Boden herum und verschwindet in Mauerluken. Er windet sich aus dem Spiegel und sogar aus dem Kamin heraus. Er klettert die Tapete an der Wand hoch, hängt von der Decke herunter und braut gar den finalen Gifttrank für das unglückliche Liebespaar:  Dieser Wurm wird seinem Namen voll gerecht und ist bei Giuseppe Verdis Luisa Miller kreuchend-fleuchend, spinnen- und wurmgleich dauerpräsent, dass es einem schon fast zu viel wird. 

Regisseur Paul Esterhazy hat diese intrigante Figur am Grazer Opernhaus stark aufgewertet. Hier wurde dieses Werk des Übergangs, am Ende von Verdis Galeerenjahren und 15 Monate vor seinem Rigoletto aus 1849, da fand die Uraufführung in Neapel statt, erstaunlicherweise erst jetzt erstmalig aufgeführt. Und der Wiener Regisseur hat das Ränkespiel, das auf Schillers Kabale und Liebe basiert und von Salvadore Cammarano theatralisch effektvoll in ein Libretto gegossen wurde, als Thriller voll Sex and Crime inszeniert. Dabei lässt er mit erstaunlichen Effekten Zauberhaftes mit Wänden und Spiegelungen und Doubles geschehen inklusive einer erfundenen, eigentlich entbehrlichen Vergewaltigungsszene von Luisa durch diesen Wurm. Die wegen der damaligen Zensur in den Tiroler Bergen stattfindende Geschichte lässt er in einem Labyrinth von Lug und Trug, Sein und Schein, mit widerlicher Bösartigkeit wie auch mit Wunschvorstellungen und Angstvisionen präzise und packend ablaufen. Darin verlaufen sich mit absichtsvollen Einflüsterungen und vermeintlicher Untreue der Grafensohn Rodolfo und das Bürgermädchen Luisa. Nichts verfremdet die tragische Geschichte der nicht standesgemäßen Liebe zwischen den beiden, die von einer gemeinen Intrige ausgelöscht wird.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Mit dazu bei trägt auch die historisierte Ausstattung von Mathis Neidhardt mit einem Herrschaftsgeschoß, einem gräflichen Salon oben und Millers Stube, einem schäbigen Tiefparterre unten, je nach Verortung fließend wechselnd, augengleich eingerichtet und sich nur in der Qualität der Einrichtung unterscheidend, in denen ein Page oder eine ältliche Haushälterin immer mit stereotypen Handlungsweisen auftreten. Und statt auf dem Betstuhl, auf dem Miller sitzt, der hier kein Soldat ist, sondern ein Mann des Glaubens, kniet der Graf einen Stock höher vor dem riesigen Tresor, wenn er aus ihm etwas herausnimmt. Aber die Oper hat auch ihre Längen, wie etwa die eine gefühlte Ewigkeit dauernde, tödliche Schlussszene des Liebespaares.

Foto © Werner Kmetitsch

Den weiblichen Part davon singt Sophia Brommer in der Titelrolle mit farbenreichem, warm schillerndem, koloratursicherem Sopran. Da kann José Manuel aus Mallorca als Rodolfo mit zwar nicht unschönem, aber sehr klein dimensioniertem Tenor nicht mithalten. Deswegen neigt er auch immer wieder zum Forcieren. Petar Naydenov als sein Vater Graf Walter wirkt eher blass. Nicht unbedingt mit nobler Gesangskultur gestaltet Elia Fabbian Luisas Vater Miller: Man hört einen oft zu lautstark mit einigen Unsauberkeiten eingesetzten Bariton. Dshamilja Kaiser singt Luisas weibliche Rivalin um die Gunst des Grafensohns Federica stimmgewaltig aber tremoloreich. Wilfried Zelinka ist ein extrem hinterhältiger Wurm mit tollem, einschmeichelndem, zynischem Spiel und kraftvollem, rundem Bass. Den wenig beanspruchten, homogenen Chor des Hauses in der Einstudierung von Bernhard Schneider hört man meist aus dem Off.

Dramatisch akzentuiert, aber teils zu lautstark, versteht es Robin Engelen am Pult, bei ausgereizter Dynamik im Grazer Philharmonischen Orchester spannende, aber auch derbe Momente zu erzeugen. Denn es fehlt an Raffinement, an duftiger Klangschönheit und durchhörbarer Zartheit.

Dem Publikum scheint es uneingeschränkt gefallen zu haben, es spendet starken Applaus.

Helmut Christian Mayer