O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Aktuelle Aufführungen

Blendender Vortrag

HEINRICH HEINE ZUM 225.
(Diverse Komponisten)

Besuch am
27. August 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Toy-Piano-Festival 2022, Palais Wittgenstein, Düsseldorf

Im vergangenen Jahr startete Frederike Möller ihr Toy-Piano-Festival mit großem Auftakt. Da stand gleich ein ganzes Orchester auf der Bühne, um E.T.A. Hoffmanns 200. Todestags vorzeitig zu gedenken (O-Ton berichtete). Die vierte Ausgabe in diesem Jahr kommt mit erheblich weniger Personal – und wider Willens Technik – aus. Wie im Vorjahr findet das Konzert auch heuer im Palais Wittgenstein in der Düsseldorfer Altstadt statt. Der große Kammermusiksaal ist für einen Samstagnachmittag überraschend gut besucht. Offenbar ist das ein günstiger Zeitpunkt für ältere Herrschaften. Jüngere Besucher sucht man vergebens. Was sich möglicherweise als Vorteil erweist. Denn so bringt das Publikum die nötige Geduld auf, den Beginn der Aufführung abzuwarten. Der wird unnötig herausgezögert, weil die Mikrofonanlage nicht funktioniert. Verspätungen sind allerdings kein Kavaliersdelikt mehr. Stark gestiegene Preise pro angefangener Stunde in den Parkhäusern der Düsseldorfer Altstadt – in anderen Städten ist es ja wohl nicht anders – wachsen schnell zu den Kosten einer zweiten Eintrittskarte an. Erst, als eine Besserung nicht in Sicht ist, bringen die Verantwortlichen den Mut auf, es ohne Mikrofon zu versuchen. Und siehe da: Es funktioniert wunderbar.

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Die Angst ist nicht ganz unbegründet. Denn mindestens ein Drittel der nachfolgenden, anderthalb Stunden dauernden Aufführung ist reiner Wortanteil. Da ist schon hilfreich, wenn man gehört wird. Die erste zaghafte Probe zeigt: Möllers Stimme trägt bis zum Ende des Saals. Es kann also losgehen. Heinrich Heine zum 225. nennt die Pianistin mit der Liebe zum Kinderspielzeug ihr Programm. Anstatt aber nun die Biografie des Dichters zum gefühlt 1.000-sten Mal wieder abzunudeln, bedient sie sich eines Kunstgriffs und stellt Rahel Varnhagen in den Mittelpunkt ihres Vortrags. Heine lernt die 26 Jahre ältere Schriftstellerin und Salonnière jüdischer Herkunft in den 1820-er Jahren kennen. Sie wird Zeit ihres Lebens zu einer Freundin und Unterstützerin des gebürtigen Düsseldorfers. Ohne die Moderationen hier wiedergeben zu wollen, weil man sie sich einfach anhören muss, leitet die Musikwissenschaftlerin nun von Stück zu Stück, manches Mal vielleicht eine kleine Spur zu ausführlich, immer aber hochinteressant. Allein, ihr dabei zuzuhören, hätte man schon ohne Schwierigkeiten den Nachmittag verbringen können, aber in erster Linie soll es ja um Musik gehen. Und auch hier hält Möller Überraschungen bereit. Zum Andante, dem zweiten Satz aus Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert C-Dur KV 467, zeigt sie das Video von Michalis Nicolaides, in dem er sie an drei verschiedenen Tasteninstrumenten im Heinrich-Heine-Institut zeigt. Das hat Witz und überzeugt gleichzeitig ob der technischen Raffinesse.

Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit von Johann Sebastian Bach wird wie das Allegretto und der Walzer aus Fanny Mendelssohns Zwei Klavierstücken zu vier Händen vierhändig gespielt. Dazu holt sich Möller bewährte Hilfe von Yukiko Fujieda. Die Pianistin scheut ebenfalls nicht davor zurück, sich am Toy Piano zu vergnügen. Und so intoniert sie fröhlich Der Vogelfänger bin ich ja aus der Zauberflöte. Im Zuge der weiteren Erzählung landet Möller bei Georg Friedrich Händel. Da liegt es nahe, den Dauerbrenner Ombra mai fu aus der Oper Xerxes zu Gehör zu bringen. Möller sorgt am Flügel für den satten Hintergrund, während Fujieda am Spielzeugflügel die Melodie spielt. Das Publikum ist da schon begeistert, aber es geht noch mehr.

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Und da kommt der Freischütz von Carl Maria von Weber ins Spiel. Den einstigen Gassenhauer Wir winden dir den Jungfernkranz spielen Fujieda und Möller auf den Miniaturklavieren. Anstatt sich allerdings an den ungewohnten Klängen zu erfreuen, stürmen einige Besucher vor zur Bühne, um die auf dem Boden knienden Musikerinnen zu knipsen. Das ist gruselig. Die wahre Stärke der beiden Musikerinnen zeigt sich darin, dass sie sich nichts anmerken lassen. Beim anschließenden Jägerchor begleitet Fujieda auf dem Flügel Möller am Toy Piano, ehe Möller die letzten Stücke allein übernimmt.

Dramaturgisch geschickt aufgebaut, spielt sie die Kavatine Une dame noble et sage aus den Hugenotten von Giacomo Meyerbeer am Miniaturflügel, um dann Frédéric Chopins Ballade in g-moll mit einem Ausbund an Drama und Lautstärke am großen Flügel zu wahrem Glanz zu bringen. Wer das große Finale liebt, bekommt es hier zu hören. Da ist die Loreley in der Vertonung von Clara Schumann am Toy Piano ein gelungenes Servus zum Abschied.

Ein ebenso großartiger wie kurzweiliger Nachmittag ist Frederike Möller da in Konzeption und Umsetzung gelungen. Das immerhin weiß das Publikum zu würdigen und bedankt sich mit artigem Applaus. Im November geht es in der Zentralbibliothek unter dem Titel Komponistinnen! und mit einem Auftritt von Oswald Egger und Frederike Möller im Heine-Haus weiter.

Michael S. Zerban