O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Opening 23

Nachwuchs für die aktuelle Klangkunst

UNANSWERED QUESTION
(Diverse Komponisten)

Besuch am
3. Februar 2023
(Einmalige Aufführung)

 

Opening 23, TUFA, Großer Saal

Schaut man sich das Alter des Publikums beim Opening, dem internationalen Festival für aktuelle Klangkunst in Trier, an, kann man sehr wohl zu dem Schluss kommen, dass zeitgenössische Musik junge Leute nicht interessiert. Der Eindruck ändert sich erst, wenn man an diesem Abend einen Blick auf die Bühne des Großen Saals in der TUFA wirft. Denn dort versammelt sich eine Gruppe ausgesprochen junger Menschen, die sich voller Begeisterung der neuen Musik widmen.

Die Rede ist vom Jugendensemble Neue Musik Rheinland-Pfalz/Saar, das 1991 auf Anregung des Komponisten Karl Josef Müller gegründet wurde und seit 2004 mit dem Landesmusikrat Saar kooperiert. Hier finden junge Musiker ab 16 Jahren zusammen, um sich mit „repräsentativen oder stilbildenden Werken der zeitgenössischen Musik“ auseinanderzusetzen. Um bei dem Ensemble mitwirken zu können, müssen die jungen Leute eine Teilnahme bei „Jugend musiziert“ oder einem Jugendensemble nachweisen. Wer das nicht kann, darf sich auch mit einem direkten Vorspiel bewerben. Solche Landesjugendensembles gibt es mit unterschiedlichsten Ausrichtungen auch in anderen Bundesländern. Sie alle haben eines gemeinsam: Die Zeit, die die Jugendlichen in ihren Arbeitsphasen und den anschließenden Konzertauftritten miteinander verbringen, prägt sie fürs Leben. Und oft bleiben sie ihnen ebenso lange verbunden.

Nicht zum ersten Mal sind die jungen Leute zu Gast beim Opening. Dementsprechend ist die Wiedersehensfreude groß, erzählt Orchestermanagerin Sabine Melchiori, die auch die Umbaupausen durchmoderiert. Eröffnet wird das Konzert mit einem Klassiker der neuen Musik. Es ist tatsächlich eines der ältesten Stücke, die während des Festivals zu hören sein werden. Und dafür klingt es im besten Sinn ziemlich modern. Vor dem Hintergrund gedämpft und extrem langsam spielender Streicher treten ein Trompeter und ein Holzbläserquintett in einen Dialog. Dazu steht der Trompeter Leonard Bachmann am der Bühne entgegengesetzten Ende des Saals. Der Effekt ist eindrucksvoll. Im Anschluss wird Dyschrono für 16 Instrumente von Ling-Hsuan Huang aufgeführt, bei dem Klangflächen von Interruptionen zum Beispiel des Schlagzeugs unterbrochen werden. Das Akkordeon-Solo trägt Oliver Bićanić bei.

Leonard Bachmann – Foto © O-Ton

Das nächste Werk ist die Sensation des Festivals. Da wird jetzt so mancher Klangkünstler schlucken, aber was hier zur Aufführung kommt, ist grandios. Mit dreizehn Jahren erhält Konrad Waßmann seinen ersten Posaunen-Unterricht. Zum Wintersemester 2020/21 beginnt er sein Studium der Orchestermusik an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf. Da hat er bereits seine Zeit beim Jugendensemble Neue Musik Rheinland-Pfalz/Saar absolviert. Und viel weitergehende Ambitionen. Er ist heute 22 Jahre alt und komponiert. Für Opening bringt er eine Uraufführung mit. Der englische Titel: geschenkt. Zumal er das Wortspiel im Deutschen nicht hinbekommen hätte. Peace about War steht profan als Stück für Solo-Trompete und Ensemble aus dem vergangenen Jahr im Programmheft. Der junge Komponist dirigiert das Werk selbst. Eine „Militärkapelle“ marschiert zu typischen Klängen durch den Saal. Auf der Bühne angekommen, entwickelt sich ein Sprechgesang, der von Trompeten-Einlagen begleitet wird. Die Textverständlichkeit dürfte deutlich besser sein, aber auch so wird klar, dass es sich um ein inhaltlich wie strukturell komplexes Werk handelt. Gegenwartsmusik, die sich mit guten Ideen mit einem ernsten Thema auseinandersetzt. Das erlebt man nicht so oft, aber Waßmann ist unbedingt zu wünschen, dass es noch auf vielen Bühnen zu hören sein wird.

In der neuen Musik ist es ja immer gut, einen Schlagzeuger in Reichweite zu haben. Das Jugendensemble hat deshalb mit Julia Welsch, Jonah Ferdinand und Julius Roth gleich drei Perkussionisten dabei. Aber selbst die reichen nicht, um das Werk Bell Air von Matthias Kaul aufzuführen. Um 36 Glocken zu bedienen, braucht es in diesem Fall sechs Menschen. Der Wunsch des Komponisten, die Umgebungsluft mit Musik zu „beduften“, ist zwar ein schöner Gedanke, aber dazu reicht es dann trotz einer wunderbaren und sehr engagierten Aufführung nicht ganz. Mit Inauguration, in dem Jonathan Spratte 2021 seine Erfahrungen mit der Pandemie verarbeiten wollte, und Styx von Anestis Logothetis endet das umjubelte Konzert. Gerade noch rechtzeitig, um sich pünktlich beim darauffolgenden Konzert einzufinden.

Michael S. Zerban