O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Hintergründe

Eine Frage der Haltung

Josef E. Köpplinger ist in seiner zwölften Spielzeit Intendant des Gärtnerplatztheaters in München und nebenbei ein vielgefragter Regisseur. Andreas H. Hölscher hat sich mit ihm getroffen und über seine vielfältigen Aufgaben, die Herausforderungen im Kulturbereich und verschiedene seiner Inszenierungen gesprochen und dabei zum Teil Erstaunliches erfahren.

Josef E. Köpplinger – Foto © Markus Tordik

Es ist ein nasskalter Nachmittag im Dezember in München, das Staatstheater am Gärtnerplatz ist bereits weihnachtlich geschmückt und beleuchtet. Abends steht ein ungewöhnlicher Liederabend auf dem Programm. Brüderlein und Schwesterlein ist er übertitelt, die Geschwister Anna und Daniel Prohaska geben sich an diesem Abend das erste Mal gemeinsam auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters die Ehre. Doch bevor sich hierfür der Vorhang hebt, nimmt sich Josef E. Köpplinger, Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Zeit für ein Gespräch mit O-Ton. Seit 2012 ist Köpplinger, der 1964 in Niederösterreich geboren wurde, Intendant und hat in dieser Zeit zusätzlich als Regisseur gut zwei Dutzend Werke neu inszeniert oder zur Aufführung gebracht, und das mit sichtbarem Erfolg, wenn man die hohe Auslastungsquote von durchschnittlich 95 Prozent als Kriterium anführen möchte. Neben dem Intendanten und dem Regisseur soll das Gespräch auch den Menschen Köpplinger zeigen, wie er denkt und von welchen Werten er sich leiten lässt.

Köpplinger studierte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Neben der Ausbildung zum Pianisten wurde er als jüngster Spielleiter 1988 an die Städtischen Bühnen Regensburg engagiert. Seine Regiekarriere führte ihn von Wien über Deutschland in die Schweiz, nach Frankreich, England, Amerika und Japan. Sein Repertoire umfasst alle Sparten von Schauspiel über Oper bis zu Operette und Musical. Für das Musicalfestival Schloss Prugg in Niederösterreich wurde er 1999 zum jüngsten Intendanten Österreichs berufen. Von 2004 bis 2007 war Köpplinger Schauspielintendant am Theater St. Gallen in der Schweiz und wurde 2007 zum Intendanten des Stadttheaters Klagenfurt berufen. Diese Funktion hatte er von 2007 bis 2012 inne, bevor er an das Gärtnerplatztheater München wechselte.

Hier inszenierte er seitdem unter anderem die Operette Im weißen Rössl von Ralph Benatzky, das Musical Anything Goes von Cole Porter, die Uraufführung von Friedrich Cerhas Oper Onkel Präsident, Der Mann von La Mancha, ein Musical von Mitch Leigh, die kontinentale Erstaufführung des Musicals Tschitti Tschitti Bäng Bäng der Brüder Richard und Robert B. Sherman, Die Zirkusprinzessin von Emmerich Kálmán, das Musical Cinderella von Richard Rodgers mit Gesangstexten von Oscar Hammerstein II; die Musical-Uraufführung Gefährliche Liebschaften von Marc Schubring und Wolfgang Adenberg; Singinʼ in the Rain; Das Lächeln einer Sommernacht von Stephen Sondheim; die Operette Viktoria und ihr Husar von Paul Abraham; die Uraufführung von Johanna Doderers Oper Liliom, für die er gleichfalls als Librettist verantwortlich zeichnete; Die Faschingsfee, wieder von Emmerich Kálmán; Jesus Christ Superstar von Andrew Lloyd Webber; Die lustige Witwe von Franz Lehár; My Fair Lady von Frederick Loewe; die Operetten-Uraufführung Drei Männer im Schnee von Thomas Pigor; On the Town, das erste Musical von Leonard Bernstein; die Musical-Comedy Non(n)sens von Dan Goggin, die Uraufführung von Johanna Doderers und Peter Turrinis Oper Schuberts Reise nach Atzenbrugg; Rossinis Der Barbier von Sevilla; Mozart muss sterben; Die Fledermaus von Johann Strauß; Die Großherzogin von Gerolstein von Jaques Offenbach; sowie Mozarts Hochzeit des Figaro, Die Zauberflöte und in Vorbereitung das Musical Les Misérables von Claude-Michel Schönberg und Alain Boublil, das er grade mit einem Riesenerfolg in St. Gallen zur Aufführung gebracht hat.

