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Kulturmagazin mit Charakter

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Kunststücke

Im Dialog mit Bild und Raum

Bis zum 5. März kann man im Duisburger Museums Küppersmühle die Ausstellung Weil ich ein Mensch bin von Martin Assig erleben. Musiker der Duisburger Philharmoniker haben gemeinsam mit Blockflötistin Dorothee Oberlinger der Kunst Musik in einer Inszenierung von Ludger Engels gegenübergestellt.

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Zwei Jahre Pandemie haben ihre Spuren hinterlassen. Der unmittelbare Austausch mit und im Angesicht des anderen fehlte. „Die Isolation hat meine Fähigkeit zu sprechen und zu denken gestört“, bekennt Martin Assig, Jahrgang 1959, in einem Gespräch mit Walter Smerling, Direktor Museum Küppersmühle in Duisburg, anlässlich seiner Ausstellung Weil ich ein Mensch bin, die noch bis zum 5.März zu sehen ist.

Die in Assigs Bildern unmittelbar zu spürende Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen des Seins fragt nach einem Gegenüber. Einem, der sich auf seine Kommunikationsangebote von Bild und Text – „Ich denke und empfinde in Bildern und Worten“ – einlässt, den Dialog sucht. Textfragmente, häufig als Frage ins Bild gesetzt, sind keine Kommentare oder gar Erklärungen des Malerischen. Assig intendiert damit eine Haltung, die Unabhängigkeit und, ja, noch viel mehr Absichtslosigkeit behauptet.

Verteilt auf zehn Themenschwerpunkte – Auraautoren, Erzählung am Boden, Kleid, Schmerz, Seelen, St. Paul, Tuschen, Übungen zur Verwunderung, Wasser und Vorrat. Welt – dekliniert Assig seine Weltsicht mit malerischen und textlichen Signaturen.

Im Zyklus Seelen, an dem er seit 2020 arbeitet, hebt Assig auf die Einheit von Leben und Tod im Grundsätzlichen ab. Bist Du Glück (Seelen #180), Scherenschnitt, Wachs auf Papier, öffnet einen assoziierenden Blickhorizont. Nicht als Frage oder Imperativ des Künstlers formuliert, sondern das Bild fragt nach dem, was irgendwann jeden Menschen umtreibt. Gleichzeitig reflektiert der Materialhinweis Wachs – respektive Enkaustik, bei der in Wachs gebundene Farbpigmente heiß auf den Maluntergrund aufgetragen werden – die Frage, was der einzelne unter Glück versteht, die ontologisch offen bleiben muss.

Unter Wachs verschlossen, bleibt die Bildstruktur sichtbar. Fragen nach all dem Lebensglück wie auch nach dem, was unglücklich macht, sind zu erkennen und zu lesen. Die Antworten, mit Wachs versiegelt, überantwortet der Künstler dem Betrachter in seiner eigenen Souveränität.

Sein großformatiger, auf Holz gemalter Werkzyklus Übungen zur Verwunderung, Seelen und Auraautoren, objekthafte, skulpturale Bildkörper, zusammengesetzt aus reliefartigen Formen, laden absichtsvoll ein, sich in medias res zu begeben. Eingetaucht in Assigs ästhetische Welt, die sich tagesaktueller Artikulationen entzieht, manifestiert sich eine überzeitliche Sinnlichkeit. Ein sich selbstbefragendes Ich. Erstaunen darüber, dass ich bin: Weil ich ein Mensch bin.

Häufig ist ein Ausstellungsbesuch mehr oder weniger eine einsame Sache zwischen Betrachter und Werk. Ein stiller Dialog, der von einer sich je und je einstellenden Resonanz getragen ist – oder nicht. Das Museum Küppersmühle choreografiert gemeinsam mit Musikern der Duisburger Philharmoniker und einer der bedeutendsten Blockflötistinnen, Dorothee Oberlinger, einen Seh-Hör-Dialog von Bildkunst und Musik. Das Format einer Konzert-Performance trifft offensichtlich einen Nerv von Kunst- und Musikliebhabern.

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Übungen zur Verwunderung versammelt eine detailliert interessierte, sensibel aufgeschlossene Besuchergemeinschaft. Titelgebend, unmittelbar auf Assigs gleichnamigen Werkzyklus Bezug genommen, führt die Klang-Performance bis in den Erweiterungsbau mit der ständigen Ströher-Sammlung. Kuratiert und organisiert von Ludger Engels, sind Kompositionen aus mehr als 900 Jahren von Hildegard von Bingen über Johann Sebastian Bach, John Dowland, Zoltan Kodaly, Richard Wagner bis zu Giacinto Scelsi, Georges Aperghis und John Cage zu hören.

Als Ensemble mit der Bach-Kantate BWW 42 Verleih uns Frieden gnädiglich eröffnet, vereinzeln sich die Musiker in ausgewählte Ausstellungsräume. Während die Posaune von Rocco Rescigno mit Tre Pezzi von Scelsi aus einem Raum tönt, sondieren in anderen mit Out of Space von Alan Fabian die Kontrabassisten Francesco Savignano und Christof Weinig die Dialogfähigkeiten von Bild und Klang. Jakob Wagners warmtönige Erzlaute, eine italienische Barocklaute, mischt die Toccata VI von Johann H. Kapsberger mit Syrinx von Claude Debussy. Von Oberlingers Spiel mit einer körpergroßen Subbass-Blockflöte geht eine besondere Faszination von einem selten zu sehenden und zu hörenden Instrument sowie von ihrer Interpretation aus.

Tonio Schnibels Violine besänftigt mit Toccata für Violine Solo von Helmut Lachenmann eine konzentrierte wie für die Besucher herausfordernde Performance, bevor David Berredas Horn mit dem Siegfried-Ruf aus Richard Wagners Siegfried alle zum abschließenden 15-minütigen Atlas Eclipicalis von John Cage aus dem Jahr 1962 im Erdgeschoss über zwei Räume zu einem meditativen Finale vereint.

Übungen zur Verwunderung, die Lust auf mehr machen. Am 29. März wird die Musik-Veranstaltung wiederholt.

Peter E. Rytz