Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Karl Forster

Aktuelle Aufführungen

Eindrucksvolles Open-Air-Spektakel

TURANDOT
(Giacomo Puccini)

Besuch am
21. Juli 2016
(Premiere der Wiederaufnahme)

 

Bregenzer Festspiele,
Große Seebühne

Der 72 Meter lange und bis zu 27 Meter hohe chinesische Drache beeindruckt auch im zweiten Jahr. Er soll auch die chinesischeMauer symbolisieren, die von zwei hohen, zinnenbewehrten Türmen eingerahmt ist. Beeindruckend ist auch wieder, wie mit den ersten wuchtigen Tönen des Orchesters der mittlere Teil davon krachend und rauchend spektakulär einstürzt: Giacomo Puccinis Turandotfasziniert auf der Seebühne auch im zweiten Jahr und entwickelt sich zum Publikumsrenner der Bregenzer Festspiele. Es musste bereits eine Zusatzvorstellung eingeschoben werden.

Und auch sonst wirken die viele Ideen auf der Seebühne mit nur kleinen, moderaten Änderungen zum Vorjahr von Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli. Er bleibt auch seiner Konzeption, die er bereits 2014 für Graz erarbeitetet hat, treu, die er zuvor schon in Stockholm verwendet hat und die er auch im April dieses Jahres an der Wiener Staatsoper gezeigt hat.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Und so tritt Puccini bereits anfänglich auf, er ringt mit dem Finale seiner Oper. Dann mutiert er zu Calaf und umgekehrt. Es verschwimmen immer wieder Wirklichkeit und Fantasie. Das Volk erscheint in grauen Mao-Uniformen und Masken oder in festlichen Abendroben. Zu dessen Unterhaltung tragen ein weiß geschminkter, beinahe omnipräsenter Pierrot ebenso bei wie Schwertkämpfer oder die Hinrichtung des letzten Verehrers der eisumgürteten Prinzessin am Turm. Nach dem Köpfen wird der Körper spektakulär ins Wasser geworfen. Als Herzstück findet sich in der Mitte ein riesiger, drehbarer Zylinder mit einem aufklappbaren Deckel, der sich für allerlei bunte Projektionen eignet und aus dessen Basis Kaiser Altoum, im Rollstuhl sitzend, erscheint. Eine Terrakotta-Armee umrahmt die Bühne, vorne im Wasser stehend und hinten bis in luftige Höhen und scheint durch das irisierend eingesetzte Licht, das auch sonst viel zur Stimmung beiträgt, in verschiedenen Farben von innen her zu leuchten und sich zu bewegen. Die Minister Ping, Pang und Pong in bunten Kostümen und Masken wirken im zweiten Akt wie Pathologen, die alle abgeschlagenen Köpfe der ehemaligen Verehrer in Reagenzgläsern in Vitrinen ausstellen.

Foto © Karl Forster

Abgesehen von Fahnenschwingern, Feuerkünstlern, riesigen Wasserfontänen zum Finale und bewusst eingesetztem Kitsch, verzichtet Marelli auf allzu spektakuläre Aktionen, vertraut mehr auf die, wie immer bei ihm üblich, sehr ästhetische Macht seiner Bilder wie auch auf seine tiefenpsychologische Personenführung.

Wie schon im Vorjahr bewältigt Mlada Khudoley die schwere dramatische Partie der Turandot noch sicherer mit großem Volumen sowie blitzenden Spitzentönen. Ihr sehr berührender Gegenpart ist ebenfalls gleich besetzt: Guanqun Yu ist ein Idealfall einer Liù. Es sind ungemein zarte, innig schattierte Töne, mit denen sie ergreifend singt. Neu ist Rafael Rojas als Calaf, er liefert die Figur etwas rustikal beginnend mit viel Kraft aber auch mit mühelosen Höhen ab. Mika Karres, ebenfalls neu, ist ein nobler Timur. Exzellent sind auch das völlig neu besetzte Ministertrio mit Mattia Oilvieri als Ping, Peter Marsh als Pang und Martin Fournier als Pong wie auch der bereits bewährte Manuel von Senden als Altoum und die vereinigten Chöre.

Der im Dauereinsatz befindliche Paolo Carignani – er hat bereits am Vortag im Festspielhaus Amleto - Hamlet von Franco Faccio höchst erfolgreich dirgiert – steht auch bei Puccini wieder am Pult. Er weiß bei den Wiener Symphonikern sowohl spannungsgeladene Momente hervorzulocken wie auch die Balance so zu dosieren, dass das feinnervige Raffinement wie auch die subtilen, exotisch-koloristischen Klangwirkungen trotz der Open-Air-Situation voll zur Geltung kommen. Gespielt wird der ungekürzte Schluss von Franco Alfano, was das Zueinanderfinden des Liebespaares ungleich glaubhafter wirken lässt.

Groß, allerdings kurz ist der Jubel des begeisterten Publikums auf der mit 7.000 Besuchern randvollen Seebühne, das auch einen wunderbar warmen Abend ohne negative Wetterbeeinträchtigungen genießen durfte.

Helmut Christian Mayer