Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Opernnetz

Aktuelle Aufführungen

Klänge in Holz

POINTS OF CONTACT
(Tabea Debus, Oliver Pooley)

Besuch am
21. Juli 2016
(Einmaliges Gastspiel)

 

Summerwinds-Holzbläser-Festival,
Alter Hof Schoppmann, Darup

Wenn die frühen Komponisten von Bassano bis Machaut, die Zeitgenossen von Cashian bis Kopetzki die Möglichkeit gehabt hätten, dieses Konzert zu besuchen und konzentriert zuzuhören, hätten sie wahrscheinlich gern selbst Kompositionen für die ungewohnte Kombination von Blockflöte und Marimba beigesteuert.

So müssen die beiden jungen Künstler sich selbst an die Arbeit machen und überraschen die Zuhörer im Alten Hof Schoppmann im Münsterland mit Arrangements, die selbst in der mit ungewohnten Besetzungen und Arrangements gespickten Reihe Summerwinds noch auffallen. Tabea Debus, vielfach ausgezeichnete Spezialistin für Blockflöte, und der junge Oliver Pooley, Marimba und Perkussion, schlagen nach wenigen Minuten die Zuhörer an diesem warmen Sommerabend in ihren Bann. Mit Kompositionen, die über 800 Jahre Musikgeschichte reichen, zeigen die Arrangements von Debus, dass diese sehr unterschiedlichen Holzinstrumente vorzüglich zu einander passen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Ob getragen-frühe, melancholische Melodien, flotte barocke Tanzrhythmen, epische Musikerzählungen oder expressive moderne Stücke, die Klangvielfalt der Kombination Flöte, Marimba und Perkussion überrascht. Mit einer ganzen Kollektion von Blockflöten tritt Tabea Debus auf, sie spielt die winzige Sopranino-Flöte ebenso ausdrucksstark wie eine gewichtige Bassflöte. Pooley, der seine Perkussion-Ausbildung in Großbritannien erhielt, zeigt sich als gefühlvoller Virtuose auf der Marimba. Selten hört man dieses Instrument so verhalten, so Pianissimo, wie er es an diesem Abend spielt. Ob in four-sticks-Technik oder mit einem Schlegel, einer kleinen Handtrommel, Pooley bleibt ein gefühlvoller Begleiter, der die Flöten harmonisch oder kontrapunktisch unterstützt. Lediglich in seinem Solo Kaskada von Kopetzki lässt er den Ton der Marimba anschwellen.

Tabea Debus - Foto © Opernnetz

Mit Kompositionen aus der Vorbarock-Zeit, dem Barock und der Neuzeit breiten die Musiker einen Strauß filigraner Musik aus, deren Vielfalt im Ausdruck überrascht. Schon in dem Eingangsstück von Giovanni Bassano präsentiert sich Debus als Virtuosin ihrer Instrumente. Dem langsamen Eröffnungssatz mit schwebenden Tönen folgen lebhafte Tonpassagen mit Tanzcharakter; schnelle Triller oder flinke Läufe zeigen, dass die Blockflöte alles andere als ein langweiliges Instrument ist. In den Diminutionen auf ein Madrigal von Palestrina agieren beide Instrumente unabhängig voneinander und klingen doch auf einander bezogen, Debus zeigt, dass auch auf einer Flöte Flageolett-Töne möglich sind. Diese Bearbeitung, in der auch eine Handtrommel und eine Triangel ertönen, wirkt überraschend modern. In den Points of Contact vonJoep StrasserführtDebus fugenähnliche Stimmführungen vor.

Nach der Pause erhalten beide Musiker ihr obligates Solo. Debus überrascht mit ihrer unglaublichen Technik, Pooley zeigt, wie wenig ein Perkussionist benötigt, um melodisch und rhythmisch zugleich zu spielen. In den Lamento di Tristano & Tre Fontane können beide Solisten noch einmal eindrucksvoll ihr perfektes Zusammenspiel präsentieren, das sie sehr expressiv einsetzen. Im Schlussstück The Chase von Olivier Truan, einer gefühlvollen Liebesgeschichte, gehtTabea Debus noch einmal an die Grenzen ihres Instrumentes, wenn sie mit flatterndem Zittern, Kreischen, gespielten Schreien und in wilden Tonkaskaden mehrmals vergessen lässt, dass sie Flöte spielt.

Dieser summerwinds-Abend hat ein sachkundiges Publikum so begeistert, dass sich Tabea Debus und Oliver Pooley erst nach zwei Zugaben endlich den weiteren Angeboten auf dem Alten Hof Schoppmann entspannt und verdient zuwenden können. Es scheint, als sei es den Veranstaltern Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit und Interkulturelle Begegnungsprojekte innerhalb eines Jahres gelungen, den Alten Hof Schoppmann als attraktiven Veranstaltungsort zu etablieren, als einen  neuen Ort der Begegnung, einen point of contact eben.

Horst Dichanz