O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Kosmische Serie von Hartmut Neumann - Foto © Michael Zerban

Kunststücke

Bock auf Null

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist geprägt von dem Wunsch nach Aufbruch, Neubeginn – und Licht. Das geht den Bürgern nicht anders als den Künstlern. Otto Piene und Heinz Mack gründen die künstlerische Bewegung Zero, der sich später auch Günther Uecker anschloss. Mit der und ihren Folgen befasst sich die Ausstellung Zero+ im Kunstraum im Hildener Gewerbepark Süd. Am 6. April findet die Vernissage um elf Uhr morgens statt.

Sandra Abend, Karlernst Braun und Mischa Kuball – Foto © Michael Zerban

Am 24. April 1958 gründeten Otto Piene und Heinz Mack die Düsseldorfer Künstlergruppe Zero. Zu dem Zeitpunkt hatte der 1928 in Laasphe geborene Piene sein Kunststudium in München und Düsseldorf sowie ein Philosophiestudium in Köln abgeschlossen. Heinz Mack, geboren 1931 in Lollar, studierte Kunsterziehung in Düsseldorf und Philosophie in Köln. 1955 bezogen die beiden Künstler ein gemeinsames Atelier in der Gladbacher Straße 69 in Düsseldorf. Dort veranstalteten sie ab 1957 Abendausstellungen. Aus Anlass der siebten Abendausstellung erschien die erste von drei Ausgaben der Zeitschrift Zero, deshalb gilt der Donnerstag als offizielles Gründungsdatum. Die Idee und das Bedürfnis, einen Neuanfang der Nachkriegskunst, die sie „mit einem Übermaß an Ballast befrachtet“ sahen, zu finden, war bereits ein Jahr alt. Der Wunsch entstand als Reaktion auf die Stilrichtungen der abstrakten Kunst in den europäischen Nachkriegsjahren, die unter dem Begriff Informel zusammengefasst werden und ihre Ursprünge im Paris der 1940-er Jahre hatten. Auch als Günther Uecker 1961 zu Zero stieß, sahen sich die drei Künstler nicht als Gruppe, sondern eher als Keimzelle einer künstlerischen Bewegung. Im Vordergrund stand bei Zero die Auseinandersetzung mit dem Licht. Es ging den Künstlern um den neuen Idealismus einer optimistischen weltweiten Kunst, geprägt durch lichtvolle Monochromie. Statt die politischen Verhältnisse ihrer Zeit zu beklagen, strebten sie einen Wechsel an, der von Ästhetisierung und Sensibilisierung geprägt sein sollte. Der Optimismus sollte aufgrund der sich ändernden Weltlage bald entschwinden, aber die Ideen von Zero bleiben bis heute gültig.

Vier Tage vor der Vernissage der Ausstellung Zero+ herrscht im Kunstraum im Hildener Gewerbepark Süd emsiges, aber gelassenes Treiben. Mitarbeiter bringen Wandbeschriftungen an, hängen letzte Bilder auf, befüllen Vitrinen. Die Kunstsammler Karlernst und sein Sohn Mathias Braun, die auch die Hausherren sind, sind mit Sandra Abend, der Kuratorin, und dem Konzeptkünstler Mischa Kuball im Gespräch. Der 93-jährige Karlernst Braun gibt Anekdoten zum Besten. Wie er seinen ersten Piene vom Künstler selbst erwarb und das Feuerbild auf Leinwand voller Stolz im offenen Cabrio nach Hause brachte, das jetzt ebenso seinen Platz in der Ausstellung findet wie die Farbkomposition, Öl auf Leinwand von Heinz Mack. Er stellt auch einen Prägedruck von Günther Uecker zur Verfügung, bei dessen Hängung man besonders auf den richtigen Lichteinfall achten müsse, um die Prägung deutlich hervortreten zu lassen. Später wird sich herausstellen, dass die Besucher der Ausstellung nicht auf die hübschen Erinnerungen verzichten müssen. Sie finden sich im eigens für das Vorhaben erstellten Magazin wieder. Dort ist auch ein Interview mit Kuball über seine Projektion Projektionsraum 1:1:1 zu lesen. Bereits 1991 entstanden, wurde sie ein Jahr später vom legendären Galeristen Konrad Fischer in seiner Dependance auf der Mutter-Ey-Straße ausgestellt. Dort lief sie Tag und Nacht, von außen einsehbar. Die Passanten blieben stehen, schrieben unaufgefordert meinungsstarke Zettelchen, die sie unter der Eingangstür durchschoben. Aus eigener Sicht verbindet Kuball seine Auseinandersetzung mit Raum und Licht mit Zero, weshalb sie die Idee noch einmal sehr schön in der Ausstellung zum Ausdruck bringt.

