O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Enrico Nawrath

Bayreuther Festspiele 2022

Harmlos, aber schön

LOHENGRIN
(Richard Wagner)

Besuch am
4. August 2022
(Premiere am 25. Juli 2018)

 

Bayreuther Festspiele, Festspielhaus

Nach den ersten drei Teilen des neuen Rings wirkte die Wiederaufnahme des Lohengrin am Abend vor der anstrengenden Götterdämmerung wie eine erholsame Verschnaufpause. Die Inszenierung von Yuval Sharon besticht zwar auch nicht durch handwerkliche Brillanz, was Personen- und Chorführung angeht. Von seinem 2018 schon kaum nachvollziehbaren Versuch, die Handlung in die Zeit der 48-er Revolution transformieren zu wollen, ist nach vier Jahren so gut wie nichts mehr zu spüren.

Aber immerhin kann man sich an dem bisher besten Dirigat dieser Festspiel-Saison und an Bühnenbildern von Neo Rauch und Rosa Loy erfreuen, die mit ihren wunderschönen Blautönen atmosphärisch dichte Wolkenlandschaften erstehen lassen. Bilder von einer Ausdruckskraft, die die Bühne bisweilen so stark dominieren, dass die Sänger selbst in so dramatischen Szenen wie der Auseinandersetzung zwischen Ortrud und Telramund zur Staffage schrumpfen. Ein allgegenwärtiges, nicht besonders schlüssig auf die Bühne gesetztes Umspannwerk mit seinen Trafohäuschen wirkt dagegen eher wie willkürlich hingetupft.

Christian Thielemann schätzt an den Bühnenbildern vor allem die akustisch vorteilhafte Tatsache, dass sie den Raum für den riesigen Chor nicht einschränken. Und mit den großen Chorszenen punktet die Aufführung nach zwei nahezu chorlosen Jahren mächtig. Dass Thielemann den bis dahin stärksten Publikumserfolg der Premierenwoche verbuchen kann, zeigt, dass er für Bayreuth und auch für Katharina Wagner derzeit noch unverzichtbar ist. Trotz Wagners, vorsichtig formuliert, gespannten Verhältnisses zu Thielemann. Dass sie nach neuen Kräften Ausschau hält, ist ihr gutes Recht, sogar ihre Pflicht. Aber Cornelius Meister wie auch Markus Poschner spielen in einer Liga, die an die Qualitäten des erfahrenen Thielemann nicht heranreichen kann. Klangliche Abstimmungs- und Balanceprobleme, mit denen Cornelius Meister im Ring zu kämpfen hat, so dass die Leitmotivstruktur der Musik nur unscharf hörbar wird, existieren für Thielemann nicht. Der Dirigent begleitet auch die Sänger so behutsam, dass niemand brüllen muss. Dass es Petra Lang als Ortrud dennoch tut, ist ebenso unnötig wie ärgerlich. Die Ausstrahlung der vor vier Jahren für eine Saison nach Bayreuth wiedergekehrten Waltraud Meier in dieser Partie kann sie nicht verströmen. Camilla Nylund ist als Elsa, wie seinerzeit Anja Harteros, der Partie schon stimmlich entwachsen. Mädchenhaft schwerelos klingt bei ihr nichts mehr. Mehr deklamierend als singend gestaltet Martin Gantner die Partie des Telramund. Einen Lichtblick bietet wieder einmal Georg Zeppenfeld als König Heinrich. An Stimmkultur und vorbildlich verständlicher Diktion kann ihm lediglich Klaus Florian Vogt in seiner Paraderolle das Wasser reichen. Dem hellen, weichen Timbre Vogts fehlt zwar die Dosis metallischen Glanzes, mit der Piotr Beczała beeindruckte: Mit seiner schönen und perfekt geführten Stimme überflügelt er jedoch mühelos die meisten seiner Kollegen in dieser problematisch gestarteten Festspielsaison.

Pedro Obiera