O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

DFK Paris, Dokumentation Palais Beauharnais © L. Blancard – N. Dubois – ArtDigitalStudio

Kunststücke

Die Kunst der Innenausstattung

Kaum ein Gebäude in Frankreich bildet die deutsch-französischen Kunstbeziehungen seit dem frühen 19. Jahrhundert so gut ab wie das Palais Beauharnais in Paris. Zweimal im Monat kann man die Residenz des deutschen Botschafters am Seine-Ufer nach vorheriger Anmeldung besuchen.

DFK Paris © L. Blancard – N. Dubois – ArtDigitalStudio

Es gibt im ehemaligen Aristokraten-Viertel von Paris, das man seinerzeit den Faubourg Saint Germain nannte, unzählige Palais, die heute fast alle in Ministerien oder Botschaften umgewandelt worden sind. Unter ihnen nimmt das Palais Beauharnais künstlerisch und historisch eine besondere Stellung ein. Nicht nur ist es seit über 200 Jahren die traditionelle Residenz des deutschen Botschafters in Frankreich, sondern es ist, auch für Pariser Verhältnisse, ein höchst bemerkenswertes, um nicht zu sagen einzigartiges Museum.

Der Bau entsteht 1713, ganz am Ende der Regierungszeit Ludwigs XIV. Es liegt am linken Seine-Ufer mit dem Blick auf den Jardin des Tuileries auf der anderen Seite des Flusses. Im 18. Jahrhunderts wohnen nacheinander noch zwei verschiedene Adelsfamilien darin, dann wird das Anwesen während der französischen Revolution geplündert. Im Jahre 1803 kauft es der erst 22-jährige Eugène de Beauharnais.

Eugène de Beauharnais ist eine vielleicht weniger bekannte, aber nicht minder wichtige Persönlichkeit der ersten Kaiserzeit in Frankreich. Er wird 1781 in Paris geboren. Seine Mutter Josefine heiratet in erster Ehe den Vicomte Alexandre de Beauharnais. Beide Eltern entstammen begüterten Familien des niederen Adels auf der karibischen Kolonialinsel Martinique, wo sie einander auch kennenlernen. Doch Alexandre zieht es nach Europa. Er studiert zwei Jahre in Heidelberg, heiratet dann in Paris und tritt als Offizier in königliche Dienste. Seiner Ehe mit Josefine entspringen zwei Kinder, Eugène und Hortense, die spätere Königin von Holland und Mutter Kaiser Napoleons III. 1794 findet Eugène unter dem Fallbeil der Revolution den Tod. Zwei Jahre später heiratet Josefine in zweiter Ehe den ersten Konsul Napoleon Bonaparte, der ihre beiden Kinder wie seine eigenen adoptiert.

Es ist wohl Alexandre de Beauharnais‘ aristokratischem Großmut und seiner väterlichen Weitsicht zu verdanken, dass er in seinem letzten Brief an seinen Sohn vor seinem Tod versucht, ihn vor Verbitterung und Rachegedanken gegenüber der Revolution zu bewahren. Jedenfalls akzeptiert Eugène dann auch Napoleon voll als Ersatz-Vater und es entwickelt sich in Laufe der Jahre ein echtes Vertrauensverhältnis zwischen ihnen. Eugène hält seinem Adoptivvater die Treue bis zu dessen Sturz.

Noch ganz im Schönheitssinn und der Grazie des ancien régime aufgewachsen und erzogen, macht sich Josefine, seine Mutter, in den drei Jahren von 1803 bis 1806 daran, ohne Mühe, aber auch ohne Kosten zu scheuen, die Pariser Residenz ihres Sohnes auszugestalten, mit untrüglichem Geschmack für das Schönste, aber auch für das der neuesten Mode entsprechende. Diese Prachtentfaltung verstärkt sich noch, als Napoleon die politisch wichtige Annäherung an Bayern sucht und für seinen Adoptivsohn, der nun bis zu der Geburt des Königs von Rom als der wahrscheinliche Nachfolger des Kaisers betrachtet wird, eine Heirat mit Auguste Amelie, der Tochter des bayerischen Königs arrangiert. Die Hochzeit findet schließlich nicht in Paris, sondern in München statt. Doch die Innenausstattung des Palais Beauharnais wird damit weitgehend abgeschlossen. Dass die Kosten alles Vorausgesehene bei weitem übersteigen, hat den Kaiser zwar verärgert. Aber da Eugène ab 1805 als Vize-König von Italien fast nur noch in Mailand residiert, verwendet Napoleon das Palais nun, um hochgestellte und gekrönte Häupter, die als Gäste nach Paris kommen, dort unterzubringen und macht es dadurch zu einem international wirksamen politischen Propaganda-Schaufenster des außergewöhnlich hochentwickelten Kunsthandwerks, und darüber hinaus ganz allgemein der kulturellen Entfaltung des jungen Kaiserreiches Frankreich.

