O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Joschua Voßhenrich

Schumannfest 2022

Anspruchsvolle Kammermusik

MARIAM BATSASHVILI & MAXIMILIAN HORNUNG
(Diverse Komponisten)

Besuch am
20. Juni 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Schumannfest 2022 im Robert-Schumann-Saal, Düsseldorf

Die Kammermusik ist die Königsdisziplin der ernsten Musik. Das gilt gerade für die Streichquartette. Aber auch kleinere und größere Besetzungen sind nicht außer Acht zu lassen, da hier ebenfalls vielschichtig miteinander musikalisch kommuniziert wird. Im Rahmen des diesjährigen Düsseldorfer Schumannfestes sind nun im Robert-Schumann-Saal die Pianistin Mariam Batsashvili und der Cellist Maximilian Hornung zu Gast, um einen kleinen Duo-Querschnitt vorzustellen.

Das Violoncello – kurz: Cello – entstand bereits im 16. Jahrhundert, ist also relativ alt. Doch erst während der Barockzeit konnte es sich von der damals sehr populären Gambe emanzipieren. Dafür sorgten Antonio Vivaldi mit seinen 27 Cellokonzerten und Johann Sebastian Bachs sechs Cellosuiten. Anschließend, ab etwa 1770, fand es seinen Stammplatz im Streichquartett und Klaviertrio. Ludwig van Beethoven etablierte es mit seinen fünf Sonaten für Klavier und Cello als klassisches Melodieinstrument. Ausgehend von diesem Vorbild entstanden bis zur ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts über 150 Sonaten. Die Cellokonzerte des 19. Jahrhunderts oder das Tripelkonzert Beethovens und das Doppelkonzert von Johannes Brahms sind nach wie vor beliebt. Im 20. Jahrhundert wurde das Instrument häufig verwendet, fand auch Einzug in die avantgardistische Musik. Spieltechniken wurden weiterentwickelt.

Vier gehaltvolle, tonale Werke für Cello und Klavier hat das Duo mit im Gepäck, die musikalisch und spieltechnisch hohe Ansprüche stellen. Zwei entstanden in der Romantik, in denen Volksmusik verarbeitet wurde: von Robert Schumann die Fünf Stücke im Volkston mit der Opuszahl 102 und Antonín Dvořáks Sonatine in G-Dur, opus 100. Des Weiteren gehören zu dieser Kategorie die Fünf Stücke über volksmusikalische Themen aus dem Jahr 1950, geschrieben von Sulchan Zintsadze. Der in seiner Heimat angesehene georgische Komponist und Cellist lebte 1925 bis 1991. Er war am Tifliser Konservatorium als Dozent und zwischenzeitlicher Leiter angestellt. Ab 1973 war er Professor für Komposition. Sein Oeuvre beinhaltet unter anderem vier Sinfonien, sechs Konzerte, Bühnenwerke, Vokalmusik, etliche Streichquartette und Werke für Cello mit und ohne Bergleitung. Seine Musik ist von der georgischen Folklore und dem Werk Dmitri Schostakowitschs geprägt. Das besagte fünfsätzige, rund zehnminütige Stück ist ein Spiegelbild dieses Personalstils. Schließlich gibt es ein Jugendwerk von Richard Strauss: die Sonate in F-Dur, opus 6 aus dem Jahr 1883.

Foto © Joschua Voßhenrich

Sämtliche klassischen wie hochvirtuosen Spieltechniken sind in diesem Programm für das Cello vorgesehen. Eine wieselflinke Bogenführung, Dynamikänderungen, schnelle Lagenwechsel, atemberaubende Pizzicati, Doppelgriffe, Flageoletts, als Arpeggio gespielte Drei- und Vierklänge sind über weite Strecken hochgradig schwer. Hornung wird diesen hohen Ansprüchen in allen Belangen voll gerecht, stellt sie voll in den Dienst der mannigfaltigen Musikstile von Tänzen, US-amerikanischen Melodien, deutlicher Darstellung tradierter Satztypen wie der Sonatenhauptsatzform. Hinzu kommt seine packende Vermittlung des emotionalen Gehalts von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Auch Batsashvilli demonstriert eindrucksvoll, dass sie wie Hornung zu Recht auf den großen Konzertpodien zu Hause ist. Erstklassig paart sie hohe Virtuosität mit großen musikalischen Spannungsbögen. Nur ist ihr Zusammenspiel nicht immer homogen. Bei manchen lauten Passagen übertönt die Pianistin das Cello über Gebühr, oder manchmal hapert es ein wenig an einer exakten Synchronizität. Darunter leidet mitunter eine kongeniale musikalische Kommunikation. Trotzdem wird deutlich, dass die beiden Spitzenmusiker bei einer weiteren kontinuierlichen, intensiven Zusammenarbeit zu einem sich blind verstehenden Duo erster Güte reifen werden.

Die überschaubaren Zuhörer zeigen sich begeistert, applaudieren langanhaltend. Ein paar grölen sogar begeistert. Dafür bedankt sich das Duo mit einer schön vorgetragenen kurzen Zugabe: Robert Schumanns Lied Du bist wie eine Blume in einer Cellofassung. Es ist die 24. Nummer des vier Hefte umfassenden Liederkreises Myrten, opus 25.

Schon seit einiger Zeit ist festzustellen, dass Werkbesprechungen in Programmheften einen immer kleineren Raum einnehmen. Oft sind es nicht mehr als ein paar Sätze über die jeweiligen Stücke. Detaillierte Informationen werden zunehmend seltener. Nicht berücksichtigt wird, dass etlichen Musikfreunden einfach die Muße fehlt, sich auf Konzerte vorzubereiten. An diesem Abend gibt es sogar nur ein gefaltetes DIN-A4-Blatt, auf dessen Rückseite lediglich unvollständig die präsentierten vier Werke mit ihren Sätzen abgedruckt sind. Es gibt keine Anmerkung darüber, dass Dvořák seine Sonatine für Violine und Klavier komponierte. Kein Wort wird darüber verloren, welche Person sie für Cello arrangiert hat. Des Weiteren wird nicht erwähnt, dass es von Richard Strauss zwei Fassungen mit der Opuszahl 6 gibt. Vor der an diesem Abend vorgestellten zweiten Version schrieb er zwei Jahre zuvor im Alter von 16 Jahren, also 1881, das Urstück mit den Satzbezeichnungen Allegro con brio – Larghetto – Finale: Allegro vivace. Er hielt es wenig später aber für nicht reif genug, revidierte den ersten Satz komplett und schrieb zwei neue mit den Bezeichnungen Andante ma non troppo und Finale: Allegro vivo. Kan man nicht zumindest so viel an exakten Hinweisen erwarten?

Hartmut Sassenhausen