O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Michael S. Zerban - Foto © Klaus Handner

Kommentar

Nachwuchsförderung

Oper – das Wort allein verbreitet noch immer einen Glanz über einer Stadt, ob manche Leute das wollen oder nicht. Die „Hochkultur“ hebt die Stadt über das Mittelmaß. In der Landeshauptstadt Düsseldorf wirkt man diesem Eindruck jetzt nachhaltig entgegen. Während andere Städte sich darum bemühen, mit großen Namen zu punkten, setzt die Deutsche Oper am Rhein auf Nachwuchs.

Vitali Alekseenok wird Chefdirigent der Deutschen Oper am Rhein – Foto © Liliya Namisnyk

Die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg steht vor großen Veränderungen. Das ist unstrittig. Das bestehende Operngebäude zwischen Altstadt und Hofgarten in Düsseldorf ist so marode, dass der Stadtrat beschlossen hat, ein Neubau müsse her. Inzwischen gibt es einen weiteren Beschluss, der immerhin den Standort der neuen Oper an dem der alten festschreibt. Dass die Grünen anschließend auf einer Versammlung beschlossen haben, die neue Oper sei zu teuer, weil man erst mal neue Radwege bauen müsse, hat bislang keinen Einfluss auf die bestehenden Ratsbeschlüsse. Der Versuch, aus einer Metropole ein Kuhdorf zu machen, könnte ungehört verhallen. Wenn beispielsweise die Oper starke Signale für ihr Fortbestehen in der Landeshauptstadt setzt.

Andere Opernhäuser in großen Städten achten darauf, die Position eines Generalmusikdirektors, also des musikalischen Leiters des Hauses, möglichst namhaft zu besetzen, um allein über die Person des leitenden Dirigenten überregionale Strahlkraft zu erlangen. Auch in Düsseldorf hätte diese Möglichkeit bestanden, denn Axel Kober, der bisherige GMD, gibt seine Position nach 15 Jahren auf. Gespannt wartete die Öffentlichkeit darauf, welchen Coup Generalintendant Christoph Meyer landen könnte. Und Meyer ließ die Menschen warten. Einen Monat länger als angekündigt. Da haben beispielsweise verschiedene Frauen in der jüngsten Vergangenheit durchaus auf sich aufmerksam gemacht wie Anna Skryleva, die gerade ihre Aufgaben als Generalmusikdirektorin in Magdeburg beendet. Neben Adam Fischer in der Tonhalle hätte das Eindruck geschunden und Erwartungen geschaffen. Meyer, dem das Geschick der Oper ab 2027 ziemlich egal sein kann, weil er dann in Rente geht, entschied anders.

Der Intendant als feudaler Herrscher über Personalien, die eine ganze Stadt betreffen? In der Tat. Keine öffentliche Ausschreibung, keine Findungskommission, es reicht nach Angaben des Hauses, wenn der Aufsichtsrat der „künstlerischen Entscheidung“ zustimmt. „Ein herausragender Erfolg: HfM-Alumnus Vitali Alekseenok wird in der kommenden Spielzeit Chefdirigent an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg. Wir gratulieren herzlich!“ lässt die Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar verlauten. Und aus ihrer Sicht ist das ja wirklich Grund zur Freude. Hat der 32-jährige Weißrusse doch gerade im vergangenen Jahr sein Studium dort beendet. Vom Studenten zum Generaldirektor? Das gibt es sonst nur in Familienunternehmen. Aber so ist es ja in Düsseldorf auch nicht. Der Titel des Generalmusikdirektors wird ohne Not hergeschenkt. „Ab der Spielzeit 2024/25 übernehme ich als Chefdirigent die meisten Aufgaben einer GMD-Position“, gibt Alekseenok zu Protokoll. Die Medien druckten bundesweit die Jubel-Pressemitteilung zur Bekanntgabe des neuen Chefdirigenten mehr oder minder redigiert ab. Das spricht für Fassungslosigkeit oder Desinteresse. Wer will das noch diskutieren wollen?

Ohne dem Nachwuchsdirigenten zu nahe zu treten: Starke Signale sehen anders aus. Da wird sich so mancher, der ein Abonnement kaufen wollte, überlegen, ob die Preise noch in Relation zum zu erwartenden Musikgenuss stehen. Aus Sicht Meyers ist bis zur Pension alles geregelt. Er kann nun – mit dem dankbaren Adlatus am Pult – die kommenden vier Jahre in Ruhe aussitzen. Und das Dorf an der Düssel bekommt die Oper, die ihm angemessen ist. Was nach 2027 mit der Oper geschieht, kann Meyer letztlich herzlich egal sein. Es lebe der Nachwuchs.

Michael S. Zerban

Kommentare geben die persönliche Meinung  des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von O-Ton wieder.