O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Michael S. Zerban - Foto © Michaela Büttgen

Kommentar

Lasst Zahlen sprechen

Im Januar dieses Jahres hat Uwe Eric Laufenberg seine Arbeit als Intendant des Staatstheaters Wiesbaden mit sofortiger Wirkung beenden müssen – „in gegenseitigem Einvernehmen“, ließ das Ministerium für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur des Landes Hessen verlauten. Da hatte Laufenberg bereits die alljährlich stattfindenden Internationalen Maifestspiele des Staatstheaters geplant. Fast möchte man sagen: Gegen alle Widerstände. Deshalb lohnt ein dezidierter Blick auf die „letzte Amtshandlung“ des widerständigen Managers.

Intendant Uwe Eric Laufenberg – Foto © Christine Tritschler

Es wird so nicht in den Geschichtsbüchern stehen, aber Uwe Eric Laufenberg hat in seinem Leben viele Erfolge feiern können. Als Schauspieler, er studierte Schauspiel an der Folkwang-Universität Essen, Regisseur im deutschsprachigen Raum und Intendant in Potsdam, Köln und Wiesbaden. Weder Opportunismus noch diplomatisches Geschick gehörten in seiner beruflichen Laufbahn zu seinen hervorstechenden Eigenschaften. Und daran scheiterte letztlich auch der Versuch, seine zehnjährige Intendanz am Hessischen Staatstheater Wiesbaden zu einem vertragsgemäßen Ende zu bringen.

Laufenberg hat nicht verstanden, was die oberste Intendantenpflicht in Deutschland zu sein scheint: Das Haus ruhig und unauffällig zu führen, so dass der politische Betrieb nicht von der Kultur gestört wird. Das war in Köln so, und das war in Wiesbaden so. Dabei war es in den letzten Jahren seiner Intendanz in Wiesbaden schon so ruhig geworden, dass man sich zu fragen begann, ob der Widerständler Laufenberg sich als Made im Speck auf den Ruhestand vorbereitete. Inzwischen wissen wir es besser. Wie schon in Köln schien es wieder der Geschäftsführer zu sein, der die Fallstricke ausbreitete. Und wieder waren es die Politiker, die zwar gern den Kulturmanager ans Haus holten, um für exorbitante Erfolge in schwierigen Zeiten zu sorgen, aber offenbar den Charakterkopf nicht mochten, der mit Missständen immer gleich an die Öffentlichkeit geht. Da war selbst in Wiesbaden für Laufenberg nicht mit Rückhalt zu rechnen, als die Krise am Staatstheater ruchbar wurde und weder Stadt noch Land adäquat darauf reagierten.

Also feuerte der neu gewählte Kulturminister den Intendanten kurzerhand. In der Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur des Landes Hessen hieß das dann, man habe sich „in gegenseitigem Einvernehmen“ voneinander getrennt, aber wir sind der Floskeln überdrüssig. Das Halbjahr, das Laufenberg noch für seine Intendanz verblieb, hätte man gut nutzen können, um die Missstände am Staatstheater aufzuarbeiten. Das hatte der Intendant sich verscherzt. Seine Ankündigung, die Opernsängerin Anna Netrebko bei den Internationalen Maifestspielen auftreten lassen zu wollen, obwohl das ja derzeit so gar nicht angebracht zu sein scheint, die „Drohung“, die Korrespondenz des Redakteurs einer Tageszeitung im theatralen Spiel offenlegen zu wollen: Solche Pläne beinhalten Sprengstoff, den das Ministerium anscheinend gern umgehen wollte.

Was man nicht mehr vermeiden konnte, waren die Internationalen Maifestspiele. Die waren unter der Ägide Laufenbergs geplant und organisiert, da hätte auch das interimistische Leitungsteam, das rasch installiert wurde, nur noch mit größtem Image- und wirtschaftlichem Schaden etwas ändern können. Dass überdies der Gestaltungswille fehlte, war ebenso klar. Denn so sehr Laufenberg, der als Chef auch durchaus mal poltern kann, in politische Ungnade fällt, steht seine – künstlerische – Belegschaft wie damals in Köln so auch heute in Wiesbaden geschlossen hinter ihm. Andererseits, mag man sich aus politischer Sicht gesagt haben, was soll schon groß passieren? Anna Netrebko würde das Publikum schon ganz allein boykottieren, und der mögliche Eklat über die Korrespondenz des Journalisten mit dem Staatstheater war mit dem absoluten Wirkungsverbot Laufenbergs – keine Auftritte, keine Regie, keine Intendanz – gebannt.

Dass das Publikum nun gerade die Maifestspiele mit besonderem Interesse verfolgen könnte, musste man in Kauf nehmen. Und die Ergebnisse, so das Festival nicht ohnehin im Fiasko endete, würde man anschließend schon kleinreden können. Ganz so einfach hat es Laufenberg seinen Gegnern allerdings nicht gemacht. „Es ist schön zu sehen, dass das Publikum die außerordentliche künstlerische Qualität unseres diesjährigen Programms so dankbar angenommen hat“, zieht Schauspieldirektor Wolfgang Behrens Bilanz. „Damit können wir das Kapitel Maifestspiele in der Intendanz Laufenberg erhobenen Hauptes abschließen“, benennt er deutlich den Vater des Erfolgs.

Die Zahlen überzeugen in der Tat. Nicole Tharau, Leiterin Kommunikation und Marketing am Staatstheater, hat sie jetzt in einer Pressemitteilung bekanntgegeben. Danach konnte „gegenüber dem Vorjahr eine Einnahmesteigerung von 55 Prozent erzielt werden“. Insgesamt haben rund 28.000 Menschen die Vorstellungen besucht – im Vorjahr waren es gut 22.000 – und damit für eine Rekordeinnahme von mehr als einer Million Euro gesorgt, übrigens erstmalig in der Geschichte des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Die Auslastung lag im Durchschnitt bei etwa 90 Prozent, in etlichen Produktionen konnte das Theater „ausverkauft“ melden.

Ach ja, und die beiden Opernaufführungen Turandot mit Netrebko? Hier hatte ja selbst die politische Spitze der Kommune vor einem Auftritt gewarnt. Da hat das Publikum eindeutig entschieden. Beide Vorstellungen waren bis auf den letzten Platz verkauft. Was noch einmal einen besonderen Blick auf den Gestaltungswillen der Politik wirft. Die scheint sich mehr und mehr von denen zu entfernen, die sie eigentlich vertreten soll. Der eindrucksvolle Erfolg der Maifestspiele zeigt rückblickend die Fehlentscheidung des Ministers.

Der Abgang Laufenbergs war unwürdig und ist spätestens aus heutiger Sicht eine Entschuldigung der Politiker wert, die ihn ungerechtfertigt wie eine heiße Kartoffel haben fallen lassen. Er kann also tatsächlich „erhobenen Hauptes“ das Kapitel Hessen hinter sich lassen. Es ist nicht damit zu rechnen und auch nicht wünschenswert, dass er nun in den Vorruhestand entschwindet. Unangepasste wie ihn braucht das deutsche Musiktheater. Und wenn er darauf verzichtet, seine Wiesbadener Erlebnisse in Buchform zu gießen, ist auch alles in Ordnung. Aber das ist eine andere Geschichte.

Michael S. Zerban

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