Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Alle Fotos © Monika Rittershaus

Aktuelle Aufführungen

Gesamtkunstwerk

PELLÉAS ET MÉLISANDE
(Claude Debussy)

Besuch am
19. Dezember 2015
(Premiere am 16. Dezember 2015)

 

 

Berliner Philharmoniker

Peter Sellars, dessen szenische Einrichtungen von Bachs Matthäus- und Johannespassion in Berlin Kultstatus besitzen, ist der diesjährige Artist in Residence bei den Berliner Philharmonikern. Als erstes von drei Projekten inszenierte er im November in der Tischlerei der Deutschen Oper sehr minimalistisch Kaija Saariahos Oratorium La Passion de Simone. Der zweite Streich – der dritte folgt im April 2016 mit Claude Viviers Musiktheater Kopernikus – führt in die Philharmonie und zu Claude Debussys einzig vollendeter Oper Pelléas et Mélisande. Über drei Stunden dauert der Abend, doch er verfliegt wie in einem Rausch. Weil Sellars und Dirigent Simon Rattle mit einem hingebungsvollen Sängerteam ein auch den Raum miteinbeziehendes Gesamtkunstwerk geschaffen haben, das zwar hohe Konzentration verlangt, aber auch eine ungeheure Magie entwickelt.

Inmitten des Orchesters steht ein Podest, das vielfältig als Turm, Bett oder Brunnen dient. Weitere Fixpunkte sind farbige Neonröhren, die über den hinteren Saal und das Podium verteilt sind und Schauplätze kennzeichnen. Sellars treibt die Solisten die Treppen hinauf- und hinunter, lässt sie vor der Bühne bis hin zum höchstgelegenen Rang und sogar an der Balustrade von Block G agieren. Dadurch rückt er sie ganz nahe an das Publikum heran, das ihre Empfindungen und Emotionen intensiv miterleben kann.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Mit Leib und Seele lassen sich die Sänger auf Sellars Raum-Klang-Aktions-Konzept ein. Magdalena Kožená befindet sich als Mélisande in stimmlicher Hochform. Berückend ebenmäßig, selbst in den expressiveren Momenten, verströmt ihr Mezzosopran, bewegend gestaltet sie die Nöte einer verunsicherten jungen Frau. Gerald Finley und Christian Gerhaher, die die Brüder Golaud und Pelléas verkörpern, bringen beide immense Erfahrungen als Liedinterpreten ein, die sie ins Opernfach übertragen. Bei ihnen korrespondiert Schöngesang mit einem schier unerschöpflichen Spektrum an sublimen Ausdrucksschattierungen. Auch die kleineren Rollen sind kongenial besetzt: Franz-Josef Selig singt den Arkel mit tiefschwarzem Bass, Bernarda Fink gibt eine besonders im Finale bewegende Geneviéve, und Elias Mädler, Mitglied im Tölzer Knabenchor, fällt als Yniold durch einen tragfähigen Sopran auf.

Foto © Monika Rittershaus

Unter Simon Rattles suggestiver Leitung schillern die Philharmoniker in unzähligen, exquisiten Instrumentalfarben, die sich zusammen mit der Vokalpracht der Sänger zu einem luxuriösen wie intensiven Gesamtklang der Sonderklasse verbinden.
Heftiger, wenn auch nur relativ kurzer Applaus in der ausverkauften Philharmonie, deren Reihen sich während der Aufführung lichten. Eine DVD wird das Ereignis festhalten.

Karin Coper