O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Nachruf

Nachruf auf Horst Dichanz

Im Alter von 86 Jahren ist der Kollege Horst Dichanz in Coesfeld verstorben. Ein persönlicher Nachruf von Michael S. Zerban

Horst Dichanz – Foto © privat

Zur einzigen Mitarbeiterversammlung des Kulturmagazins Opernnetz, die je stattfand, brachte der Gründer, Franz R. Stuke, einen Freund aus Studientagen mit. Horst Dichanz war im Ruhestand und interessierte sich dafür, bei Opernnetz mitzuarbeiten. Am Ende der Veranstaltung war er Feuer und Flamme für das Rezensionsportal, vor allem, weil es sich zu einem Kulturmagazin weiterentwickeln wollte. Es war der Beginn einer viele Jahre währenden Zusammenarbeit, die über ein rein kollegiales Miteinander hinausging.

1937 in Gelsenkirchen-Buer im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen, besuchte Horst dort die Volksschule und das Gymnasium, das er mit dem Abitur abschloss. Nach Studium und Schuldienst promovierte er 1969 an der Universität Münster zum Dr. phil. Er arbeitete am Deutschen Institut für Fernstudien in Tübingen und wurde anschließend Professor für Pädagogik zunächst in Bielefeld, dann an der Fernuniversität Hagen, an deren Aufbau er mitwirkte. Dichanz vertrat die Fächer Erziehungs- und Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Medienwissenschaften, die er auch in Lehraufträgen an den Universitäten Münster, Bielefeld, Bochum, Tübingen, Kassel, Rostock und Potsdam lehrte. In Rostock war er zudem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats „Weiterbildung“. Bei zahlreichen Auslandsaufenthalten unter anderem in Griechenland, den USA, in Pakistan und Sri Lanka war er als Gast oder Visiting Professor tätig. 2002 beendete Dichanz seine Arbeit an der Fernuniversität und ging in den Ruhestand, blieb Forschung und Lehre aber vielfach verbunden.

Schon früh interessierte Horst Dichanz sich für das Leben und die Kultur auch in anderen Ländern. Bereits 1956 reiste er mit einer Jugendgruppe nach Island, war mehrfach in Kanada, den USA und Israel. Sein erster Besuch von Südafrika begann 2005 mit einer Reise nach Kapstadt und Stellenbosch. Khayelitsha ist ein Township am Rande Kapstadt. Dort lernte er mehrere Xosha-Frauen kennen, die ein Waisenhaus mit bis zu 60 Kindern unterhalten, viele von ihnen Aids-Waisen. Ein Besuch mit Folgen: Seitdem unterstützte er das Projekt Intyatyambo mit Spenden aus Coesfeld, wo er inzwischen eine neue Heimat gefunden hatte. Die Faszination Südafrikas mit all seinen Gegensätzen ließ ihn nicht mehr los. In zahlreichen Vorträgen berichtete er darüber, so zum Beispiel 2013 in der Fotoausstellung Geschichten, Mythen und Masken aus Afrika. Es war ihm stets ein Anliegen, junge Leute zu motivieren, andere Länder und Kulturen kennenzulernen. Die schönste Form des Reisens war für ihn allerdings das Segeln. Da ging es gern mal durch das Mittelmeer oder auch auf den Lake Michigan. Als seine Gesundheit diese Form des Reisens nicht mehr ermöglichte, betrübte ihn das eine Weile, hielt ihn aber nicht davon ab, weiter das Ausland zu bereisen.

Seit 2011 engagierte er sich dann damals noch bei Opernnetz. Zunächst als Korrespondent, später als Redakteur lag ihm am Herzen, die Weiterentwicklung des Magazins mitzutragen. Und so sind nicht nur zahlreiche Rezensionen von ihm erhalten, sondern zunehmend auch Beiträge, die sich mit der kulturellen Entwicklung in Deutschland beschäftigten. In den letzten Jahren bemühte er sich zudem verstärkt darum, die kulturellen Aktivitäten in seiner Heimat Westfalen sichtbarer werden zu lassen. Als Gastgeber, der gern ein offenes Haus pflegte, lud er 2016 zu der Redaktionssitzung auf die heimische Terrasse in Coesfeld, bei der die Umbenennung von Opernnetz in O-Ton beschlossen wurde. Wie es seiner Art entsprach, unterstützte er den Veränderungsprozess mit konstruktiver Kritik. Freundlich, diskussionsfreudig, hellwach und immer empathisch – so werden mir unsere Telefonate und Begegnungen in mehr als zehn Jahren seines Engagements in dankbarer Erinnerung bleiben.

Über Krankheiten sprach Horst auch im Alter allenfalls als zu überwindende Schwierigkeiten, Klagen war ihm fremd. Nur die körperlichen Einschränkungen ärgerten ihn, weil er ja noch so viel vorhatte. „Leider muss ich mir eine ganze Reihe von Konzerten, Festival et cetera bis auf Weiteres verkneifen, ich bin noch nicht stabil genug. Mir fällt es schwer, mich aller Aktivitäten zu enthalten, bis ich wieder einiges tun kann. Aber es ist wohl sehr unsicher …“, schrieb er in seinem letzten Brief an mich. Das war im Mai dieses Jahres. Als er am 13. September mit 86 Jahren einschlief, waren seine letzten Atemzüge ganz friedlich, berichtet seine Lebensgefährtin, die die letzten Stunden bei ihm verbrachte. Er hinterlässt zwei Kinder und zwei Enkelkinder.

Wir, und damit spreche ich auch im Namen der Kollegen bei O-Ton, haben ihn als weltoffenen, den Menschen zugewandten, lebensfrohen Mann kennengelernt, der stets um den hohen Stellenwert der Kultur in Deutschland und der Welt bemüht war. Er wird fehlen.

Michael S. Zerban