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Kulturmagazin mit Charakter

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Alle Fotos © Antoni Bofill

Aktuelle Aufführungen

Gelungene Neuauflage der Drei Tenöre

OTELLO
(Gioacchino Rossini)

Besuch am
6. Februar 2016
(Konzertante Aufführung)

 

 

Gran Teatre de Liceu Barcelona

Gleich nach dem Erfolg seines Barbiers von Sevilla macht sich Gioacchino Rossini 1816 an seine Vertonung der tragischen Geschichte des Mohres und seiner Geliebten Desdemona nach dem Theaterstück von William Shakespeare. Einige Abweichungen von der Vorlage reichern die Liebesgeschichte an. Otello ist heimlich mit seiner geliebten Desdemona verheiratet und hofft, mit seinen militärischen Triumphen die Gunst seines Schwiegervaters Elmiro zu gewinnen. Der aber verspricht Desdemona Rodrigo, den Sohn des Dogen und ebenfalls in Desdemona verliebt. Jago spinnt seine Intrige um einen abgefangenen Brief Desdemonas an ihren „nichtgenannten Geliebten“, und das Drama um vermeintliche Untreue und Eifersucht nimmt seinen bekannten Lauf.

Die Musik ist Belcanto vom Feinsten mit anspruchsvollen Arien und Duetten und erfordert eine wohl abgestimmte Auswahl von stimmlich erstklassigen Sängern. Drei Tenorrollen prallen im Kampf um Liebe und Macht aneinander, der im Gesang ausgetragen wird. In Barcelona ist die Aufgabe bestens gelungen. Gregory Kunde, derzeit weltweit als Otello in jeder Form begehrt, übernimmt auch hier die Rolle des Mohren. Mit seiner nunmehr weißen Mähne wirkt der 61-Jährige jung und kampfbereit. Nach den ersten verhaltenen Koloraturen kommt seine Stimme auf Touren, und wie geschmiert gleitet seine kräftige, flexible Stimme heldenhaft und warm. Als einziger singt er frei ohne Partitur und reichert die konzertante Aufführung mit viel Mimik und Spiel packend an. Elegant, respektvoll aber nicht minder kampfbereit steht ihm Dmitry Korchak mit einem Tenor voller Schmelz, Kraft und sicherer Höhe gegenüber. Seine Legati fließen förmlich heraus und überziehen seinen berührenden Gesang mit einer Glasur wie aus herzhafter Schokolade.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Den Überraschungseffekt nutzt der junge Chinese Yijie Shi. Als schlanke, jugendliche Erscheinung wirkt er scheu, bescheiden, mit der Brille wie ein fleißiger, wissbegieriger Student. Aber kaum öffnet sich sein Mund, zeigt sich ein listiger, machthungriger und streitbarer Jago, der Otello geschickt und fies in den Wahnsinn treibt. Stimmlich sehr präsent, ein dunkler, aber ungemein kraftvoller Tenor, der mühelos das große Haus ausfüllt. Für das Publikum wird der Abend zum spannenden Wettkampf der Stimmen in deren heldenhaften Kampf um Liebe und Macht. Die Australierin Jessica Pratt übernahm kurzfristig die Rolle der Desdemona für die erkrankte Julia Lezhneva. Sichtlich von den Leistungen am Podium berührt und angestachelt, setzt sie ihre Stimme wohldosiert und fein artikuliert ein. Ihre Koloraturen bleiben weich, Spitzen rundet sie ab. Sie verzichtet auf spektakuläre Dramatik und geht so geschickt auf Ihre Kollegen ein. Mirco Palazzi als ihr Vater Elmiro rundet das Gesangspaket mit einer eindrucksvollen Leistung ab.

Foto © Antoni Bofill

Allen ein wohlgesonnener Begleiter ist Christopher Franklin. Nicht nur seine wilde Mähne scheint er mit Gel geglättet zu haben, sondern auch sein Dirigat. Frisch und lebhaft im Tempo, nuancenreich im Volumen klebt er den Sängern an den Fersen. Besonders gelungen bleiben die intimen Momente der solistischen Begleitung durch Harfe oder Horn. So gelingt ein packender, musikalisch berückend schöner Abend, der in keinster Weise in der Spannung die szenische Inszenierung vermissen lässt. Einmal mehr zeigt das zu Unrecht in Vergessenheit geratene Werk Rossinis seine kompositorische Qualität. Das Publikum bringt offenherzig seine Begeisterung zum Ausdruck und applaudiert laut und eifrig.

Helmut Pitsch