Nach dem Sturz Napoleons verkauft Eugène de Beauharnais sein Palais an den preußischen König Friedrich Wilhelm III., der sehr klug darauf besteht, dass der Verkauf auch die gesamte Innenausstattung beinhaltet. Eugène zieht mit seiner Familie nach München und wird vom bayerischen König zum Herzog von Leuchtenberg gemacht. Das dortige prachtvolle Palais Leuchtenberg, das er mit derselben Kunstsinnigkeit hat erbauen und ausstatten lassen und das viele Vergleiche mit seinem ehemaligen Pariser Palais zuließ, fällt 1943 den anglo-amerikanischen Luftangriffen auf München zum Opfer. Goethe lernt den Herzog 1823 in Marienbad kennen und bezeichnet ihn im Gespräch mit Eckermann als einen jener großen Charaktere, deren es immer weniger gibt. Eugène de Beauharnais stirbt 1824 mit 42 Jahren in München.

Weiter in deutschem Besitz

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Das Palais Beauharnais bleibt als Botschaft im Besitz des Königreichs Preußen und später des Deutschen Reiches. Nach Ende des zweiten Weltkriegs vom französischen Staat konfisziert, wird es im Rahmen der deutsch-französischen Verständigung im Jahre 1962 von General De Gaulle an die Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben.

Dieses Palais ist in Paris kunsthistorisch insofern einzigartig, weil es, anders als die meisten anderen ehemaligen Adelspalästen, seine ursprüngliche, geschmackvolle, künstlerisch wertvolle und stilistisch einheitliche Innenausstattung zum größten Teil an Ort und Stelle erhalten konnte. Das lässt sich auf Grund eines noch von Eugène de Beauharnais selbst erstellten und erhalten gebliebenen Inventars nachweisen. Im Vergleich dazu ist beispielsweise das Mobiliar des Schlosses Malmaison, der späteren Residenz von Josefine de Beauharnais, im Laufe der Jahrhunderte in alle Winde zerstreut worden. Und als man es dann später in ein Museum umgewandelt und stilgerecht einrichtet, sind es nicht mehr die Originalmöbel.

Die Garten- und Hoffassaden des Palais Beauharnais haben ohne wesentliche Veränderungen den Stil des frühen 18. Jahrhunderts beibehalten. Nur hat man dem Hauptportal im Hof einen Vorbau angefügt, der dem Tempel von Dendera in Ägypten nachempfunden ist. Es ist eines der wenigen erhalten gebliebenen architektonische Beispiele des Retour-d’Égypte-Stils und soll an Napoleons Ägypten-Feldzug erinnern, an dem Eugène als junger Offizier teilgenommen hatte. Während sich das Palais äußerlich wenig verändert, so ändert sich im Zuge der Renovierung durch Josefine die innere Raumverteilung, vor allem aber wird die Innenausstattung nun von den besten Kunsthandwerkern im damals ganz neuen Konsular- und Empire-Stil ausgeführt. Hier ist es nun nicht mehr der pompöse Stil Ludwigs XIV., noch der verspielte Stil Ludwigs XV., auch nicht der schlichte Klassizismus Ludwigs XVI. Hier ist ein ganz neuer Stil vorherrschend, man könnte das Palais ein „Museum der Dekorativen Kunst der Konsular- und Empire-Zeit“ nennen. Hier sind Möbel als Miniatur-Prunk-Bauten entstanden, mit Materialien vornehmlich aus warmem, poliertem Mahagoni-Holz, eingefasst von kunstvoll geschmiedeten, vergoldeten Bronze-Verzierungen. Darüber schwere, ornamental gewebte Vorhänge und funkelnde Kristall-Lüster, darunter große Prunkteppiche und reichverzierte Türen. Und immer wieder in dieser farblich und stilistisch aufeinander abgestimmten Pracht tauchen Symbole auf:  die Lyra und der Schwan Apolls, der Adler und das Kriegsgerät Jupiters. Doch merkt man, es ist eine Frau, die diese Arbeit bestimmt, leitet und überwacht. Und so bleibt alles maßvoll, ausgeglichen, elegant, nichts ist überwältigend, nichts fällt aus dem Rahmen. Und sobald etwas aus dem Rahmen zu fallen droht, wird es sofort in anmutige Verzierungen aufgelöst. Besonders reizvoll immer wieder eine diskrete Anspielung auf den faszinierenden Orient und auf Napoleons und Eugènes Abenteuer in Ägypten. Ja, manchmal ist es viel mehr als nur eine Anspielung, wie das „türkische Boudoir“ im Obergeschoss, oder das so genannte türkische Zimmer mit den Porträts der sechs damals mit Napoleon verbündeten ägyptischen Scheiche des genuesischen Malers Michele Rigo.

