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Aktuelle Aufführungen

Bemühtes, nicht zündendes Feuerwerk

IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Gioacchino Rossini)

Besuch am
26. Dezember 2015
(Premiere)

 

 

Tiroler Festspiele Erl

Wie ein Popstar im Glitzergehrock mit Mikrophon beschreitet Figaro bei seiner berühmten Auftrittsarie wippend den weißen Laufsteg in der Bühnenmitte, aufgeputzt von Tänzerinnen und Tänzern: Wie eine Revue hat Gustav Kuhn Il barbiere di Siviglia von Gioacchino Rossini als Neuinszenierung bei den Tiroler Festspielen in Erl angelegt.

Und wie in den alten Zeiten des Passionsspielhauses, in dem es noch keinen Graben gab, ist das Orchester nun auch im neuen Festspielhaus auf der Bühne situiert. Es ist eingerahmt von einem Podest dahinter, seitlich von Treppen und einer Vorderbühne, dem zugedeckten Graben mit einigen, variablen Klötzen, die als Sitzgelegenheit dienen, alles in Weiß gehalten und wird auch immer wieder ins Geschehen eingebunden. Die Bühne stammt von Peter Schmidt und Alexander Paget. Das sind auch die Spielflächen, wobei die Sänger, alle in eleganten und glitzernden Showkostümen, die Lena Radecky kreiert hat, ihre Arien meist auf dem mittigen Catwalk, unter dem auch alle möglichen Requisiten hervorgezaubert werden, wie Showstars absolvieren und allerlei Gegenstände wie Blumen oder Kerzenhalter quasi wie Mikros benutzen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Und immer wieder wird die karge Szene von sechs mitreißend choreographierten Tänzerinnen und Tänzern, die Choreographie hat die selbst mittanzende Katharina Glas besorgt, aufgemotzt sowie gleich sechs musizierenden Gitarristen in spanischen Kostümen beim Ständchen und vom gut und homogen singenden, nur zwölfköpfigen Chor des Hauses in schwarzen Abendroben und Smokings, die Damen mit schrillen Frisuren. Eine Verortung der Schauplätze findet in dieser nüchternen Einheitsszenerie, die nur manchmal durch Projektionen und Lichtstimmungen am weißen Hintergrund etwas Farbe bekommt, nicht statt. Diese konsequent durchgezogene Konzeption des inszenierenden Künstlerischen Leiters und Gründer des Festivals ist jedoch weder spritzig, noch ideenreich und leider schon gar nicht witzig, sondern wirkt überwiegend bemüht und wird einer Opera buffa, die der Barbier nun mal ist und wie man ihn auch anders inszeniert kennt, gar nicht gerecht.

Foto © APA-Fotoservice

Man muss Gustav Kuhn jedoch zu Gute halten, dass er ein ungemeines Händchen dafür hat, vor allem junge Sängertalente zu entdecken und wie meist auch diesmal ein hochwertiges Ensemble zusammenstellt hat: Eine der Sängerinnen ist Aurora Faggioli, die mit ihren erst 23 Jahren ein wahres Feuerwerk von sauberen Koloraturen zu zünden vermag. Ihre Stimme ist von wunderbarer Flexibilität und tiefem Ausdruck. Ebenfalls koloratursicher ist Francisco Brito als Graf Almaviva, der einen schönen lyrischen Tenor mit unangestrengten Höhen besitzt. Oliviero Giorgiutti ist der Idealfall eines misstrauischen Bartolo. Mit profundem, kraftvollem Bass vernimmt man Giovanni Battista Parodi als Basilio. Sergio Vitale als Figaro könnte darstellerisch durchaus vitaler und buffonesker sein, hat aber große stimmliche Präsenz und ein wunderbar weiches Timbre. Ebenso ideal besetzt sind die kleineren Partien mit Michela Bregantin als Berta und Nicola Ziccardi als Fiorello.

Etwas zu brav und auf Sicherheit bedacht hört man das Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter Andreas Leisner, Vizeintendant der Festspiele und eigentlich Chefdramaturg und Regisseur, bei seinem Debüt als Operndirigent. Er hat zwar eine leichte und flotte Lesart der genialen Partitur, vieles könnte jedoch noch spritziger sein.

Dem Publikum im vollen Haus gefällt es uneingeschränkt, es jubelt lautstark.

Helmut Christian Mayer