O-Ton

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Kölner Fest für Alte Musik 2018

In süßer Zeit

WHAT A PEACEFUL DAY
(Dorothee Oberlinger)

Besuch am
11. März 2018

Kölner Fest für Alte Musik, Balloni-Hallen

Zwischen Krieg und Frieden, so das Motto des diesjährigen Kölner Festes für Alte Musik, gibt es am Sonntag einen friedvollen Tag. Exklusiv für das Festival hat Dorothee Oberlinger ein Programm unter dem Titel What a peaceful day – welch ein friedlicher Tag – zusammengestellt.  Vor den Balloni-Hallen gibt es einen regelrechten Ansturm des Publikums. Bereits zur Eröffnung war der Abend ausverkauft. Endlich, möchte man sagen. Und hoffen, dass sich der Trend fortsetzt.

An Oberlinger soll es nicht liegen. Sie tritt mit vier Musikern ihres Ensembles 1700 an, um die Besucher mit einem abwechslungsreichen und packenden Programm über nahezu zwei Stunden zu fesseln. Man kommt sich vor wie beim Juwelier, wo blankgeputzte Edelsteine auf der Ladentheke vulgo Bühne liegen. Olga Watts sitzt am Cembalo und unterstützt mit leichter Hand, filigran und flügelleicht die Kollegen. Marco Testori, ein Kollege Oberlingers am Mozarteum in Salzburg, wo die Blockflötistin das Institut für Alte Musik leitet, vergnügt sich am Cello, so jedenfalls der Eindruck, den er hinterlässt. Mayumi Hirasaki spielt die Zweite Geige, was eigentlich falsch ist, denn ansonsten spielt sie die Erste Geige als Konzertmeisterin bei Concerto Köln. In den Balloni-Hallen steht allerdings Dmitry Sinkovski an der Ersten Geige – und singt. Denn das Programm sieht einen Countertenor vor. Und als solcher gehört Sinkovski in der Alten Musik zu den Vorderen seines Fachs.

Dorothee Oberlinger – Foto © O-Ton

Die Auswahl der Stücke ist brillant. Das beginnt gleich mit Georg Friedrich Händels Sonate in g-Moll. Was vom Titel her eher düster klingt, ist in Wahrheit ein großartiger Dialog zwischen den beiden Geigen, in den das Cembalo rhythmisierende Tropfen versenkt. Auch das nachfolgende Konzert in d-Moll in vier Sätzen, in dem erstmals die Blockflöte hinzutritt, schäumt. Und endlich sind wir bei Telemann angelangt, dem Lieblingskomponisten von Oberlinger. Der getreue Music-Meister erklingt in vier Sätzen und konzentriert sich auf Flöte und Geige. Hat man das schon besser gehört? Wohl kaum.

Endlich legt Sinkovski die Geige beiseite und besingt in der Arie Pianta bella – Schöne Pflanze – aus Il Nascimento di Aurora – die Geburt der Morgenröte – von Tomaso Albinoni, einem Werk aus dem 18. Jahrhundert, das hier klingt, als habe ein Komponist der Gegenwart den Animismus wiederentdeckt. Und Sinkovski legt mit heiterem Lächeln noch einen drauf. Die Arie Venti turbini aus der Oper Rinaldo von Georg Friedrich Händel wird, wie seit Jahrhunderten, zum Publikumserfolg.

Nach Marco Ucellinis La Bergamasca läuft Oberlinger in Antonio Vivaldis dreisätzigem Konzert Il Gardellino – der Distelfink – zur Höchstform auf. Die Komposition bietet ihr das Feld, ihre ganze Virtuosität auszuspielen. Und das Konzert eilt von Höhepunkt zu Höhepunkt.

In süßer Zeit – nel dolce tempo – findet sich Countertenor Sinkovski wieder, wenn er Georg Friedrich Händels Kantate scheinbar leichterdings lediglich in Begleitung des Basso continuo intoniert. Notenblätter braucht er für seine Vorträge nicht, wie sonst so gerne bei Liedvorträgen üblich. Und da weiß dann auch der Besucher, dass der Sänger sich ordentlich auf den Abend vorgetragen hat, ihn – und das Publikum – ernstnimmt und nicht nur schnell ein angelerntes Repertoire runterspult.

Schließlich versammelt sich das gesamte Ensemble wieder auf der schmalen Bühne, um den letzten Punkt des Programms vorzutragen. In The noise of Folly remixed mit Musik von Antonio Vivaldi und Arcangelo Corelli kommt noch einmal die instrumentale Frische des Abends zum Tragen, ehe das Publikum seinen Applaus-Marathon startet, unterbrochen von drei Zugaben. Darunter noch einmal Venti turbini, die Sinkovski jetzt mit einem Schuss Humor vorträgt. Ein kurzweiliger, weil abwechslungsreicher Abend geht zum rechten Zeitpunkt zu Ende und zufrieden strömen die Besucherscharen von dannen.

Michael S. Zerban