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Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Christoph Sebastian

Aktuelle Aufführungen

Redeschwall in edlen Kulissen

URBAN PRAYERS
(Björn Bicker, Malte Jelden)

Besuch am
14. August 2016
(Uraufführung)

 

Ruhrtriennale, DITIB-Merkez-Moschee,
Duisburg-Marxloh

Urban Prayers Ruhr nennt sich ein sechsteiliges Projekt der Ruhrtriennale an sechs Gebetsstätten verschiedener Religionen, das dem verbindenden und grenzüberschreitenden Motto der Triennale, Seid umschlungen …, ein besonders plastisches Profil geben soll. Auf riesiges Interesse stößt der erste Anlauf in der wunderschönen DITIB-Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh, der derzeit größten Moschee Deutschlands.

Angesichts der vielen negativen Schlagzeilen, für die Marxloh als sozialer Brennpunkt sorgt, nehmen selbst nicht alle Duisburger wahr, dass die Begegnung und das Miteinander von Moslems und Christen gerade hier seit Jahren harmonisch gepflegt werden. Nicht umsonst ist der Moschee eine Bildungs- und Begegnungsstätte angegliedert. Und die offene Herzlichkeit, mit der die Besucher aller Konfessionen begrüßt werden, zeigt ein sehr menschliches Bild des gelebten Islams.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Schuhe sind auf dem Teppich des Gebetshauses verboten und Stühle sucht man vergeblich. Furkan Avci, der Imam der Moschee, leitet mit einer koloraturreichen Lesung eines nachdenkenswerten Ausschnitts aus der 55. Koran-Suite mit einer an die Toleranz appellierenden Botschaft die zweistündige Veranstaltung ein. Fremdartig wirkt das schon, aber in seiner ruhigen Intensität unter der reich verzierten Kuppel erinnert es an die große Kultur des Islams, die nichts mit dem Terror gemein hat, für den der Name des Islams missbraucht wird.

Foto © Christoph Sebastian

Leider nimmt der Rest der von Björn Bicker und Malte Jelden konzipierten und von Intendant Johan Simons inszenierten Veranstaltung wenig Rücksicht auf die spirituelle Ausstrahlungskraft der Spielstätte, wie sie kein Bühnenbildner edler und kunstvoller gestalten könnte. Am ehesten gelingt das noch dem in kleiner Besetzung angetretenen ChorWerk Ruhr unter Leitung von Florian Helgath, das mit lupenrein vorgetragenen Gesängen aus der serbisch-orthodoxen Liturgie, dem Hinduismus, der katholischen Kirche, der Baptisten, Juden und Moslems den Nachmittag auflockert. Allerdings mit viel zu kurzen Beiträgen.

Dafür überschütten fünf Sprecher das Publikum mit erheblich zu langen Redetiraden im Dauergalopp, die nicht die geringste Luft zum Reflektieren lassen. Durchaus interessante Texte, die Bicker aus zahlreichen Gesprächen mit Ruhrgebietlern aller Schichten zusammenstellte und die die ganze Palette von Toleranz bis Unverständnis gegenüber anderen Religionen, Kulturen und Flüchtlingen abdecken. Geprägt von der direkten, deftigen Sprache, die in der Region gepflegt wird. Texte, die zur Lektüre reizen, als vorgetragenes Trommelfeuer in der gebotenen Fülle die Aufmerksamkeit aber schnell überfordern.

Das ChorWerk Ruhr und Imam Furkan Avci sorgen wenigstens für kurze Atempausen. Für die nächsten Stationen an den folgenden Sonntagen im freikirchlichen House of Solution in Mülheim an der Ruhr, im hinduistischen Ampal-Tempel in Hamm, in der Dinslakener Lutherkirche, in der serbisch-orthodoxen Kirche in Dortmund und in der Bochumer Synagoge sollte man vielleicht eine abgespeckte Textversion probieren.

Bicker hat ein ähnliches Projekt vor einigen Jahren in München mit einer ganz anders geschichteten Klientel durchgeführt. Ein Vergleich wäre interessant. Eine Lektüre der Texte lohnte sich auf jeden Fall, die des Korans übrigens auch.

Pedro Obiera