Zwischen Frieden, Weltraum und Leere

Die Pax-Serie von Otto Piene – Foto © Michael Zerban

Eigentlich habe man darüber nachgedacht, wie man mit der erfreulichen Tatsache umgehen soll, dass Uecker dieses Jahr 95 Jahre alt wird, erzählt Abend. Im Brainstorming sei man dann darauf gekommen, Zero einmal ins öffentliche Gedächtnis zu rufen. Jetzt noch freut sich die Kuratorin, mit welcher Großzügigkeit die Idee bei Galerien und Sammlern aufgenommen worden sei. Also alles richtig gemacht. So kann man unter anderem die Pax-Serie von Piene aus dem Jahr 1969 bestaunen, die die Galerie Löhrl zur Verfügung stellt. Statt personifizierter Allegorien zum Thema Frieden bildete der Künstler Metropolen unter einem Regenbogen ab. Der Galerie Beck & Eggerling sind Bilder von Hartmut Neumann zu verdanken, der für das + im Ausstellungstitel steht. Seine kosmische Serie versinnbildlicht die Auseinandersetzung mit der Weltraumbegeisterung in der Zeit von Zero. Eine weitere Leihgabe zeigt die Bilderserie Lichtballett von Piene. Viel Spaß hat Abend auch an der Schallplatte, die mit einer ungewöhnlichen Beschriftung für Aufmerksamkeit sorgt und auf der nichts als das Kratzen der Saphirnadel zu hören ist. Wunderbares Sinnbild der Leere, auf deren Suche sich die Künstler nach der „Beerdigung“ von Zero 1966 begaben.

Auch die Zero-Künstler selbst sind in der Ausstellung zu sehen. Fotografien von Michael Dannenmann zeigen sowohl Einzelporträts als auch ein großartiges Bild, auf dem Piene, Uecker und Mack in Anzügen mit Krawatte zu sehen sind. Der Humor, mit dem die Künstler arbeiteten, mag häufig eher subtil daherkommen, aber umso mehr Spaß bereitet es, ihn zu entdecken. So darf man sicher auch das Schwarzweiß-Foto verstehen, auf dem Yves Klein seine Hand hochhält, die er zuvor in sein berühmtes Blau getaucht hat. Es gibt noch einige mehr solcher Pretiosen in der Ausstellung zu entdecken, die Abend liebevoll und durchdacht gehängt hat. Vielleicht verrät sie über ihre Systematik bei der Vernissage am 6. April mehr.

Der Gewinn der Ausstellung liegt sicher nicht im Gedanken einer großangelegten Retrospektive, die der Kunstraum angesichts der Werke des Bildhauers Mack gar nicht leisten kann. Anstatt den Besucher zu übersättigen und zu erschlagen, setzt die Ausstellung Impulse, sich nach ihrem Besuch mit einer Epoche auseinanderzusetzen, in der Künstler mit Visionen, Utopien und existenziellen Fragen beschäftigt waren. In der sich ein Charles Wilp noch gekonnt über die Vermarktung der Kunst belustigen konnte und mal eben dafür sorgte, dass Afri-Cola zur Kultmarke wurde.

Natürlich kann man die Ausstellung zu den üblichen Öffnungszeiten besuchen. Auch das lohnt sich. Aber ein Verdienst Abends ist, dass Ausstellungen im Kunstraum immer von einem Programm begleitet werden, dass einen deutlichen Mehrwert bietet. Dazu gehört die Kuratorenführung mit Sandra Abend am 17. April um 18 Uhr. Auf jeden Fall sollte man sich den 10. Mai vormerken. Dann moderiert Abend um 15.30 Uhr das Kunstcafé, in dem sie dieses Mal unter anderem Barbara Könches als Leiterin der Zero-Stiftung begrüßt. Um 17.30 Uhr verwandelt Zoran Velinov den Kunstraum dann mit eigenen Kompositionen in eine Projektionsfläche und Klangkulisse.

Michael S. Zerban