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Kunststücke

Kunstfreiheit gilt anderswo

Bei der Ausschreibung zur vierten Ausgabe seines Kunstpreises forderte der Düsseldorfer Aufklärungsdienst Künstler auf: Check Your Dogma. Es gab satte 986 Einreichungen. 91 davon wurden für den Kunstpreis nominiert und sollten im Düsseldorfer Stadtmuseum ausgestellt werden. Es wurden nur 89 daraus, weil die Museumsleitung die Hängung von zwei Kunstwerken verbot. Sind wir wieder soweit?

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Es gibt Vereine, bei deren Namen man misstrauisch wird. Düsseldorfer Aufklärungsdienst ist so einer. An einem Abend im Jahr 2010 „saßen Ricarda Hinz und Eva Witten zusammen und scherzten: ‚Solange es in dieser Stadt noch Gottesdienste gibt, braucht es auch Aufklärungsdienste‘“. So ist es in der Broschüre nachzulesen, mit der der Aufklärungsdienst sich vorstellt. Seine Aufgabe ist nach eigenen Angaben, Atheisten, Agnostikern, Humanisten und Religionsfreien in der Stadt Düsseldorf eine öffentliche Präsenz zu geben. Auf der Netzseite des Vereins ist außerdem zu erfahren, dass er „dem Prinzip wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Aufklärung dienlich sein“ will. Er gehört zu den deutschlandweit über 50 Regional- und Hochschulgruppen der Giordano-Bruno-Stiftung, nach eigenen Angaben „einer Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung“.

Es lohnt, sich die Netzseiten des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes mal anzuschauen, denn obwohl der Verein offenkundig die deutsche Rechtschreibung nicht beherrscht, werden dort durchaus kluge Fragen gestellt. Neben Vorträgen richtet der Aufklärungsdienst seit 2018 den DA! Art Award aus, also einen Kunstwettbewerb. In diesem Jahr findet er zum vierten Mal statt. 986 Einreichungen gab es, 91 Kunstwerke wurden für den Preis nominiert. Der scheinbare Clou des Wettbewerbs: In Kooperation mit dem Düsseldorfer Stadtmuseum werden die nominierten Kunstwerke vor der Preisverleihung ausgestellt, in diesem Jahr vom 7. bis zum 28. September. Bis dahin eine schöne Sache.

Als die Kunstwerke für die Ausstellung vorbereitet wurden, gab es eine unangenehme Überraschung. Susanne Anna, Direktorin des Stadtmuseums, untersagte die Hängung von zwei Bildern. Die Kunsthistorikerin, die das Museum seit 2003 leitet, war zu einer persönlichen Stellungnahme, wie es dazu kommen konnte, nicht bereit, sondern ließ stattdessen eine Sprecherin der Stadt antworten. Demnach sei die Entscheidung „nach sorgfältiger Prüfung und im Einklang mit dem Hausrecht des Stadtmuseums getroffen“ worden. Die Sprecherin geht nicht auf die Bilder ein oder erläutert, was an den Bildern falsch oder gefährlich sei, sondern belässt es bei der Ordre-par-Mufti-Begründung „Im vorliegenden Fall wurden die Werke aufgrund von antisemitischen, sexistischen und hetzerischen Inhalten nicht in die Ausstellung integriert“. Der Behauptung, die Entscheidung sei „in enger Abstimmung“ mit dem Düsseldorfer Aufklärungsdienst erfolgt, widerspricht der Verein. Schließlich habe Vorstandsmitglied Hans-Joachim Horn versucht, Bilderrahmen mit QR-Codes zu den abgehängten Bildern anzubringen. Auch das wurde vom Museum untersagt. Und das, obwohl die Sprecherin der Stadt schreibt: „Das Stadtmuseum fungiert lediglich als Ausstellungsraum“.

