O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

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Kunststücke

Faszination der Sicherheit

Sie haben einst Menschenleben gerettet – und wenn sie es müssten, könnten sie es auch heute noch. Nach Ansicht der einen verschandeln sie das Stadtbild und sollten dringend entfernt werden, andere sehen darin durchaus immer noch ein Sinnbild der Sicherheit. Wo man sie lässt, bemächtigt die Kultur sich gern dieser Bauten. So wie im Düsseldorfer Stadtteil Bilk. Hier soll eine Vielfachnutzung den Bilker Bunker für Besucher attraktiv gestalten.

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Ihre Geschichten ähneln sich so wie ihr Aussehen. Im Zweiten Weltkrieg wurden in deutschen Städten massive Betonbunker hochgezogen, um die Bürger vor Bombardements aus der Luft zu schützen. Es waren keine architektonischen Schönheiten, aber sie retteten Leben. Nach dem Krieg empfand eine Bevölkerung im unbedingten Glauben an einen nun immerwährenden Frieden sie eher als Schandmale, die es zu beseitigen gälte. Das Problem dabei war ihr Daseinszweck. So massiv gebaut, dass sie den Bomben aus der Luft standhalten konnten, reißt man die monströsen Betonbauten nicht einfach ab.

So wie an der Straßenkreuzung Aachener Straße und Karolingerstraße im Düsseldorfer Stadtteil Bilk. Hier war gar die Angst der Nachbarschaft vor den Folgeschäden eines Abrisses für die anliegenden Häuser so groß, dass eine Bürgerinitiative gegründet wurde, um den Rückbau des 1944 fertiggestellten Luftschutzbauwerks Nr. 25 zu verhindern. Der Abrissantrag wurde zurückgezogen. 1995 bereits hatte die graue Außenfassade von einer internationalen Künstlergruppe unter der Leitung von Klaus Klinger das Gemälde Zeitreisende verpasst bekommen, das man bis heute betrachten kann. Ab 2016 übernahm eine Projektentwicklungsgesellschaft die Aufgabe, den Bunker neuen Aufgaben zuzuführen. So wurden auf dem Dach in zwei Geschossen Kuben aufgebaut, die nun als Wohnraum zum Verkauf stehen. Direkt darunter können im dritten und vierten Obergeschoss künftig Showrooms angemietet werden. Ebenfalls vermietet werden Fahrradstellplätze im zweiten Obergeschoss und Multifunktionsräume im Tiefkeller. Im Keller gibt es eine Musikbar, die abends geöffnet hat und am Wochenende mit Musikveranstaltungen für junge Leute aufwartet. Ach ja, die Kunst. Für die ist Platz auf rund 450 Quadratmetern im Erd- und ersten Obergeschoss, wobei die Eingangshalle und eine Verkaufsstelle mit eingerechnet werden.

Noch bis zur ersten Januarwoche des kommenden Jahres findet hier die erste Ausstellung unter dem Titel Vom Schutzraum zum Freiraum statt. Thematisiert wird in der Sammelausstellung mit sieben Künstlern die Entwicklung des Bunkers vom lebensrettenden Rückzugsraum zu einem Raum für Kunst und Kultur.

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Die Vorfreude auf diese Ausstellung nimmt schon an der Kasse ein jähes Ende, wenn die junge Frau dort die Gelegenheit nutzt, Besucher mit männerdiskriminierendem Gender-Jargon zu überfallen. Und ideologisch korrekt übermittelt sie Hinweise zum Besuch nur bruchstückhaft, ist stattdessen sehr darum bemüht, die deutsche Sprache zu verhunzen. Solche ideologischen Auswüchse haben in einem Gebäude, das die Nationalsozialisten errichtet haben, schon eine gewisse Pikanterie. Erst ein eisiger Blick bringt sie zum Schweigen. Solchermaßen vergrätzt, kann man die Video-Installationen von Florian Etti nutzen, seinen Ärger wieder abzuschütteln. Der Bühnen- und Kostümbildner zeigt hier metaphernhaft den Aufstieg Phoenix‘ aus der Asche. Spannender im Kontext der Bunker-Geschichte sind die Aussagen von Zeitzeugen, die ebenfalls als Videos gezeigt werden. Einen Gesamtzusammenhang zur Geschichte der Bunker in der Bundesrepublik stellt Boris Becker her, wenn er Fotografien von anderen Hochbunkern in Deutschland zeigt. Ebenfalls im Erdgeschoss sind Arbeiten von Felix Schramm und der Malerin Mara Lilli Bohm zu sehen.

Vom ersten Obergeschoss aus bekommt man einen schönen Einblick in die Ästhetik der Ausstellungsräume, die den ungeschönten Betoncharme des Bunkers beibehalten haben und sich damit bewusst gegen den „White Cube“ anderer Museen abgrenzen wollen. Im Eingangsbereich sind von Moritz Karweick unter anderem glasierte Keramiken zu sehen. Für seine Werkserie Dark Site nutzt Schramm unter anderem originale Staub- und Abfallrelikte aus der Umbauphase des Bunkers. Fotografien der Künstlerin Rosell Messeguer zeigen Bunker in Spanien als Repräsentanz militärischer Stärke einer Nation. Eines der eindrucksvollsten Stücke der Ausstellung ist sicher die Skulptur Weil die Linie leichter ist als Luft, die eine eigene „Abteilung“ auf der Ebene bekommen hat. Dankenswerterweise gibt es Sitzgelegenheiten. Und die sollte man auch nutzen, um das an der Kasse ausgehändigte Informationsmaterial – trotz zahlreicher Rechtschreib- und Grammatikfehler – zu sichten, denn Kuratorin Christina von Plate hat darauf verzichtet, die Ausstellungsobjekte mit Beschreibungen zu versehen. Darüber kann man in einer Zeit, in der Kulturarbeiter bei jeder sich bietenden oder auch unpassenden Gelegenheit das Wort Nachhaltigkeit im Munde führen, sicher diskutieren.

Als erste Ausstellung darf man hier sicher zu einem gelungenen Einstand gratulieren, was die ausgestellten Künstler betrifft. Ob es dem Bilker Bunker tatsächlich gelingt, sich als neuer, zusätzlicher Kunstraum in der Landeshauptstadt zu etablieren, wird man dann ab kommendem Januar sehen.

Michael S. Zerban