O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Jasper Möslein

Schumannfest 2022

Glänzender Abschluss

LIEDERABEND MIT KONRAD JARNOT, THOMAS GABRISCH UND HANS EIJSACKERS
(Robert Schumann, Franz Schubert)

Besuch am
16. Juni 2022
(Einmalige Aufführung)

 

Schumannfest 2022, Palais Wittgenstein, Düsseldorf

Die Veranstaltung darf zweifelsfrei als einer der Höhepunkte des diesjährigen Schumannfestes in Düsseldorf gelten. Wie es sich gehört, arbeiten die Tonhalle und die Robert-Schumann-Hochschule immer wieder zusammen. Bestandteil dieser Kooperation ist, dass die Musikhochschule ihren Beitrag zum Schumannfest leistet. In diesem Jahr sind die Ziele extrem hochgesteckt. An drei Tagen will die Hochschule nahezu alle Lieder Robert Schumanns präsentieren. Dabei können sich die Studenten nicht etwa ihre Lieblingsstücke aussuchen, sondern bekommen ihr Pensum zugewiesen. Als seien die organisatorischen Leistungen damit nicht genug, wird der Marathon von geplanten elf Konzerten von Studenten der Düsseldorfer Kunstakademie begleitet, die die unterschiedlichsten Werke während der Konzerte präsentieren. Am dritten Tag sind die Gesangslehrer mit den Leistungen ihrer Studenten hochzufrieden. Zumal einige von ihnen dabei noch über sich selbst hinauswachsen. Bereits am ersten Abend tritt der Katastrophenfall ein. Ursula Hesse von den Steinen ist erkrankt und damit das Dozentenkonzert hinfällig. Spätestens seit den Vorbereitungen zur Bohème, der diesjährigen Aufführung der Opernklasse, bei denen die jungen Sängerdarsteller einer nach dem anderen wegen Corona ausfielen, sind die Professoren krisenerprobt. Und so werden die Nachwuchssänger angerufen. Wer Zeit hat, kommt. Es wird, so ist von allen Seiten zu hören, eine wunderbare Aufführung. Eine Mischung aus Gesprächskonzert und Unterrichtssimulation sorgt für viel Spaß.

Hans Eijsackers mit Konrad Jarnot – Foto © Jasper Möslein

Für den Abschluss des Marathons ist – ebenfalls im Palais Wittgenstein – ein Liederabend mit Konrad Jarnot, Thomas Gabrisch und Hans Eijsackers vorgesehen. Bariton Jarnot leitet eine der Gesangsklassen, Gabrisch ist für die Opernklasse verantwortlich und Eijsackers lehrt Liedgestaltung. Eine Spitzenbesetzung, die mindestens Düsseldorfer in Scharen anziehen sollte. Aber die Voraussetzungen sind denkbar schlecht. An allem Schuld ist herrlichstes Sommerwetter. Wer kann, verlässt die Stadt, um das verlängerte Wochenende für einen Kurzurlaub zu nutzen. Oder verbringt den Tag wenigstens mit einem ausgiebigen Ausflug, um abends vor dem Grill oder im Biergarten zu landen. Warum sollte man sich da auf die unerfreuliche bis aussichtslose Parkplatzsuche am Karlsplatz begeben und sich anschließend in einen stickigen Konzertsaal setzen? Bei aller Liebe zum Lied, das ist vielleicht doch ein wenig viel verlangt.

Trotzdem ist der Saal – auch dank der Studenten, die zahlreich erschienen sind – halbwegs gut gefüllt. Die guten Erfahrungen mit dem ersten Abend können die Herren nicht dazu verleiten, vom traditionierten Konzertformat abzuweichen. Keine Begrüßung, nicht mal ein paar Worte zu den Liedern, die Musik muss für sich selbst sprechen. Hans Eijsackers nimmt als erster am Flügel Platz und greift beherzt in die Tasten, um mit Konrad Jarnot Robert Schumanns Liederkreis Opus 24 zu durchschreiten. Der Bariton hat eine ausgesprochen erfolgreiche Sängerkarriere absolviert, war auf allen wichtigen Bühnen zu Gast, ehe er sich entschied, den Konzertbetrieb gegen die Lehre einzutauschen. Aus Sicht seiner Studenten die einzig richtige Entscheidung. Heute Abend kehrt er förmlich in sein früheres Leben zurück. Aufrecht die Haltung, abgezirkelt die Bewegungen, ganz fein zeichnet die Mimik die gesungenen Texte nach. Eijsackers scheint den großen Zugriff zu lieben. Was auf großen Bühnen unabdingbar ist, wird im Kammermusiksaal von Palais Wittgenstein leicht zum Problem. Da gerät Lautstärke schnell zum Dröhnen. Jarnot lässt sich davon nicht beirren und zeigt ein schier unbegrenztes Stimmvolumen, ohne wesentlich an Textverständnis zu verlieren. Das ist mehr als eindrucksvoll.

Thomas Gabrisch mit Konrad Jarnot – Foto © Jasper Möslein

Thomas Gabrisch legt als Dirigent und Chorleiter mehr Wert auf Unterstützung als auf die Gleichberechtigung von Klavier und Gesang. Mit diesem Verständnis begleitet er Jarnot bei den sechs Liedern nach Heinrich Heine aus dem Schwanengesang von Franz Schubert.

Zwischendurch fällt der Blick immer wieder auf die beiden Gemälde, die frische Farbe auf die Bühne bringen. Junge mit Blüten und Sommerwiese könnten die Titel lauten. Die Bilder stammen von Renjie Wang, die freie Kunst mit Schwerpunkt Malerei an der Kunstakademie studiert. Auch wenn die Motive in ihrer Gegenständlichkeit ein wenig aus der Zeit gefallen wirken, passen sie doch ganz hervorragend in die romantische Zeit der vorgetragenen Lieder.

Mit der Dichterliebe kehrt Jarnot zu Schumann und zu Eijsackers zurück. Da steigert sich die Dramatik von leichten Im wunderschönen Monat Mai bis zum Die alten, bösen Lieder unmerklich. Nach nahezu anderthalb Stunden hat Jarnot 31 Lieder vorgetragen, ohne auch nur einen Moment an Konzentration einzubüßen. Bei jedem Stück werden die Besonderheiten sauber herausgearbeitet, immer wieder feine Akzente gesetzt, die die Interpretation einzigartig werden lassen. Eine Partitur oder wenigstens eine Textvorlage sind dabei offenbar überflüssig. Jarnots Studenten jubeln ihm zu. Da sind zwei weitere Lieder noch mit Leichtigkeit gesungen, ehe sich die drei Musiker ein letztes Mal ausgiebig feiern lassen. Und ein Mal mehr ist zu bedauern, dass Jarnot sich auf der Bühne so rar macht. Seine Studenten, so viel ist gewiss, haben an diesem Abend mehr lernen können als in so manchem Gesangsunterricht.

Michael S. Zerban