Für sein Schaffen erhielt Köpplinger unter anderem 2013 den Kulturpreis Bayern und 2018 den Kulturpreis der Bayerischen Landesstiftung. 2019 wurde er für seine Inszenierung der Uraufführung Drei Männer im Schnee mit dem Deutschen Musical-Theater-Preis ausgezeichnet, 2020 erhielt er die Orpheus-Nadel für besondere Verdienste um das Genre Operette. In der Saison 2017/18, der ersten Saison nach der fünfjährigen Generalsanierung des Hauses, die im Oktober 2017 mit einer Wiedereröffnungs-Gala begann, konnte Köpplinger eine Platzauslastung von 96 Prozent erzielen. Im Juli 2021 wurde sein Intendantenvertrag um weitere vier Jahre bis Ende August 2027 verlängert. Anfang Februar 2024 wurde sein Vertrag vorzeitig um weitere drei Jahre bis 2030 durch den bayerischen Kunstminister Markus Blume verlängert. „Alle lieben das Gärtnerplatztheater – und Intendant Josef Köpplinger ist der kreative Kopf dieser Theatermagie. Die bunte Mischung aus klassischen Opernproduktionen, Operetten, Musicals und experimentierfreudigem Tanztheater bei hohem künstlerischem Anspruch macht einfach Spaß und zieht Groß wie Klein in den Bann des Theaters. Unter seiner Leitung hat das Haus große künstlerische Erfolge zuhause in Bayern sowie internationale Beachtung erzielt. Ich freue mich sehr, dass Josef Köpplinger mit kreativer Energie, Einfallsreichtum und Feingefühl seinen Zauber am Gärtnerplatztheater bis 2030 fortführt“, begründete Blume die Entscheidung. Und wie sehr Köpplinger mit dem Gärtnerplatztheater und seinem Ensemble verbunden ist, lässt sich aus seiner Reaktion auf das Angebot der Vertragsverlängerung erahnen: „Ich folge gerne dem Wunsch des Kunstministeriums und dem einstimmigen Votum des Ministerrats, diesem wunderbaren Ensemble und allen Kolleginnen und Kollegen bis 2030 weiterhin vorstehen zu dürfen. Gemeinsam werden wir am Profil eines offenen, der Freiheit der Kunst keine Grenzen setzenden Musiktheaters weiterarbeiten. Ganz im Sinne von Friedrich Hebbel: ‚Die Kunst ist das Gewissen der Menschheit‘. Ich bedanke mich für das Vertrauen.“ Fast schon folgerichtig wurde Köpplinger nur drei Wochen nach der vorzeitigen Vertragsverlängerung in Anerkennung seiner Verdienste um die Kultur in Bayern von der Landtagspräsidentin Ilse Aigner der Bayerische Verfassungsorden verliehen. „Höchst erfolgreich verfolgt er sein selbstgesetztes Ziel, aus dem Staatstheater am Gärtnerplatz nicht bloß ein ‚zweites‘, sondern ein ‚anderes‘ Opernhaus zu machen und damit die kulturelle Vielfalt Bayerns zu gestalten“, hieß es dazu in der Laudatio.

Köpplinger war und ist auch als Regisseur außerhalb von München sehr aktiv und erfolgreich. Vor allem in Wien hat er sich durch mehrere Inszenierungen einen Namen gemacht. An der Volksoper inszenierte er die Oper Der Evangelimann von Wilhelm Kienzl, Rossinis Barbier von Sevilla sowie Ariadne auf Naxos von Richard Strauss, die er auch am Staatstheater Nürnberg zur Aufführung brachte, sowie 2021 den Rosenkavalier, den er zwei Jahre zuvor schon an der Oper Bonn zur Aufführung gebracht hat. Im Wiener Theater in der Josefstadt die Tragikomödie Das weite Land von Arthur Schnitzler als Koproduktion mit dem Stadttheater Klagenfurt sowie das Zaubermärchen Der Bauer als Millionär von Ferdinand Raimund. An der Wiener Staatsoper debütierte Köpplinger 2018 mit Gottfried von Einems Dantons Tod, und Bernsteins West Side Story inszenierte er an der Oper Graz. Sogar im fernen Tokio feierte sein Il barbiere di Siviglia einen großen Erfolg. In Deutschland inszenierte er unter anderem Verdis La Traviata am Aalto-Theater Essen, Kálmáns Die Zirkusprinzessin an der Deutschen Oper am Rhein in Duisburg sowie Offenbachs Großherzogin von Gerolstein und Mozarts Zauberflöte an der Semperoper Dresden.

Was steckt hinter dem Erfolg als Regisseur, als Intendant? Was für eine Persönlichkeit verbirgt sich hinter Josef E. Köpplinger? Sein Intendantenbüro ist luftig, mit einer freundlichen Sitzecke und einem kleinen Schreibtisch. Kein großartig repräsentativer Raum, mehr funktional und überhaupt nicht das, was man vielleicht erwarten würde, aber das passt auch nicht zu Köpplinger. Mit seinem Hoody und seinem obligatorischen Basecap wirkt Köpplinger auch äußerlich unkonventionell, den Anzug zieht er nur an, wenn er auf die Bühne muss, was an diesem Abend noch der Fall sein wird.

