Kulturmagazin mit Charakter
Kunststücke
Die Luft ist besser, die Temperaturen steigen im Sommer in Wuppertal erheblich moderater als in Düsseldorf, und das Umfeld bietet deutlich mehr Ruhe. Bernd Lausberg ist mit seiner Galerie von Düsseldorf nach Wuppertal gezogen. Jetzt hat er die Räumlichkeiten dort zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Neugierde war groß, wenn auch weniger an der Kunst als an der neuen Salongalerie.
Das Briller Viertel in Wuppertal ist neben dem Zoo-Viertel geprägt vom Wohlstand vergangener Zeiten. Etwa ab 1870 begannen die Unternehmer der erfolgreichen Frühindustrialisierung in der Textilindustrie, von namhaften Architekten herrschaftliche Häuser an den Hängen im Nordwesten des Wuppertals errichten zu lassen. Damals zählten die Städte Barmen und Elberfeld zu den reichsten Städten Deutschlands. Geblieben ist ein in Deutschland einzigartiges Villenviertel mit rund 250 denkmalgeschützten Häusern. In einer dieser Villen hat Bernd Lausberg nun eine Salongalerie eröffnet.
Der studierte Kunsthistoriker hat zuvor mit seiner Galerie in Düsseldorf die Segel gestrichen, nachdem er da schon versucht hatte, neue Wege zu gehen, um Leben in die Räume zu bringen und damit recht erfolgreich war. In der Kombination von bildender und darstellender Kunst war es ihm gelungen, Menschen in seine kunstbeladenen Räume zu bringen. Aber wenn die Mieten in schwindelnde Höhen steigen, Parkplätze für potenzielle Kunden zur Mangelware werden und das Umfeld allmählich verkommt, macht es selbst für hartgesottene Geschäftsleute keinen Sinn mehr, die Illusion vom funktionierenden Geschäft aufrechtzuerhalten. „Hier ist die Luft klarer, wenn in Düsseldorf 35 Grad sind, haben wir hier 26 Grad, und ich genieße die Ruhe“, begeistert sich der Galerist für den neuen Erlebnisort nach den ersten Monaten, in denen er sich eingerichtet und eingelebt hat. Neu ist Wuppertal für ihn nicht. In der Jugend ist er häufig hier gewesen, um die Oper zu besuchen. Immer bewundert hat er Hügel und Hänge, die eine einzigartige Architektur der Stadt hervorgebracht haben.
Nein, er hat Düsseldorf bislang nicht einen Tag vermisst. Und wenn man über die große Freitreppe zum Empfangssaal emporschreitet, begreift man sehr schnell, was ihn sofort gefangen genommen hat, als er die Räume zum ersten Mal sah. Die Räumlichkeiten sind erst mal atemberaubend. Stuck unter den Decken, Kronleuchter verbreiten mildes Licht, Holztäfelungen und Säulen sorgen für ein herrschaftliches Ambiente. Eine glasüberdachte Veranda schaut auf einen kleinen Garten. Hier sind wunderbare Abende mit Gesprächen und Getränken bei Kerzenlicht vorstellbar. Ein Salon, eine überdimensionale Küche und ein Ausstellungsraum sind an diesem Abend ebenso öffentlich begehbar wie ein Galeriezimmer. Von den Türen blättert die Farbe. Stromleitungen laufen über Putz. Dieser „Vintage-Look“ atmet die Atmosphäre längst vergangener Zeiten. Die Empfangshalle mit dem prächtigen, hölzernen Aufstieg und Kamin ist heute Abend bis in die letzte Ecke bestuhlt. Vor dem Ausgang zum Garten ist eine Leinwand aufgestellt. Vor dem Kücheneingang ist das Klavier aufgebaut.
