O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Kunststücke

Kunterbunte Sammlung

Die „großen Werke“, mit denen sich beispielsweise Ellen Auerbach einen Namen gemacht hat, wird man in der Ausstellung Ellen Auerbach. Barbara Klemm – Fotografien 1929 bis 2019 vergeblich suchen, die bis zum 16. April in Monschau im Fotografie-Forum der Städte-Region Aachen gezeigt wird. Stattdessen gibt es Schwarzweiß-Fotografien, die viele private Inneneinsichten in die Welt des vergangenen Jahrhunderts bieten.

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Die Fahrt in die Eifel, um nach Monschau zu gelangen, gehört nicht zu den angenehmsten. Von der Autobahn geht es noch rund 30 Kilometer über eine Bundesstraße, die diesen Namen nicht immer verdient. Die Radarfallen in Form schwarzer Säulen dienen ganz offenbar nicht der Verkehrssicherung, sondern als Touristenfallen. Eine ist gar so aufgebaut, dass sie lebensgefährliche Situationen heraufbeschwören kann, wenn man an einer Fahrbahnverengung mit dem Einfädelvorgang beschäftigt ist. Willkommen in der Eifel. Die Parkgebühren sind vergleichbar denen einer Großstadt, und das Ordnungsamt der Stadt Monschau sorgt auch unter der Woche dafür, dass für die wenigen, die dann in die historische Altstadt kommen, erhöhte Gebühren fällig werden, wenn sie die gebuchte Zeit überschreiten. Dabei lädt die pittoreske, aber ungepflegte, verkommende Altstadt dazu ein, sich länger aufzuhalten, als ursprünglich geplant. Vordergründig lodert deutsche Romantik, aber an nahezu jeder Fassade platzt die Farbe von den Wänden. Eine Stadt, die für die Wochenenden lebt, wenn die Touristen einfallen. An jeder Ecke locken Cafés, sich in die altertümlichen Häuser zu begeben, die mit Schiefer, kleinen, verwinkelten Eingängen dem Charme einer vergehenden Zeit nachtrauern. Hier findet sich am Rande der Altstadt eines der besser erhaltenen Häuser.

Seit 150 Jahren gibt es die Villa an der Austraße, direkt neben dem gleichnamigen Kloster. 2002 wurde aus dem Gebäude ein Kunst- und Kulturzentrum, im Laufe der Jahre hat es sich zum Fotografie-Forum der Städteregion Aachen entwickelt. Und hier findet sich der Grund, warum eine Reise nach Monschau bis zum 16. April unbedingt lohnt. Denn so lange findet die Ausstellung Ellen Auerbach. Barbara Klemm – Fotografien von 1929 bis 2019 statt.

Ellen Rosenberg wurde 1906 in Karlsruhe in eine jüdische Familie hineingeboren. Mit 18 Jahren begann sie das Studium der Bildhauerei an der Badischen Landeskunstschule ihrer Heimatstadt. Mit 22 Jahren wechselte sie zur Akademie der bildenden Künste in Stuttgart, wo sie sich der Fotografie zuwandte, nachdem sie von einem Onkel eine 9×12-Plattenkamera geschenkt bekommen hatte. Ein Jahr später ging sie nach Berlin, um bei Walter Peterhans ihre Fotografie zu vervollkommnen. Bei Peterhans lernte sie Grete Stein kennen. Gemeinsam mit ihr gründete sie das Fotostudio ringl + pit, benannt nach ihrer beider Kosenamen. Die beiden spezialisierten sich auf Werbe- und Porträtfotografie. Anfang der 1930-er Jahre lernte Pit den Bühnenbildner Walter Auerbach kennen, den sie sieben Jahre später heiratete. Da waren die beiden nach Palästina und anschließend, nach einem Aufenthalt bei Stein, die inzwischen in London lebte, in die USA emigriert. Nach Philadelphia ließen sie sich in New York nieder, wo Auerbach als freie Fotografin für das Time Magazine arbeitete. Eine Heimat fand sie auch dort nicht. „Ich fühle mich nicht als Europäerin oder Amerikanerin, sondern als ganz unzureichende Weltbürgerin“, wird sie zitiert. 1945 trennte sie sich von ihrem Mann, 1956 beendete sie ihre Karriere als Fotografin, um sich als Erziehungstherapeutin lerngestörten Kinder zuzuwenden. 2004 starb sie in New York.

Ellen Auerbach: Schwefelbad, Kalifornien, 1949 – Foto © O-Ton

Neben Grete Stein wurde Barbara Klemm eine ihrer Freundinnen. 1939 in Münster geboren, wuchs Klemm ebenfalls in Karlsruhe auf. Erste fotografische Kenntnisse brachte der Vater ihr bei, ehe sie eine Fotografenlehre bei Julie Bauer absolvierte. Mit 20 Jahren zog sie nach Frankfurt am Main, wo sie bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Fotolaborantin begann und sich zur Redaktionsfotografin hocharbeitete. Als Pressefotografin schuf sie mit Porträts von Willy Brandt und Leonid Breschnew oder Brandt und Helmut Schmidt Bildikonen. In Monschau sieht man keine dieser berühmten Fotos, sondern eher eine „Innenansicht“ aus dem Leben der Fotografinnen. Dass hier auch Bilder von Stein erscheinen, ist konsequent.

Abgesehen von der kleinen Sonderreihe von Steins Fotos hat Nina Mika-Helfmeier als Kuratorin und Leiterin der Stabsstelle für Kultur der Städteregion Aachen, damit also auch Chefin des Fotografie-Forums in Monschau, keine Ordnung in den Bilderwelten geschaffen. Sämtliche Kriterien wie Chronologie, thematische oder sonstige Sortierung hat sie bei der Hängung außer Acht gelassen. Das entstehende Chaos aus Bildern von Reisen, aus fremden Ländern, von Naturbetrachtungen, aus der Porträtfotografie ebenso wie aus der Street Photography lässt sie bewusst zu. Auch vermeidet sie Zuordnungen wie Gegensätze der Fotografinnen, lässt sie allenfalls zufällig stattfinden. Und so fühlt man sich in den Räumen eher wie in einer riesigen Foto-Kiste als in einem Album unterwegs. Und das passt zu den Bildern, die eher einer privaten Welt entstammen als den öffentlichen Wirren des vergangenen Jahrhunderts. Eine durchaus wohltuende Erfahrung, die Besucher mehrheitlich goutieren, wie den Kommentaren zu entnehmen ist.

Für Hobby-Fotografen ist die Ausstellung eher eine Pflichtveranstaltung. Während mediokre Fotos das Netz fluten, die mit ihrer Nachbearbeitung für Aufmerksamkeit sorgen, kann man hier viel über mustergültige Komposition lernen. Kaum ein Bild, das nicht eine Geschichte erzählt oder über die Tiefe des Ausdrucks imponiert. Ganz ohne Farbe, aber immer kunterbunt.

Michael S. Zerban