O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Album

Sensibel interpretierte Kleinode

Du heil’ge Nacht! Bald ist’s vollbracht. Bald schlaf ich ihn, den langer Schlummer, der mich erlöst von allem Kummer“: Es sind Töne von berührender Schönheit, die Franz Schubert bei einem seiner bekanntesten Lieder Nachtstück zu Papier gebracht hat. Es strahlt Ruhe und Geborgenheit aus und handelt von einem alten Einsiedler, im Einklang mit sich und der Welt, der im Mondschein in die Natur zieht und dort vom Tod davongetragen wird. Das Stück wurde zum Titel des ersten Albums Nachtstücke des jungen Duos Amaris erwählt, das jetzt bei Paschen Records erschienen ist.

Aber nicht nur der Liederfürst Schubert, der „Urvater“ des Kunstliedes kommt noch unter anderem mit den Kleinoden Nachtgesang, Die Nacht, Nachtviolen zu Wort, sondern auch andere, zum Titel des Albums passende, klug zusammengestellte Lieder dreier Komponisten wurden aufgenommen. Eröffnet wird der Tonträger mit Mélodies I und II, wie auch Romance und Les Angélus von Claude Debussy mit nachdenklicher Zerbrechlichkeit und schillerndem Glitzern. Zwei spanische Komponisten sind in dieser kontrastreichen Werkfolge ebenfalls zu erleben: Enrique Granados mit Auszügen aus seinen Tonadillas en estile antiguo mit nächtlichen Begegnungen unterm Fenster mit Charme und Schalk sowie Manuel De Fallas Siete canciones populares Espanolas mit Eifersuchtsarien, Wiegenliedern oder dem bloßen und stillen Weinen in der Natur.

Und alle Lieder wurden für Gitarre arrangiert vom männlichen Teil des Duos, Jesse Flowers, einige teilweise auch gemeinsam mit seinem ehemaligen Lehrer Tilman Hoppstock. Das ist durchaus legitim, denn von Schubert ist überliefert, dass er selbst eine Gitarre besaß und auf Reisen auch zum Komponieren benutzte. So gilt etwa gesichert, dass er das Lied Nacht ursprünglich für Gesang und Gitarrenbegleitung komponierte. All diese Miniaturen werden von Flowers mit unterschiedlichen Klangfarben, Spieltechniken und Artikulationen der Gitarre wohltönend und sensibel musiziert und zu einem reizvollen Ganzen gefasst, wodurch sich neue atmosphärische Welten erschließen lassen.

Allen Kleinoden schenkt die junge Julias Spies ihren unverbrauchten, hellen, glockenreinen Mezzosopran. Ungemein feinsinnig, gefühlvoll berührend ist ihre Interpretation. Sie singt sie zudem mit exemplarischer Wortdeutlichkeit und wunderbarer Phrasierung.

Spies, 1988 in der Nähe von Heidelberg in Deutschland geboren, studierte Gesang in Detmold und Köln. Sie ist freiberuflich als Konzert-, Opern- und Ensemblesängerin tätig. Besonders für ihre Liedinterpretationen wurde sie bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Flowers, 1994 in Australien geboren, ebenfalls vielfach preisausgezeichnet, studierte Gitarre in Australien, Darmstadt sowie Berlin und gastiert mittlerweile als Solist und mit Solorecitals weltweit. Beide fanden nach der erfolgreichen Teilnahme beim Deutschen Musikwettbewerb 2016 als Duo Amaris zusammen.

Das Booklet der CD liefert reichlich Hintergrundinformationen zum Werk, aber auch ausführliche Biografien zu den Künstlern. Klar und brillant ist ohne Einschränkung der Ton.

Helmut Christian Mayer