Ulrike Arnold studierte in Düsseldorf Musik und Kunsterziehung. Als Künstlerin lebt sie heute in Düsseldorf und in Flagstaff im nordamerikanischen Arizona. Ihre Spezialität ist, aus Erden, Mineralien und Steinen Malmaterial herzustellen, das sie auf Nesselstoff aufträgt. Während sie ihre Materialien auf den Böden verschiedener Kontinente einsammelt, schickt ihr Lebensgefährte, der Fotograf Victor van Keuren, Drohnen in die Luft, um einzigartige Bilder einzufangen. Zur Eröffnung haben sich Arnold und Lausberg einen Videoabend einfallen lassen. Sie stellen van Keurens Film Dos Desiertos – auf Deutsch zwei Wüsten – vor. Ein Stummfilm in Farbe, der Drohnenflüge über den Wüsten des Colorado Plateaus im südwestlichen Nordamerika und dem Altiplano, eine Hochebene in Südost-Peru und West-Bolivien zwischen den Hochgebirgsketten der West- und Ost-Anden, zeigt. Musikalisch unterlegt werden die Bilder mit Improvisationen des Düsseldorfer Pianisten Markus Goosmann, der als einer der wenigen Stummfilmpianisten der Gegenwart gilt. Van Keuren präsentiert fantastische Bilder, die einerseits die Faszination der Wüste vermitteln, sich viel häufiger durch Weglassen eines Horizonts aber auf Bodenstrukturen konzentrieren, so dass bizarre Texturen in den Vordergrund treten. Goosmann beweist viel Feingefühl für den Rhythmus der Bilder und spielt eine farbenreiche Musik, die von meditativen Klängen über nachklingende Einzeltöne, die wie Tropfen ins Bild fallen bis in jazzige Anflüge reicht, die abrupt innehalten, ehe sie sich zu Melodien entwickeln können.
Nähe zur Kunst schaffen
Erst nachdem der Jubel des Publikums abgeklungen und die Verdunkelung wieder aufgehoben ist, gibt es Gelegenheit, sich auf das neue Konzept der „Salongalerie“ einzulassen, das Lausberg in der Villa verwirklichen will. „Nun habe ich über die letzten 20 Jahren insgesamt sieben feste Kunsträume in drei Ländern betrieben und die Anzahl der Messeauftritte ist Legion! All das immer mit der Absicht, klare, sachliche, ausschließlich weiße Räume zu schaffen, in denen die Kunst, eigentlich beliebig austauschbar installiert wurde. Je neutraler der Rahmen desto musealer die Wahrnehmung – eigentlich immer ganz weit weg von der persönlichen Umgebung des Betrachters“, erzählt Lausberg. Diese „White-Cube-Galleries“, also Galerieräume, die vom Boden bis zur Decke in weiß gehalten sind und möglichst große Hängeflächen bieten, gelten nicht nur in Düsseldorf, Toronto und Miami, wo Lausberg arbeitete, als optimale Präsentationsform, um hochwertige Kunstgegenstände zu verkaufen. „Mittels einer Beleuchtung lässt sich oft vieles aus einem Kunstwerk herausholen, mit Kunstlicht kann man Kunst aber auch totleuchten. Der spannende Dialog mit Kunstwerken im Wechsel der Lichtverhältnisse bleibt einem Galeriebesucher normalerweise versagt. Ab und zu kommt es schon mal vor, dass ein Besucher darum bittet, kurz das Licht auszuschalten, um mehr sehen zu können“, formuliert der Galerist sein Unbehagen, das ihn jetzt dazu brachte, nach neuen Wegen zu suchen.
Ein Rundgang im Erdgeschoss der Villa Louis Schniewind zeigt sehr schnell die Vorteile der neuen Präsentation, auch wenn die Beleuchtung erst in den kommenden Wochen vervollständigt werden wird. Zwischen dunklen Holzmöbeln und Kaminen, über Bücherregalen, selbst in der Nasszelle, aber auch im geweißten Galeriezimmer mit seiner nüchternen Arbeitsatmosphäre: Überall begegnet dem Besucher hier Kunst in einer Umgebung, die vorstellbar werden lässt, wie das einzelne Objekt tatsächlich im eigenen Heim wirken könnte. „Guck mal, Schatz. Das hier könnte ich mir bei uns im Wohnzimmer auch gut vorstellen“, könnte in Zukunft einer der typischen Sätze werden, die man hier zu hören bekommt. Obwohl der Besucherandrang bei künftigen Veranstaltungen kaum so groß sein wird wie am heutigen Abend, ist Lausberg mit den Rückmeldungen seiner Gäste überaus zufrieden. „Eine erstaunlich lebendige Auftaktveranstaltung, die mir Mut macht, diesen Weg zu gehen“, resümiert er selbst.
Reguläre Öffnungszeiten wird es in der Salongalerie Lausberg nicht geben. Wer seinen Besuch nicht persönlich vereinbart, sollte sich mittels E-Mail anmelden, um regelmäßig über Veranstaltungen informiert zu werden. So zum Beispiel für die nächste Vernissage, die am 7. September stattfinden wird. Dann wird Camill Leberer Arbeiten unter dem Titel echo sounds vorstellen, eingeführt von Gerhard Finckh, dem früheren Museumsdirektor des Von-der-Heydt-Museums in Wuppertal.
Michael S. Zerban