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Foto © Teatro Grande Brescia

Aktuelle Aufführungen

Kühle Liebe ohne Erfüllung

TURANDOT
(Giacomo Puccini)

Besuch am
2. Oktober 2016
(Premiere am 30. September 2016)

 

 

Teatro Grande Brescia

Die Farben Schwarz und Weiß dominieren das Bild, gleich einem Schattenspiel erfährt Turandot die Irrungen der Liebe, musikalisch kraftvoll untermalt.

Die Neuinszenierung von Giacomo Puccini's unvollendeter Oper Turandot am prächtigen Teatro Grande in Brescia durch Giuseppe Frigeni wirkt ebenso unvollendet wie die Komposition. Nahezu leer bleibt die Bühne an diesem Abend, die auf vier Stufen aufgebaut ist. Das Volk Pekings bleibt an den Rand gedrängt. Lieblos kühl und steril geht es auf diesen Stufen zu, die zum kaiserlichen Hof führen. Selbst auf den mächtigen Gong wird verzichtet, der als Lichtinstallation herunterhängt.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Wenig spielt sich in der zwischenmenschlichen Personenregie ab. Statisch bleibt es bis auf die Szene der drei Beamten Ping, Pong und Pang. Hier kommt Bewegung auf, besonders durch die maskierten Diener. Soll die Maske an Hunde erinnern oder spezieller Kriegerhelm sein? Das bleibt der Fantasie überlassen, wie die gesamte Gestaltung der Szene. Unschlüssig spielen die drei mit runden, großen, schwarzen oder weißen Scheiben. Nochmal rätselhaft gestaltet ist das Finale mit dem Sieg der Liebe. Turandot, endlich überzeugt, wird von Calaf brüsk abgewiesen, worauf sich die in Schmach zu Boden wirft. Ging es Calaf doch nur um den Sieg und nicht um Gefühle?

Alessandro Spina - Foto © Teatro Grande Brescia

Kunst-und fantasievoll hat Amelie Haas die Kostüme entworfen, klar in der Linie mit asiatisch anmutenden Details besonders in den Frisuren und Kopfbedeckungen. Auch hier dominieren schwarz und weiß.

Mehr Wärme und Emotionen versprühen die Sänger. Allen voran gelingt der jungen Lilla Lee eine überzeugende Prinzessin Turandot. Ihr Sopran wirkt zu Beginn noch trocken und gedrängt, doch öffnet sich dessen Kraft und weiche Dramatik immer mehr. Darüber hinaus besitzt sie Bühnenpräsenz und ein gesundes Gespür für Bewegung. Streng und machohaft wirkt Rubens Pelizzari als Calaf in seinem schwarzen Ledermantel und statisch in seinen Posen verharrend. Sehr konzentriert gestaltet er sängerisch seine Rolle. Mühevoll erreicht er die Höhe und intoniert sehr bewusst die Töne. So fehlt ihm der Schmelz in der Parade-Arie Nessun Dorma. Maria Teresa Leva sticht in ihrem hell grünen schleierhaften Kostüm farblich hervor und beschreibt mit ihrer hellen, leicht gleitenden Stimme die Liebe. Kunstvoll kostet sie ihre leisen Spitzentöne mit langem Atem aus. Viel Aufmerksamkeit erreicht Alessandro Spina, der frisch und warm den gebrechlichen Timur gestaltet. Leo An als Ping, Saverio Pugliese als Pang und Edoardo Miletti als Pong passen stimmlich gut zusammen und harmonieren in ihrem Terzett Ola Ping, ola Pang.

Am Pult begleitet Carlo Goldstein die Sänger als auch den Chor sehr bewusst und lebhaft. Jede Note und jedes Wort der Partitur hat er im Kopf, artikuliert alle Einsätze lautlos mit. Den Orchestermusikern gewährt er viel Freiheit, die sich kraftvoll zu Wort melden. Schwung und italienische Akklamation ist spürbar. Freundlich, romantisch und gefühlvoll ist dieses musikalische Klanggebilde und begeistert das zahlreich erschienene Publikum.

Die wirtschaftlich klammen Opernhäuser der Lombardei produzieren erfolgreich gemeinsam ohne eigenes Ensemble oder Orchester. Das Orchester I Pommerigi Musicali stammt aus Mailand, und der Chor setzt sich aus verschiedenen Vereinigungen der Lombardei zusammen.  Diese Produktion wird in Modena, Bergamo, Como und Pavia aufgeführt.

Helmut Pitsch