O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Düsseldorf-Festival 2021

Grandioses Abschiedskonzert

MUITO KABALLA POWER ENSEMBLE
(Diverse Komponisten)

Besuch am
27. September 2021
(Einmalige Aufführung)

 

Düsseldorf-Festival, Theaterzelt am Burgplatz, Düsseldorf

Danke, danke, danke. Es ist wohl das am häufigsten gebrauchte Wort beim Düsseldorf-Festival in den letzten Wochen. Und manches Mal wurde einem der Sponsoren-Werbeblock zu Beginn einer jeden Veranstaltung ein wenig zu viel. Da hätte man sich eher ein paar Worte mehr zur Aufführung gewünscht. Aber heute Abend ist auch das Team „hinter den Kulissen“ dran, das im Großen und Ganzen eine großartige Arbeit geleistet hat. Gewiss, der pünktliche Beginn eines Abends ist inzwischen nicht nur in der so genannten Freien Szene unmodern geworden. Und ein Programmheft mit Sternchen unleserlich zu machen, gehört ja gewiss nicht zu den Spezialitäten des Düsseldorf-Festivals, auch wenn es da genauso unangebracht ist wie zu anderen Anlässen. Und mit Sicherheit haben sich davon etliche potenzielle Besucher abschrecken lassen. Aber die Festivalleitung ist mit rund 13.000 Besuchern ja auch schon zufrieden, weil damit zwar nicht die Besucherzahlen früherer Festivals erreicht werden, aber das Manko des vergangenen Jahres weitgehend aufgeholt ist.

Andreas Dahmen, mit Christiane Oxenfort Festival-Leiter, hat ein Maßnahmen-Paket geschnürt, um der Corona-Hysterie gerecht zu werden. Damit hat er das Festival in weiten Teilen zurück zur Normalität geführt. Und so macht sich am letzten Abend auch so etwas wie Entspannung breit. Da sitzen die Menschen im Zelt Platz an Platz ohne Masken und können sich einfach nur auf das Konzert freuen. Es schließt ein Programm ab, das, wie beim Düsseldorf-Festival gewohnt, eine ungewöhnliche Vielfalt an internationalen Künstlern in den unterschiedlichsten Genres aufbieten konnte. Dass dabei in der lokalen oder regionalen Szene der eine oder andere durchging und man sich lieber auf Altbekanntes verließ, erscheint angesichts der spektakulären Darbietungen verzeihlich und der Zukunft vorbehalten. Jetzt geht es zum letzten Akt des Festivals. Und da ist mit Muito Kaballa Power Ensemble genau der richtige Partner gefunden.

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Geboren als One-Man-Show des Multiinstrumentalisten und Straßenmusikers Muito Kaballa aka Niklas Mündemann, ist inzwischen daraus eine neunköpfige Band entstanden, die ihresgleichen sucht und damit stellvertretend für die Originalität der Auswahl in den Programmen des Düsseldorf-Festivals steht. Somit steht einem gelungenen Abschluss des Festivals nichts mehr im Wege.