Meinungsfreiheit muss zur Ideologie passen

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Als Bürger der Stadt Düsseldorf möchte ich nicht bevormundet werden. Ich möchte selbst anhand von Fakten entscheiden, was sexistisch, antisemitisch oder hetzerisch ist. Die Zeiten, in denen die Obrigkeit für den Bürger entschied, was „entartete Kunst“ ist, sind glücklicherweise vorbei. Oder vielleicht auch nicht. Wenn ein Stadtmuseum dem Bürger vorschreibt, was er sehen darf und was nicht, sind die Stadtoberen auf dem falschen Weg. Und dann muss eine Museumsdirektorin überlegen, ob sie den Begriff der Kunstfreiheit richtig verstanden hat – und ob sie an der richtigen Stelle ist. Das gilt übrigens nicht nur für Düsseldorf.

Auch wenn es völlig unerheblich ist, um welche Bilder es geht, soll ein Blick auf die Kunstwerke verdeutlichen, wie absurd die Zensur ist. Bei dem Holzschnitt Peace von Anika Danielle Wagner sind ein Loch und ein paar schlecht gezeichnete Penisse zu sehen. Die Ironie ist dem Werk eingeschrieben. Von Antisemitismus, Hetze oder Sexismus ist hier ideologiefrei nichts zu erkennen. Ahmad Rafi hat die Klagemauer auf den Koran gemalt, ein Akt, der provozieren soll. Rafi selbst schreibt über Klagemauer auf Koran: „Für dogmatische Muslime ist der Koran ein heiliges Buch – es ist Blasphemie, darauf zu malen. Schlimmer ist es, wenn das gemalte Bild die Darstellung eines anderen Heiligtums ist. Ebenso steht für dogmatische Juden die Klagemauer als heiliger Sakralbau. Es ist genauso blasphemisch und abwertend, sie auf dem Koran darzustellen. Nun stehen beide Heiligtümer in meinem Werk in einer untrennbaren Situation dicht beieinander. Wollte man versuchen, sie durch einen Gewaltakt voneinander zu trennen, würde man beide Heiligtümer verstärkt respektlos behandeln. Mein Werk komponiert beide Symbole so nah beieinander, wie es in der Realität der Fall ist. Aus dieser Realität entsteht die Allegorie, die die dogmatische Denkweise herausfordert.“ Wenn solche Werke nicht mehr in einem Stadtmuseum möglich sind, ist der Begriff der Kunstfreiheit ad absurdum geführt.

Es ist eigentlich nicht vorstellbar, dass die Aktion des Stadtmuseums nicht mindestens zu einer Diskussion in der Stadtgesellschaft führt. Dazu müsste allerdings die örtliche Presse darüber berichten. In den lokalen Tageszeitungen herrscht Stillschweigen. Einzig der Online-Dienst Neue Düsseldorfer Online-Zeitung hat einen Artikel dazu veröffentlicht. Überregional findet sich ein Beitrag im Humanistischen Pressedienst. Die Haltung der örtlichen Presse ist so erschreckend wie der Vorgang an sich.

Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst musste sich dem Diktat des Hausherrn beugen. Das bedeutete aber nicht, dass die Bilder aus der Nominierungsliste entfernt wurden. Vielmehr sind sie dort noch zu sehen. Ebenso wie das Werk Where are we now, das die Künstler Sabine Reibeholz und Marc von Reth aus Protest gegen die Anordnung des Stadtmuseums aus der Ausstellung nahmen. Am 28. September findet die Preisverleihung statt. Sie wird via Livestream im Netz übertragen. Dann wird sich zeigen, was die Düsseldorfer Bürger davon halten, wenn ein Museum die Kunstfreiheit missachtet: Ahmad Rafi wird den diesjährigen Publikumspreis erhalten.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es eine weitere Ausstellung des DA! Art Award im Stadtmuseum Düsseldorf nicht geben wird. Das teilte Ricarda Hinz, Vereinsvorsitzende beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst, mit.

Michael S. Zerban