Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Matthias Jung

Aktuelle Aufführungen

Hübsch kostümiertes Oratorium

NORMA
(VIncenzo Bellini)

Besuch am
12. Oktober 2016
(Premiere am 8. Oktober 2016)

 

 

Aalto-Musiktheater Essen

Es ist kein halbes Jahr her, dass im benachbarten Musiktheater im Revier Christina Stöppler wenigstens versuchte, die szenische Aufbereitung von Vincenzo Bellinis melodischer Kalorienbombe Norma nicht nur als neutralen Nährboden für vokale Glanzleistungen zu verstehen, sondern die über die Liebesgeschichte hinausgehenden Konflikte des Stücks ernst zu nehmen. Genau das fehlt der Neuinszenierung am Essener Aalto-Theater, obwohl den Besetzungszettel gleich zwei Regisseure zieren: den bisher vor allem als Bühnenbildner hervorgetretenen Tobias Hoheisel und die schauspielerfahrene, aus Bühne, Film und Fernsehen bekannte Imogen Kogge.

Wenn sich der Vorhang zum Schlussbeifall senkt, stellt sich die Frage, worin der Mehrwert eines solchen Regie-Tandems bestehen könnte. Denn ein Konzept wird nicht erkennbar. Mit professioneller Routine werden die Figuren in Position gebracht oder wie der Chor als profillose Staffage aufgestellt. Schnell wird klar, dass es beiden ausschließlich um das private Drama geht. Die verbotene Beziehung der Druidenpriesterin Norma zum feindlichen Römerhauptmann Pollione, der sogar zwei Kinder entsprungen sind, führt zu einem ausweglosen Gewissenskonflikt, der noch durch die Untreue Polliones verstärkt wird, indem er sich ausgerechnet mit Normas engster Vertrauter Adalgisa einlässt.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Hoheisel und Kogge präsentieren uns drei Figuren, die von Schuldgefühlen geplagt sind. Die Konsequenzen dieser Dreiecksbeziehung für die Zukunft Galliens, also die staatspolitischen Auswirkungen interessieren die Regisseure nicht. Selbst der für die Stabilisierung der Staatsraison notwendige Feuertod Normas am Ende schlägt sich nur in harmlosen Lichtreflexen nieder. Mehr als Routine wird nicht geboten. Und das wirkt sich bei einem dramaturgisch ohnehin schwierigen Werk wie der Norma fatal aus.

Foto © Matthias Jung

Wenigstens deutet Hoheisel als Bühnenbildner den Konflikt optisch an. Ein drehbarer Turm wechselt zwischen dem Heiligtum Normas und dem privaten Gemach. Allerdings wirkt auch diese durch Mauern ergänzte Kulisse so neutral und profillos wie eine altmodisch anmutende Dekoration. Schön anzusehen sind die Damen in Hoheisels edlen Kostümen.

Gewiss lassen sich etliche szenische Schwächen bei Bellini übersehen, wenn das musikalische Format stimmt. Giacomo Sagripanti am Pult der Essener Philharmoniker lässt bereits im Vorspiel anklingen, dass er in der Oper mehr sieht als eine reine Oase vokalen Schönklangs. Mit starken dramatischen Akzenten setzt er Impulse, die man auf der Bühne vermisst. Dass er dabei nicht immer genügend Rücksicht auf die Sänger nimmt, ist schade, wird aber durch etliche Passagen relativiert, in denen er sich als sängerdienlich erweist.

Die Besetzung der Norma ist immer ein Problem. Katia Pellegrino in der Titelrolle vermag vor allem die leisen, introvertierten Töne der leidenden Mutter und der verletzten Geliebten anrührend zu treffen. Ihrem darstellerischen Charisma ist es zu verdanken, dass vom Drama auf der Bühne überhaupt etwas zu vernehmen ist. Allerdings verengt sich ihre Stimme in den Höhen mit gewöhnungsbedürftiger Schärfe.

Die psychologisch einfacher gestrickte Partie des Pollione vermag Gianluca Terranova mit Strahlkraft, aber relativ wenig Schmelz zu stemmen. Für die Adalgisa hat man sich für einen Mezzo entschieden und Abstand von neueren Praktiken genommen, auch diese Rolle mit einem Sopran zu besetzen. Der Unterscheidung der beiden Frauen kommt diese althergebrachte Lösung entgegen. Erst recht, wenn eine Sängerin mit einer in allen Lagen weichen und mühelos ansprechenden Stimme wie Bettina Ranch am Werke ist. Hörenswert Insung Sim als Hauptmann Oroveso mit sattem Bass und Albrecht Kludszuweit als Flavio mit strahlendem Tenor. Verlässlich agiert der Opernchor des Aalto-Theaters.

Das Publikum bedenkt die Sänger mit begeistertem Beifall, darunter auch etlichem Zwischenapplaus.

Pedro Obiera