Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Alle Fotos © Susanne Diesner

Aktuelle Aufführungen

Comedy trifft Barock

DAS ABSOLUTISTISCHE GEHÖR
(Corelli/Telemann/Vivaldi)

Besuch am
20. Dezember 2015
(Einmalige Aufführung)

 

 

Tonhalle Düsseldorf

Die Tonhalle Düsseldorf unter der Intendanz von Michael Becker besticht durch ein einfallsreiches und fantasievolles Programm, das sogar die Jugend in das Konzerthaus lockt. Und da gehört es zum guten Ton, die Reihe „Ehring geht ins Konzert“ mit sechs Folgen einzurichten. Christian Ehring ist Kabarettist, seit 2009 Comedian in der einzigen Satire-Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens und bei Extra 3 im Norddeutschen Fernsehen. Und einmal im Monat geht er eben ins Konzert – in Düsseldorf. Und weil er gerade mal da ist, kann er ja auch gleich moderieren. Das macht er anfangs auch wirklich gut. Die Mischung aus Moderation und Kabarett kommt beim Publikum gut an. Und sein Interview mit Dorothee Oberlinger gelingt gleich in mehrfacher Hinsicht. Allein die Idee, die Solistin des Abends einfach mal zu befragen, ist schon Abwechslung. Die Botschafterin der Blockflöte und Professorin für Alte Musik am Salzburger Mozarteum erleichtert es ihm, indem sie auf seine durchaus gescheiten Fragen in notwendiger Ausführlichkeit und mit viel Charme antwortet, ohne redundant zu werden. Dass Ehring dann im letzten Block allzu sehr in den Comedy-Bereich abrutscht, kein Ende findet und Brüche notwendig werden, schmälert den Gesamteindruck etwas, untergräbt aber kaum die eigentliche Idee.

Angetreten sind zum heutigen Konzertbesuch Ehrings die Dresdner Kapellsolisten unter der musikalischen Leitung von Helmut Branny. Ihnen zur Seite stehen die Solistinnen Dorothee Oberlinger und Susanne Branny. Ein Blick in den Programm-Flyer zeigt – dass kaum etwas stimmt. Die Reihenfolge der Konzerte ist so falsch wie die Angabe der Opus, die Pause findet später statt, was für Unruhe sorgt, und letztlich werden dann noch die Sätze falsch angegeben. Ehring sorgt für Aufklärung und verhindert humorvoll das Murren im gut besuchten Saal.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Bei so viel Nebenbei freut man sich dann doch auf die musikalische Leistung. Und die ist vom Allerfeinsten. Alle fünf Konzerte werden in historischer Aufführungspraxis geboten. In glasklarer Transparenz präsentieren die sächsischen Musiker Concerti grossi von Arcangelo Corelli. Stünde das Cembalo einen Meter weiter vorn, könnte sich dessen Klang vermutlich noch besser im Gesamtbild ausnehmen. Susanne Branny gefällt nicht nur als Solistin, sondern auch als Erste Geige. Neben Corelli gibt es auch die Suite für Blockflöte, Streicher und Basso continuo von Georg Philipp Telemann. Ein erster Höhepunkt des Nachmittags. Dorothee Oberlinger zeigt mit im wahrsten Sinne atemberaubender Virtuosität, welch wundervolles Instrument sie in Perfektion beherrscht. Nach Antonio Vivaldis Violinkonzert f-moll Der Winter, in dem Susanne Branny ihr ganzes Können zeigt, steigert sich Oberlinger im Konzert für Blockflöte, Streicher und Basso continuo noch einmal mit einer flautino, einem Flötchen, das völlig vergessen lässt, dass es sich hier um „alte“ Musik handelt.

Dorothee Oberlinger - Foto © Susanne Diesner

Und es könnte so schön sein. Wenn das Düsseldorfer Publikum sich einigermaßen benehmen könnte. Stattdessen werden die Konzerte verhustet, was das Zeug hält. Und da darf während eines Solos auch mal ausgiebig ins Taschentuch – hoffentlich – gerotzt werden. Die Rücksichtslosigkeit gipfelt allerdings im lautstarken Aufbruch während der Zugaben. Es wird Zeit, dass wir zum Respekt vor den Leistungen anderer Menschen zurückkehren. Auch um den jungen Leuten, die den Konzerten beiwohnen, ein Vorbild zu sein. Das ist nicht zu viel verlangt.

Michael S. Zerban