Das Gesamtkunstwerk ist erhalten geblieben.

DFK Paris © L. Blancard – N. Dubois – ArtDigitalStudio

Es würde zu weit gehen, hier alle Einzelheiten dieses außergewöhnlichen „Gesamtkunstwerks“ anzuführen, das eine Frau mit erlesenem Geschmack und mit vollendetem Sinn für Prunk und Schönheit, aber auch mit vollem Verständnis für die radikalen Veränderungen um sie herum, in Laufe von drei Jahren zustande gebracht hat.

Schon im Vestibül empfängt den Besucher eine Büste Alexander von Humboldts, der ein oft gesehener Gast im Palais war. Er ermöglichte auch Karl Friedrich Schinkel einen Besuch in diesem Hause. Der strenge Neo-Klassiker wird gestaunt haben über solche Prachtentfaltung. Doch wer die Entwürfe zu Schinkels Zauberflöten-Inszenierung kennt, die 1815/16 entstand, wird sich eingestehen müssen, dass er wohl zumindest der orientalisierenden Extravaganz gar nicht so unempfänglich gewesen sein wird. Im Vorzimmer des „Grünen Salons“ hingegen blickt Otto von Bismarck ernst aus einem Lenbach-Gemälde auf uns herab. Der spätere Kanzler residierte 1862 als Gesandter des Königs von Preußen im Palais Beauharnais.

Sonst ist im Erdgeschoss der „Rote Salon“, das kleine Esszimmer, sehr einnehmend durch seine feine Ästhetik, aber auch durch seine farbliche Ausgewogenheit. Hier findet man auch vor einem hohen Spiegel eine Marmorbüste der jungen Königin Luise von Preußen, sie könnte von Schadow sein. Und wenn man in dieses fast noch Kindergesicht blickt, kann man sich vorstellen, was für einen Zauber die junge Königin auf ihre Zeitgenossen ausgeübt hat.

Gleich nebenan, sehr eindrucksvoll die Bibliothek mit den beiden von hohen schmalen Säulen umrahmten Bücherschränken. Da die Deckendekoration hier verloren gegangen ist, sind die Plafonds nur weiß getüncht, was den Räumen eine zusätzliche Leichtigkeit verleiht.

Vom Erdgeschoss führt die „Ehrenstiege“ hinauf ins Obergeschoss; oben über dem Treppenflur, eine große romantische Hafenlandschaft des Malers Hubert Robert, von dem auch zwei kleinere Gemälde den „Grünen Salon“ im Erdgeschoss schmücken.

Die eigentliche Nobel-Etage ist das Obergeschoss. Hier befindet sich das elegante, von Pilastern mit korinthischen Kapitellen umstandene „Große Speisezimmer“ mit vier großen Flügeltüren, verziert durch zierliche, figurative Grisaille-Technik-Malerei. Daneben der Musiksalon, mit einem Porträt Richard Wagners, der nach dem Fiasko seines Tannhäusers in der Pariser Oper hier vom preußischen Gesandten Graf von Pourtalès und seiner Gemahlin getröstet wurde. Wofür er ihnen das kleine Musikstück Ankunft bei den schwarzen Schwänen komponierte – eine Anspielung auf die schwarzen Schwäne im Garten des Palais.