Wir wollen doch nur Spaß. So könnte das Motto des heutigen Abends lauten. Wenn die neun Musiker die Bühne in ihren lachsfarbenen Latzhosen zeitversetzt betreten und zu ihren Instrumenten schreiten, spülen sie eine Welle der guten Laune ins Theaterzelt am Burgplatz. Vermutlich allesamt gute Freunde im Geiste von Miles Davis, der die Musik bekanntlich in zwei Kategorien teilte. Es gebe gute und schlechte Musik. Über das Muito Kaballa Power Ensemble wird geschrieben, man bekomme Afrobeat, Jazz, Funk und Latin zu hören. Tatsächlich wird in den kommenden zwei Stunden eine höchst eigenständige Mischung zu hören sein, die genau einen Zweck verfolgt: Gute Musik zu machen. Zur „guten“ Musik gehört eindeutig die tanzbare. Und weil das Publikum nicht tanzen darf, übernimmt die Band das gleich mit. Von der Improvisation über die einstudierte Choreografie bis zur Brass Band in der amerikanischen Musikparade ist alles dabei. Gleich mit dem ersten Titel zeigt das Ensemble, dass es auch Spaß am Wortwitz hat. Der Titel, den Nora Beisel anstimmt, heißt Don’t go. Die Refrainzeile dann Don’t go too far. Von geh nicht zu geh nicht zu weit erinnert an den Kanarienvogel, der im Zimmer herumfliegt, obwohl das Fenster geöffnet ist. Mit Inside Outside gibt es dann viel Bewegung auf der Bühne. Es folgen Chung und Aga Aga, ehe es eine richtige schöne Geschichte aus dem brasilianischen Regenwald gibt. Curupira ist eine Legendengestalt, die dafür sorgt, dass sich Wilderer immer weiter im Dschungel verirren, um so die Natur zu schützen. Natürlich ist auch das Lied nach diesem Dämon benannt, mit dem die Band auf den Naturschutz aufmerksam macht. Wie schön, dass hier die Belehrung ausbleibt und dem Klimaschutz damit an diesem Abend Genüge getan ist. Mit Little Child wird es dann für einen Moment ein wenig ruhiger, weil es doch um unsere Seele und den sorgsamen Umgang mit ihr geht. Money erinnert an Inside Outside und hält den Schwung der Aufführung aufrecht.

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Mamari – so heißt im Arabischen der leicht schwankende Gang eines Kamels, der so manchem Reiter schon die Seekrankheit eingebracht hat. So lautet auch der Titel des Albums, dass das in Köln, Leipzig und Berlin beheimatete Ensemble im Mai herausgebracht hat und dessen Programm es heute Abend im Wesentlichen spielt. Andre van der Heide spielt den Grundrhythmus am Schlagzeug, Leonard Gaab sekundiert ihm an den handgeschlagenen Trommeln. Till Weise hält sich mit seinem Bass bevorzugt im Hintergrund. Vorne stehen Lilian Thomas mit seiner Trompete, Tim von Malotki mit dem Bariton-Saxofon und „natürlich“ Niklas mit dem Tenor-Saxofon, an der Flöte und am Synthesizer. Auf der linken Seite bearbeiten Benjamin Schneider die E-Gitarre und Jan Janzen die Keyboards. Nora Beisel greift ebenfalls zu verschiedenen Rhythmus-Instrumenten, wenn sie nicht gerade die außergewöhnliche Bandbreite ihrer Stimme präsentiert. Das Publikum freut sich an der Musik, rutscht unruhig auf den Sitzen herum und nutzt jede Gelegenheit, die Musik klatschend zu begleiten. Nach Tin Tin gibt es mit Danser Danser, das für das französische Tanzen steht, eine gute Gelegenheit, unter viel Applaus die Bühne zu verlassen. So richtig mag damit keiner den Abend schließen. Und so kehrt Gaab auf die Bühne zurück, um einen afrikanischen Kanon anzustimmen, zu dem sich die Band erneut zusammenfindet.

Wenn das Muito Kaballa Power Ensemble an diesem Abend eines gezeigt hat, ist es die Weltoffenheit, die sich eigentlich längst jeder angeeignet haben sollte. Mit befreitem Hirn und wohliger Entspannung verabschiedet sich das Publikum in geeigneter Weise vom diesjährigen Düsseldorf-Festival. Einen Nachklapp gibt es im November mit einer Oper in der Johanneskirche, die der Programmvielfalt noch einmal eine letzte Facette hinzufügt. Dann aber heißt es erst mal, wieder ein Jahr auf die Überraschungen zu warten, die sich Christiane Oxenfort und Andreas Dahmen einfallen lassen. Die beiden und ihr Publikum freuen sich schon jetzt drauf.

Michael S. Zerban