Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

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Foto © Barbara Braun

Aktuelle Aufführungen

Eine Mondfahrt, die ist lustig

FRAU LUNA
(Paul Lincke)

Besuch am
4. November 2016
(Premiere am 27. Oktober 2016)

 

 

Tipi am Kanzleramt, Berlin

Schlösser, die im Monde liegen“, so heißt einer der unvergänglichen Hits aus Paul Linckes Operette Frau Luna. Und lange Zeit sah es so aus, als ob der Plan von Tipi-Chef Holger Klotzbach, dieses musikalische Berliner Urgestein auf die Kleinkunstbühne am Kanzleramt zu hieven, ein solches Luftschloss bleiben würde. Doch jetzt, anlässlich des 150. Geburts- und gleichzeitig 70. Todestages des Komponisten, ist der künstlerische Traum wahr geworden. Mit einem beträchtlichen Staraufgebot erlebt Frau Luna ein spektakuläres Revival. Es sind etliche Größen der Berliner Kleinkunstszene in dieser ersten musiktheatralischen Eigenproduktion des Tipis aufgeboten, deren Karriere in Klotzbachs Ur-Kabarett-Etablissement, der Bar jeder Vernunft, begann: Pigor & Eichhorn, Cora Frost samt Pianisten Gert Thumser und Die Geschwister Pfister, die schon in der Kultinszenierung Im Weißen Rössl mitwirkten.

Regisseur Bernd Mottl hat sich im Vorfeld zur traditionellen Inszenierung bekannt und bleibt – im Gegensatz zur schrägen Produktion jüngst an der Volksbühne, wo Herbert Fritsch die Operette als überkandidelte, fast musiklose Trash-Show zeigte – angepasst an die begrenzten räumlichen Verhältnisse des Tipis nahe am Original. So wie auch die Bearbeitung der unsterblichen Lincke-Melodien, die Jo Roloff für eine zwölfköpfige Kapelle arrangiert hat und mit dem nötigen Schmiss dirigiert, durchaus konventionell ist.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Die kleine Bühne des Tipis verwandelt Friedrich Eggert zunächst in eine schnuckelige, liebevoll in schwarzweißer Optik ausgepinselte Pappstube, während es auf dem Mond mit Showtreppe und Glitzervorhang deutlich glamouröser zugeht. Die geschmackvollen Kostüme von Heike Seidler passen sich adäquat dieser Ästhetik an. Wie nun Mottl Frau Luna als pralle Berliner Posse, Travestie und Ausstattungsrevue in einem zeigt und dabei mit vielen launigen Details und dezenten aktuellen Anspielungen, natürlich auch auf den Flughafen, aufwartet, das hat hohen Unterhaltungswert, freilich bei Verzicht auf gelegentliche Feinzeichnung der Charaktere.

Foto © Barbara Braun

Die von Benedikt Eichhorn, Thomas Pigor und Max Gertsch gespielten drei Berliner Erdenbürger Fritz Steppke, Lämmermeier und Pannecke, die auf Mondfahrt gehen möchten, sind jeder für sich eine deftige Type. Sharon Brauner als Marie versucht, sie mit mädchenhafter Beherztheit davon abzuhalten. Und da ist auch noch ihre Tante, die robuste, liebestolle Witwe Pusebach, unverwechselbar und ein bisschen manieristisch verkörpert von Christoph Marti.

Auf dem Mond kommt es zu allerhand Liebeständeleien. Wer aber ist hier nicht alles zu Hause: Andreja Schneider, ganz mondäne Diva, herrscht dort als charmant-frivole Luna. Zu ihrem Personal gehören der singstarke, in schönster Buffo-Manier agierende Tobias Bonn als Haushofmeister Theophil und Ades Zabel, der seine Kunstfigur, die Hausfrau Edith Schröder, witzig und absolut schlüssig in das Geschehen integriert. Den komödiantischen Vogel aber schießt Anna Mateur als eifersüchtelnde Zofe Stella ab. Wie sie wie ein aufgescheuchtes Huhn umherwuselt, dann wieder die kontrollierte Bedienstete gibt, dabei grimassiert und ihre Körperlichkeit ausspielt, ist so lustig, dass jeder ihrer Auftritte zum Lacher wird. Gustav Peter Wöhler als verkniffener Prinz Sternschnuppe und Cora Frost als herrlich verhuschte Venus, die als Einlage das aus Linckes Lysistrata entliehene Glühwürmchen-Idyll singt, ergänzen das fabelhafte Ensemble.

Im ausverkauften Saal herrscht eitle Freude, nicht nur im Publikum, sondern spürbar auch auf der Bühne. Und wenn die Truppe zackig durch den Saal marschiert, kennt der Jubel keine Grenzen. Diese Produktion dürfte, wenn nicht alles trügt, zum Renner werden.

Karin Coper