Der „Große Salon“, auch „Salon der vier Jahreszeiten“ genannt, mit den vier entsprechenden Gemälden, mit den Friesen von den vier Mannesaltern und mit den tanzenden Frauengestalten im pompejanischen Stil auf den Türen und umgeben von mit Schwänen geschmückten Pilastern unter den vergoldeten Ornamentleisten und einer allerdings erst 1843 erneuerten Deckengestaltung in Gold und grau, beleuchtet von fünf Kristalllüstern, gilt als einer der bedeutendsten Prunksäle des Empire. Er war sicherlich wegweisend für die noch wesentlich überladenere Innenarchitektur des späteren 19. Jahrhunderts.

Weiblicher, leichter und wieder von exquisitem Geschmack ist der danebengelegene Kirsch-Salon, der seinen Namen der Farbtönung von Wandbespannung, Sesselbezügen und Vorhängen verdankt. Bemerkenswert der kunstvoll mit bunten Marmor-Einlagen dekorierte Kamin des italienischen Steinschneiders Francesco Belloni.

Man kann die Namen aller der zahlreichen Kunsthandwerker, die an der Fertigstellung dieses Palastes mitgewirkt haben, nur noch selten genau feststellen, weil die entsprechenden Archive beim Tode Eugène de Beaumarchais vernichtet worden sind.

Ein wahres Prunkstück und einmalig in seiner Art ist das Bett unter dem von hohen schlanken Mahagoni-Säulen ruhenden Baldachin. Auch hier wieder ist die gesamte Einrichtung des „Zimmers der Hortense“, einschließlich der Deckenmalerei, in situ erhalten geblieben. Nur die Textilien sind im Laufe der Zeit erneuert worden. Ausschlaggebend in der Gestaltung dieses Schlafzimmers ist der apollinische Schwan.

Bäder von kunsthistorischem Interesse

Last, but not least ist für Historiker und Kunsthistoriker das Badkabinett und das angrenzende türkische Boudoir von besonderem Interesse. Denn es ist selten, dass so private Orte in alten Palästen erhalten geblieben sind, außerdem ist gerade hier die künstlerische Ausgestaltung besonders reizvoll und bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. In beiden Räumen findet man antik-römische als auch orientalische Einflüsse. Wenn im Badekabinett der Plafond der Domus Aurea in Rom nachempfunden ist, so läuft im Boudoir ein auf Pompeji-Rot gemalter Fries oben an den Wänden entlang, der das Leben einer jungen Frau vom Hause ihres Vaters bis zum Harem des Paschas schildert.

Mit großer Ernsthaftigkeit, Hingabe und finanziellem Aufwand haben die deutsche Botschaft in Paris und das Auswärtige Amt es sich zur Aufgabe gemacht, das Palais de Beauharnais nicht nur zu erhalten, sondern in Zusammenarbeit mit einer Reihe von internationalen Kunsthistorikern auch die Original-Farbtöne der Textilien wiederzufinden, und in Auftrag zu geben – die Teppiche weitgehend in Indien, die Seiden- und sonstigen Stoffe für Vorhänge, Wandbespannungen und Sesselbezüge in spezialisierten kunsthandwerklichen Unternehmen in Frankreich.

Es sind im Laufe des 20. Jahrhunderts so viel wertvolle Kulturgüter mutwillig und sinnlos zerstört worden – und das hört im 21. Jahrhundert nicht auf – dass es ein erfreulicher Lichtblick ist, wenn man hin und wieder auf Schönheit stößt, die so sorgfältig gehegt und gepflegt wird wie hier. Denn selbst, wenn viele es heute nicht mehr wahrhaben wollen, ist Schönheit, in was immer für einer Form, ein unerlässlicher Teil des Lebens.

Alexander Jordis-Lohausen

Die Fotografien wurden freundlicherweise von Jörg Ebeling, Forschungs- und Bibliotheksleiter am Deutschen Forum für Kunstgeschichte, zur Verfügung gestellt, der auch diese Publikation zum Palais Beauharnais erstellt hat. Der Vortrag  während der Führung durch das Palais de Beauharnais wurde von der Kunsthistorikerin Françoise de Guilhermier-Jacquot gehalten.