Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
SCHOOL OF MOON
(Erich Minh Cuong Castaing)
Besuch am
21. Mai 2016
(Deutsche Erstaufführung)
Der große Saal im Tanzhaus NRW ist gut besucht. Dafür dass endlich wieder Biergarten-Wetter ist, die Japaner ihre Anwesenheit in Düsseldorf feiern und der Fußball zum Public Viewing ruft, haben sich doch erstaunlich viele Eltern mit ihren Kindern auf den Weg gemacht, um School of Moon als deutsche Erstaufführung des Choreografen Eric Minh Cuong Castaing zu erleben. Aber es gibt ja auch einen ganz besonderen Anreiz: An der Aufführung nehmen echte, „lebendige“ Roboter teil.
Wie so oft, überfällt den Besucher auf dem Abendzettel eine maßlos theoretische Überfrachtung, mit der sich glücklicherweise niemand ernsthaft auseinandersetzen muss. Eric Minh Cuong Castaing ist Choreograf und Medienkünstler. Mit seiner Kompagnie Shonen setzt er Tanz in Bezug zu Bildern, Filmen, Bühnenstücken – oder eben Robotern. In School of Moon werden zwei Tänzer, mehr als 30 Kinder, darunter acht Balletttänzerinnen, und fünf Roboter verschiedenen Typs in etwa der Größe eines Säuglings auf der Bühne zusammengebracht, um zu schauen, was sich aus dieser Konstellation ergibt. Die Bühne hat Grégoire Faucheux als Mondlandschaft entwickelt. Zunächst liegt im Bühnenraum mit geöffneten Seitenbühnen eine schwarze, gekräuselte Folie, die von fahlem Licht beschienen wird. Das Licht nimmt Sébastian Lefêvre später zurück, lässt einzelne Gruppen in Verfolgern auftauchen, ehe es überflüssigerweise noch dunkler wird. Wenn die schwarze Folie einem weißen Boden weicht, gibt es noch ein paar Lichtspielereien, die aber nicht wirklich zum Geschehen beitragen. Eindrucksvoller sind da schon die tosenden Geräuscheffekte von Gregoire Simon und Alexandre Bouvier. Der Klangteppich entwickelt mitunter apokalyptische Ausmaße. Das passt zu den Rasereien der Kinder wie zur Videoinstallation von Alexandre Bouvier, die in Lasergrün so etwas wie explodierende Quallen zeigt.
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Im zweiten Teil weicht die Laufarbeit einer übertriebenen Entschleunigung, in der auch die Roboter ihren Einsatz finden. Die technische Weiterentwicklung der Bewegungsabläufe dieser Maschinen erzwingt Respekt. Bei aller Fortschrittsgläubigkeit bleibt aber festzuhalten, dass es beeindruckt, wenn ein umgefallener Roboter wieder von selbst aufstehen kann; und dass ein Roboter eine Arie digital wiedergibt, ist sicherlich ein schöner Spaß. Der Nutzwert wird für den Laien nicht ohne weiteres erkennbar. Es ist ein bisschen, als jagten wir den Erkenntnissen über Künstliche Intelligenz aus Hollywood-Filmen hinterher – obwohl uns schon da erklärt wird, dass sie im Ergebnis kaum taugt. Auch auf der Bühne bleiben nach kopulierenden und applaudierenden Robotern die wesentlichen Fragen offen.
Aus tänzerischer Sicht erfreut die Ernsthaftigkeit und unglaubliche Konzentration der Kinder, die hier teils hochkomplexe Abläufe verinnerlichen mussten. Gaétan Brun Picard, der am Konzept der Choreografie mitgearbeitet hat, bleibt als Tänzer eher im Hintergrund. Ana Pi fasziniert am Ende mit rotierenden, minutenlangen Bewegungen, von denen jeder Walzerkundige weiß, dass ihn eine solche Geschwindigkeit schon innerhalb der ersten drei Minuten in einen krankenhausreifen Schwindel getrieben hätte.
Das Ende tröpfelt vor sich hin, bleibt letztlich aus. Den Tanzkindern bleibt der Applaus ebenso wie den Profis – und natürlich den Robotern – versagt. Vereinzelt wagen sich die Besucherkinder schließlich in Begleitung ihrer Mütter an den Bühnenrand, um ehrfurchtsvoll vor den Robotern zu verharren. Schwer zu sagen, ob den Kindern die Aufführung gefallen oder sie die Wucht der Aufführung vor allem im ersten Teil doch eher eingeschüchtert hat. Jedenfalls ist von dem sonst üblichen Geflüstere hier seltsam wenig zu hören. Zurück in milder Abendsonne, weiß man, dass man etwas gerade etwas Besonderes gesehen hat. Nur genau was, das will einem nicht einfallen.
Michael S. Zerban