O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Michael S. Zerban - Foto © Lennart Rauße

Kommentar

Lehrstück für Intendanten

Kaum eine Institution, kaum ein Festival kommt heute noch ohne Sponsoren aus. Dabei zählt häufig genug nur noch, wie viele Sponsoren mit welchen Summen „eingesammelt“ werden. Wohin es führt, wenn Augenmaß durch Gier ersetzt wird, zeigen gerade das Düsseldorf-Festival und die Metro.

Andreas Dahmen und Christiane Oxenfort sind die Künstlerischen Leiter des Düsseldorf-Festivals. – Foto © Susanne Diesner

Kultursponsoring ist so cool. Ein Unternehmen gibt einer kulturellen Institution wie einem Opernhaus oder einem Festival möglichst viel Geld, dafür darf es sich im Glanz der kulturellen Leistungen sonnen. Das ist toll für das Unternehmen, und das ist ein Segen für das – bleiben wir beim Festival. Früher zählte es zu den wichtigsten Aufgaben eines Intendanten, Sponsoren zu finden, die zum Haus passten und bereit waren, sich in die Gepflogenheiten einzufügen. Anzeigen im Programmheft, Werbung auf den Eintrittskarten, ein Fahrtdienst vom Autohersteller, eine kleine Produktausstellung außerhalb des Zentrums, ein paar Plakate, Aufsteller, all das kann den Rahmen gestalten, in dem eine Win-win-Situation entsteht, also alle Vertragspartner ihre Vorteile ziehen. Genau: Vertragspartner. Es gibt kein Sponsoring ohne Vertrag, in dem nicht alle Einzelheiten festgelegt werden. Die Intendanz hat dabei nicht nur das Wohl des Hauses, sondern vor allem auch das Wohl des Publikums im Auge zu behalten.

Es ist ein offenes Geheimnis und überall zu beobachten, dass Sponsoren immer mehr in geschützte Bereiche vordringen und es immer weniger Intendanten gibt, die den Riegel vorliegen, wenn es zu bunt zu werden droht. Es wird ihnen leichtgemacht. Längst sind Sponsorengelder keine nette Bereicherung für Sonderaufgaben mehr, sondern fester Bestandteil von Haushalten. Aber: Brechen die Dämme, ist Holland in Not. Die Gültigkeit dieser Binsenwahrheit führt derzeit das Düsseldorf-Festival vor. Und es fing scheinbar gut an. Die Leiter des Düsseldorf-Festivals, Christiane Oxenfort und Andreas Dahmen, konnten für dieses Jahr das Handelsunternehmen Metro als „Premiumsponsor“ gewinnen. Wohlgemerkt, es gibt einen Vertrag, aus dem für alle Beteiligten klar hervorgeht, welche Rechte und Pflichten sie haben. Gäbe es diesen Vertrag nicht, wäre es kein Sponsoring, sondern Geklüngel.

Mitte September beginnt das Festival. Die Vorbereitungen der Metro haben schon begonnen. Sie hat ihre Pläne vorher verkündet. Auf einer Wiese im Norden der Düsseldorfer Altstadt soll ein 50 mal 30 Meter großer, doppelstöckiger Bau in einer Höhe von 12 Meter mit einem Aussichtsturm in Höhe von 16 Metern entstehen. Die Inhalte der dort geplanten Ausstellung haben ganz sicher überhaupt nichts mit dem Festival zu tun, sondern dienen dazu, die Neuaufteilung des Handelsunternehmens bekannt zu machen. Um den Bau für drei Wochen zu errichten, sollen gar Bäume „umgepflanzt“ werden. Die Anwohner beschweren sich. Die Stadt erteilt alle notwendigen Genehmigungen. Von den Inhalten des Festivals ist auch in den Zeitungen keine Rede mehr. Inzwischen sind die Bäume „selbstverständlich“ gefällt. Renaturierungsversprechen des Handelsunternehmens wirken hohl, insbesondere sind die Düsseldorfer richtig sauer, die viel Geld gespendet haben, um die Schäden von Sturm Ela im Baumbestand zu beheben und nun zuschauen müssen, wie Bäume gefällt werden, weil eine aus Sicht eines Festivals vollkommen überflüssige Produktausstellung stattfinden soll.

Neben dem Image-Schaden für das Unternehmen, das sich hier in bester Großmannssucht präsentiert, muss sich wohl vor allem die Intendanz des Festivals fragen lassen, ob sie die Relationen des Sponsorings noch im Griff hat oder sich vielmehr von wirtschaftlichen Interessen vor einen Karren spannen lässt, der nicht nur die Außenwirkung des Festivals, sondern auch der teilnehmenden Kirchen und der Stadt Düsseldorf in den Dreck fährt. Denn von Festspielen für die Wirtschaft, die nicht nur die Bedürfnisse der Bürger, sondern auch die Natur verhandelbar machen, ist Kultur kaum vermittelbar. Für Intendanten, die über dem Wohl der Sponsoren das Interesse des Publikums aus den Augen verlieren und das gern auch noch mit finanziellen Notwendigkeiten begründen, ist das diesjährige Düsseldorf-Festival mit Sicherheit ein Lehrstück, solche Auswüchse für das eigene Unternehmen zu vermeiden. Denn irgendwann kommt der Zeitpunkt, an das Publikum mit den Füßen entscheidet. Und das ist genau dann, wenn das letzte Vertrauen in eine Kulturveranstaltung entschwunden ist.

Michael S. Zerban