O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Katja Illner

Aktuelle Aufführungen

Minimal Theatre

STAGES INTO THE NOW
(Alexandra Waierstall)

Besuch am
3. März 2023
(Generalprobe)

 

Tanzhaus NRW, Düsseldorf

Eigentlich hatte man als nächstes mit einer Einladung zum Filmabend gerechnet. Damals, im September 2021, als Alexandra Waierstall zu einer Kurzvorstellung in einem Düsseldorfer Mietstudio einlud. Da stellte gemeinsam mit dem Tänzer Scott Jennings erste Ausschnitte aus dem Filmmaterial vor, das sie mit Vater Horst zusammengetragen hatte. Ein Film über die Oper Wuppertal hatte es werden sollen. Aber so ist das mit den kreativen Ideen. Denkt man nur lange genug darüber nach, kommt am Ende halt kein Film, sondern eine neue Choreografie dabei heraus. Und man darf es schon vorwegnehmen: Gut ist das.

Foto © Christian Hermann

Stages into the Now, was man etwa mit Bühnen in die Gegenwart übersetzen könnte, heißt das neue einstündige Werk, das am 4. und 5. März im Düsseldorfer Tanzhaus NRW erstmals zur Aufführung kommt. Unter Einsatz von Wort, Tanz, Licht und Musik tanzt Scott Jennings gegen das Verlangen an, sich bewegen zu müssen. Waierstall hat den großen Saal im Tanzhaus auf den eigentlichen Bühnenraum verkleinert. Hier stehen jetzt über drei Seiten Tribünen. Vor ihnen und damit vor der Rückwand der Bühne ist eine Leinwand aufgebaut, unter der eine ganze Batterie von Scheinwerfern nach oben leuchtet. Das gehört mit zum fabelhaften Lichtkonzept von Caty Olive. Lichtkästen beleuchten die Bühnenmitte. Im Raum aufgehängt sind Lichtstangen, die anfangs leblos hängen, später aber in dauerhafte Schwingungen versetzt werden können. Oberhalb der Seitenbühnen, die jetzt mit schwarzem Stoff verhängt sind, der nur oben etwa ein Fünftel Platz lässt, ist das Putzlicht zu erkennen. Hinter den Zuschauern, auf der großen, eigentlichen Tribüne ist noch mal eine Serie von Scheinwerfern aufgebaut. Mit diesen Mitteln weiß Olive für die richtige Stimmung zu sorgen und die Dramaturgie zu unterstützen. Lange schon hat man keine derart filigran und schön ausgeleuchtete Bühne gesehen.

Auf dieser Grundlage hat Waierstall sich etwas Besonderes einfallen zu lassen. Anstatt Scott Jennings sich nun in immer neuen Schritten verausgaben zu lassen, übersetzt die Choreografin das Prinzip der Minimal Music auf alle Elemente ihres Werks. In der wunderbar spröden Klaviermusik von Volker Bertelmann aka Hauschka ohnehin schon angelegt, werden Wort-, Tanz-, Musik-, Film- und Lichtelemente permanent in kaum merklichen Variationen wiederholt. Darunter ist eine Entwicklung angelegt, die für eine Expansion in allen Bereichen sorgt. Jennings erweitert nach und nach seine Kreise, bis er schließlich … aber das sollte man sich selbst ansehen. Aus der Reduktion, in die Waierstall immer wieder kleine Überraschungen einbaut, hält sie die Spannung aufrecht. Dass Jennings dabei wiederholt vollkommen unaufdringlich Kontakt zum Publikum aufzunehmen versucht, verleitet zu Fragen, die sich der Besucher selbst stellt.

Es ist die poetischste, ganz sicher aber aufregendste Choreografie, die man in der jüngeren Vergangenheit erleben durfte. Trotzdem wird es Zeit, dass Alexandra Waierstall sich wieder größeren Aufgaben widmet. Aber vielleicht ist da auch nur der Wunsch Vater des Gedankens.

Michael S. Zerban