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Das Landesjugendorchester NRW verreist

Es wird Ernst

Vom 15. bis zum 21. Juli absolvierte das Landesjugendorchester Nordrhein-Westfalen eine Konzertreise nach Frankreich und Belgien. Das Exzellenzorchester spielte sein neues Programm in drei Kathedralen. Zweck der Reise war allerdings nicht ausschließlich, als Botschafter des deutschen Bundeslandes aufzutreten, sondern auch, den jugendlichen Nachwuchstalenten Europa näherzubringen.

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Nach der Ankunft im französischen Amiens währt die Wiedersehensfreude mit Orchester-Managerin Rita Menke, die zum letzten Mal eine Konzertreise des Landesjugendorchesters Nordrhein-Westfalen in dieser Funktion begleiten wird, nur kurz. Das Telefon klingelt. Eine ihrer Schützlinge klagt über Nasenbluten. Wie sich später herausstellen wird, eine eher harmlose Angelegenheit. Das hat Menke noch nie interessiert. Sie fühlt sich für das leibliche und seelische Wohl der jungen Musiker verantwortlich wie am ersten Tag. Sie springt auf, verabschiedet sich rasch und verlässt das Lokal, das unmittelbar am Ufer der Somme liegt, fluchtartig. In 38 Jahren hat sie gelernt, dass bei solchen Zwischenfällen vor allem eines wichtig ist: ihre Anwesenheit.

Am Vortag sind die 78 Mitglieder des Landesjugendorchesters mit ihren Betreuern in der Hauptstadt des französischen Départments Somme in der Region Hauts-de-France, ehemals Picardie, eingetroffen und haben in einer Jugendherberge, die etwas abseits des Stadtzentrums liegt, Quartier bezogen. Sie sind direkt aus Bad Fredeburg, einem Ortsteil von Schmallenberg im Hochsauerland, angereist. Dort haben sie sich im Musikbildungszentrum Südwestfalen auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereitet. Zunächst einmal galt es, sich zusammenzufinden. Denn die Mädchen und Jungen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren kommen aus ganz Nordrhein-Westfalen und sehen sich – von privaten Kontakten abgesehen – nur zu den Arbeitsphasen des Landesjugendorchesters. Dann aber wartet mächtig viel Arbeit auf sie. Neben dem Einüben des neuen Konzertprogramms im Orchester stehen erfahrene Orchestermusiker als Dozenten für die einzelnen Instrumentengruppen bereit. Es gilt, binnen kurzer Zeit das Programm für die neue Arbeitsphase so weit zu erarbeiten, dass es vor Publikum aufgeführt werden kann. Die Ansprüche sind hoch. Schließlich treffen hier die besten Nachwuchsmusiker des Bundeslandes zusammen. Die Mitglieder des Landesjugendorchesters sind nämlich entweder Gewinner des Landeswettbewerbs Jugend musiziert oder haben sich in einem persönlichen Vorspiel qualifiziert.

Rita Menke – Foto © O-Ton

Offenbar waren die Vorbereitungen erfolgreich. Und so schlendern die Jugendlichen nun entspannt in Gruppen durch den abendlichen Ort in Nordfrankreich. Eine erste Erfahrung, die sie hier sammeln dürfen, ist der Blick auf die Preise, die in der Gastronomie aufgerufen werden. Ein paar Nudeln für annähernd 20 Euro, selbstverständlich ohne Getränk. Das ist in Deutschland inzwischen auch nicht viel anders, aber da ist Mutterns Küche immerhin in Reichweite. Was einen der Geiger, über den später noch zu reden sein wird, spontan dazu veranlasst, auf der Straße zu spielen. Johann Sebastian Bach hilft. Und so sammelt der junge Künstler binnen kürzester Zeit 25 Euro ein, die dann auch für ein auskömmliches Abendessen ausreichen. Das Essen in der Jugendherberge sorgt nämlich für das erste und einzige Murren, das in diesen Tagen zu hören sein wird. Bei solchen Preisen wundert es wenig, dass der überwiegende Teil der Läden im Quartier St. Leu, das für seine Gassen mit gastronomischen Angeboten touristisch angepriesen wird, geschlossen ist.

Entschädigt werden die jungen Leute nach Einbruch der Dunkelheit mit einer wunderbaren Idee der Stadt Amiens. Die lässt nämlich ihr Prunkstück, die Cathédrale Notre Dame d’Amiens, ein Meisterwerk der französischen Gotik, das das Bild der Innenstadt beherrscht, in diesen Nächten illuminieren. Und das ist wirklich ein Erlebnis. Die gesamte Fassade wird in fantasievolles Licht gekleidet, von symmetrischen Flächen über Farbexplosionen bis zur Einkleidung der Figurinen in bunte Kleider vermisst man hier nichts. Und der Assoziation sind keine Grenzen gesetzt. Manch einer mag diesen Fantasieflug des Lichts als gutes Omen für die bevorstehenden Tage auffassen. Selbstzweifel sind jetzt nicht mehr angesagt. Die Vorbereitungen sind gut gelaufen, ab dem nächsten Tag heißt es, sich im fremden Land von der besten Seite zu zeigen. Da ist das Spektakel an der Kirchenfront fast so etwas wie ein Versprechen.

Michael S. Zerban

Mehr Eindrücke von der Reise gibt es hier in der Bildergalerie.