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Nachruf

Nachruf auf Sir Peter Jonas

Nach einem über 40-jährigen währenden Kampf gegen diverse Krebsarten verstarb Sir Peter Jonas am 22. April im Alter von 73 Jahren.

Sir Peter Jonas – Foto © privat

Als Staatsintendant der Bayerischen Staatsoper von 1993 bis 2006 war Sir Peter Jonas ein Inbegriff für viele Eigenschaften – für klare Konzepte, mutige Angriffe nach vorne, unglaubliche Ausdauer, für endlose und leidenschaftliche Kreativität, oft kombiniert mit unendlich distanziertem Humor.  Und wer ihn jemals in seinem bescheidenen Büro besuchte, wird die Handgranate auf seinem Schreibtisch nicht so leicht vergessen. Nach der sehr verdienstvollen, aber doch etwas konservativen Intendanz von Wolfgang Sawallisch, brachte Sir Peter einen frischen Wind, kommunikative Gewandtheit und diplomatische Eloquenz, die ihm die Türen der Politiker, Gesellschaft und Sponsoren bereitwillig öffnete.

Als großer Händel- und Monteverdi-Liebhaber holte er viele Produktionen aus seiner Zeit als Generaldirektor von der English National Opera 1984 bis1993 nach München, oft unter gehöriger Kritik. Hierfür brachte er Dirigenten, die als Spezialisten für diese Ära galten, allen voran Ivor Bolton.  Jonas galt vor allem als großer Erneuerer und Visionär der Bayerischen Staatsoper. Ihm war es wichtig, den Elite-Staub wegzuwischen und einem großen und auch jüngeren Publikum zu zeigen, wie aktuell und zugänglich die Opern aus vergangenen Jahrhunderten sein können. 90 Neuproduktionen sind es geworden, die in seiner Zeit entstanden sind, darunter auch sechs Uraufführungen. Er hat das Konzept von „Oper für alle“ durchgesetzt, das von vielen anderen Opernhäusern aufgegriffen wurde. Oft nutzte er Kunst, um auf die ehrwürdige Institution der Bayerischen Staatsoper aufmerksam zu machen – wer kann jemals die 4000 Gartenzwerge des Künstlers Ottmar Hörl, auf dem Theaterplatz vor der Oper, anlässlich der Opernfestspiele 1998 vergessen.

Die traditionellen Repertoire-Werke von Wagner, Verdi, Strauss und Puccini waren oft in den Händen von seinem Generalmusikdirektor Zubin Mehta, mit dem ihn ein geniales Teamspiel verband. Für diese Produktionen engagierte Jonas Regisseure, die zeitgenössische Regiekonzepte für diese Stücke entwickelten. Hierfür gab es ebenso Lob als Erneuerer der Kunstform wie auch heftige Kritik als Förderer von „Eurotrash“. Die Bayerische Staatsoper wurde wieder Tagesgespräch, zog zigtausende Opernliebhaber in die Stadt und wurde mit einer Auslastung von 95 bis 98 Prozent eines der finanziell erfolgreichsten Opernhäuser der Welt.

„Seit der Ära Jonas hört das Publikum in München (auch) mit den Augen“, würdigte Nikolaus Bachler, sein Nachfolger, sein Werk.

Peter Jonas wurde am 14. Oktober 1946 in London als Sohn eines deutschen Vaters und einer Mutter mit spanisch-libanesisch-schottischen Wurzeln geboren. Zu besonderen Anlässen trug er den Kilt mit Klan-eigenen Karo mit Stolz und Elan. Er studierte zunächst englische Literatur an der University of Sussex, danach Oper und Musikgeschichte am Royal Northern College of Music in Manchester, Royal College of Music in London und Eastman School of Music in Rochester, New York.

1974 brachte ihn Sir Georg Solti als seinen Assistenten zum Chicago Symphony Orchestra.  1978 wurde er dessen künstlerischer Betriebsdirektor und blieb dort bis Mitte der 1980-er Jahre. Die English National Opera ernannte ihn 1984 zum Generaldirektor, und hier entfaltete er sein Talent als kongenialer Künstlerischer Leiter und Administrator. Für seine Verdienste wurde er von Queen Elisabeth II im Jahre 2000 in den Adelstand als Ritter erhoben.

München hatte Sir Peter schon in den 80-ern kennengelernt, da er mit der Sopranistin Lucia Popp liiert war und sie sehr häufig an der Bayerischen Oper wie auch bei den Salzburger Festspielen auftrat. Erst nachdem er seine Intendanz 2006 abgab, zog er mit seiner Ehefrau, der Konzertmeisterin Barbara Burgdorf, nach Zürich. Mit ihr erfüllte er sich einen Traum: Vom nördlichsten Schottland bis nach Palermo auf Sizilien – zu Fuß. In Etappen wanderten beide die etwa 5000 Kilometer und vollendeten dieses „Werk“ 2015.  Auf seinem Facebook-Konto berichtete er immer aktuell von seinen Fort-Schritten.  Als großer Befürworter für die Europäische Union waren ihm diese vielen menschlichen Begegnungen ebenso wichtig wie die Erfolge auf den Bühnen. Nun ist er allein zu seiner letzten Wanderung aufgebrochen.

Zenaida des Aubris