Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Lutz Edelhoff

Aktuelle Aufführungen

Vom Buchdruck zum mobilen Internet

GUTENBERG
(Volker David Kirchner)

Besuch am
8. April 2016
(Premiere am 24. März 2016)

 

 

Theater Erfurt

Die Erfurter Oper präsentiert in fast jeder Spielzeit eine Uraufführung. Die Wahl fiel in dieser Saison auf Volker David Kirchners Oper Gutenberg. Das Oeuvre des von Bernd Alois Zimmermann geprägten Komponisten umfasst alle Gattungen. Dazu zählen insgesamt zwölf Bühnenwerke, von denen sich etliche mit religiösen und existenziellen Fragen beschäftigen. Auch Gutenberg streift philosophische Gedanken, ist aber vor allem eine biografische Oper.

Doch Regisseurin Martina Veh will mehr und kreiert als entsprechende Ergänzung zum nur einstündigen Einakter einen abstrakten Prolog, den sie Digitale Revolution nennt. In ihm geht es um Konsumwelt, Verlust von Individualität und Digitalisierung des Menschen.Und weil „große Fragen große Musik verlangen“, wie sie sagt, verwendet sie vorwiegend Musik aus Chorwerken von Bach, angereichert mit elektronischem Sound von Gunnar Geise – was die Kooperation mit den gleichzeitig stattfindenden Thüringer Bachwochen erklärt.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Das Hauptstück beginnt nach der Pause. Gutenberg tönt erstaunlich romantisch und süffig, bietet einerseits einschmeichelnde Harmonien, andererseits kantige Avantgarde-Klänge. Die Opergreift einige markante Episoden aus dem bis heute wenig bekannten Leben des Buchdruck-Erfinders heraus. Auf seinem Krankenlager erinnert sich Gutenberg an Kriegserlebnisse als Kind, an Enttäuschungen über Geschäftspartner und an eine Auseinandersetzung mit dem Domprobst, für den der Buchdruck Teufelszeug ist. Der Epilog spielt im Himmel, wo Gutenberg auf Steven Jobs trifft, der in Gestalt eines Moderators schon im Prolog auftritt. Der Revolutionär, der durch den mobilen Buchdruck die schnellere Verbreitung von Büchern ermöglichte, und der Apple-Gründer, der die digitale Kommunikation perfektionierte, diskutieren ihre unterschiedlichen Sichtweisen, pessimistisch der eine, hoffnungsvoll der andere. 

Foto © Lutz Edelhoff

Veh inszeniert den ersten Teil mit viel Aktionismus, medienkritischen Texten und einem Überfluss an schwer verständlichen Einfällen. Abwegig ist die Idee nicht, Parallelen zwischen früher und moderner Kommunikation aufzuzeigen, doch das Konzept wirkt als Einstieg für die folgende Oper zu kopflastig. Sie indes wird linear erzählt und ist visuell wegen der Ausstattung von Christl Wein, die mit raffinierten Projektionen und Animationen des Video-Duos fettFilm korreliert, ein Ereignis. Modernes und historisches Ambiente greifen hier ineinander: Die zeitgemäß gekleideten Solisten treten hinter eine Stellwand und erscheinen auf ihr als Trickfilmfiguren im Stil der Epoche.

Der Dirigent Samuel Bächli und das Philharmonische Orchester Erfurt widmen sich den beiden stilistisch so verschiedenen Partituren mit gleicher Aufmerksamkeit. Nur klappt die Koordination mit der Bühne im ersten Teil nicht immer. Der Chor ist in ständiger Bewegung, was ungenaue Koloraturen und Einsätze zur Folge hat. Bei den statuarischen Szenen dagegen klingt er homogen und volltönend.

Siyabulela Ntlale ist ein stimmmächtiger Gutenberg, der etwas zu eindimensional die melancholische Seite des Erfinders herauskehrt. Der Schauspieler Mark Pohl, im schwarzen Outfit wie Jobs, gibt ihn und den Moderator smart und eloquent. Wunderschön singt Daniela Gerstenberger die Vokalisen der Mutter Gottes im Gutenberg, während Katja Bildt durch den stilvollen Vortrag ihrer beiden Bach-Arien für sich einnimmt.

Im gut besuchten Opernhaus reagiert das Publikum auf die musikalische Leistung mit großer Anerkennung. Unter den Zuschauern sind viele Schüler des Gutenberg-Gymnasiums, die vorher Einblick in den Probenprozess erhalten konnten. Die von ihnen entwickelte Foyer-Ausstellung zum Leben und Wirken des Schulnamengebers ist das schöne Resultat.

Karin Coper