Vorfreude und Schrecksekunde

Denn Anna Prohaska, die mit ihrem Bruder Daniel einen ganz besonderen Liederabend geben wird, ist akut erkrankt. Köpplinger hat jahrelang versucht, die beiden gemeinsam für ein Konzert nach München zu holen, doch zu divergent waren die langfristigen Verpflichtungen beider Künstler. Nun hatte es endlich funktioniert, dann die Schreckensnachricht am frühen Morgen. Anna Prohaska war mit einem Infekt aufgewacht, und die Stimme war weg, der Alptraum eines jeden Sängers. Doch eine Konsultation beim HNO-Arzt und eine Notfallmedikation sorgten dafür, dass die Sängerin nicht absagen musste, zu groß war die Vorfreude auf das gemeinsame Konzert mit dem Bruder.

Köpplinger wird es sich dann auch nicht nehmen lassen, die Geschwister persönlich anzusagen, um Verständnis für Annas mögliche Indisposition zu bitten und gleichzeitig auch nicht zu verschweigen, dass Bruder Daniel bereits am Abend vorher ein großes Händel-Oratorium gesungen und im Laufe des Tages eine komplette Bühnenprobe für die Wiederaufnahme der Fledermaus absolviert hat.

Theater für das Publikum

Foto © Ludwig Olah

Sein aktuelles Projekt ist das Musical Les Misérables von Claude-Michel Schönberg, das am 22. März 2024 am Gärtnerplatz unter Köpplingers Regie Premiere hatte. Es ist eine Koproduktion mit dem Theater St. Gallen, und dort fand Mitte Dezember die überaus erfolgreiche Premiere statt. Seit 2010 hatte Köpplinger versucht, die Rechte an dem Musical für das Gärtnerplatztheater zu bekommen, und das lange Warten und zähe Ringen hat sich gelohnt. Sein Credo lautet: „Ich mache Theater für das Publikum“. Er erläutert das am Beispiel der neuen Produktion, wo Heldentum in Frage gestellt wird, und wo er deutliche Parallelen zur heutigen Zeit sieht. Er verrät, dass das Zitat Voltaires „Jeder Fanatismus endet in Fatalismus“ als Leitmotiv auf den Vorhang projiziert wird. Die Protagonisten in St. Gallen waren gemischt, Musicalsänger gemeinsam mit Opern- und Operettensängern, darunter auch einige vom Gärtnerplatztheater, die dann im März vor heimischem Publikum zu sehen und zu hören sein werden. Köpplinger schwärmt von der großen Künstlerfamilie, die er in St. Gallen zur Verfügung gehabt hat, und über die Intensität der Darstellung. Wörtlich sagt er: „Die haben die Seele auf die Bühne gekotzt.“ Man spürt in diesem Moment, dass Köpplinger vom Schauspiel kommt, auch wenn er Musik, Klavier und Gesang studiert hat. Der vielseitige Künstler präsentiert bei aller Euphorie über eine gelungene Produktion sein nächstes Credo, was vielleicht auch ein Schlüssel zu seinem Erfolg ist: „Ich verlange vom Schauspiel die Musikalität der Sprache und beim Musiktheater die Qualität eines Schauspiels.“ Am Schluss des Gespräches wird Köpplinger sein Credo noch einmal aufgreifen und sagen, dass er sich manchmal wie die Gräfin in Capriccio fühle. Es ist der alte Streitfall der Musikgeschichte, den Richard Strauss in seiner letzten Oper aufs Tableau bringt: „Wort oder Musik?“ Wem gebührt der Vorrang in der Oper? Für Köpplinger funktioniert das eine ohne das andere nicht, und von diesem Anspruch weicht er auch nicht ab. Von den Angehörigen seines Ensembles erwartet er, dass sie die Vorgaben erfüllen.

Mittlerweile ist die Premiere von Les Misérables auch in München mit stehenden Ovationen gefeiert worden, wieder einmal ist seine erfolgreiche Konzeption trotz einiger vertraglicher Restriktionen seitens der Rechteinhaber zum Tragen gekommen.

Köpplinger hat einige seiner Inszenierungen in Co-Produktionen angelegt, was natürlich einerseits große Synergieeffekte bringt, andererseits für die betreffenden Theater Kosten reduziert. Dabei ist es für Köpplinger völlig unerheblich, an welchem Theater die Produktion zuerst startet. Ein Beispiel dafür ist die Buffo-Operette Die Großherzogin von Gerolstein von Jaques Offenbach, zunächst mit großem Erfolg an der Semperoper Dresden gezeigt, mit der Köpplinger sein Regiedebüt an diesem Haus gab. Die Besetzung ist ein Mix aus Ensemblemitgliedern aus Dresden und München mit Anne Schwanewilms als Zugpferd in der Titelrolle. Das Konzept geht auf, auch wenn die Aufführung gezeigt hat, dass eine große Opernsängerin noch lange keine große Operettendiva ist. Zwei Jahre später dann die erfolgreiche Premiere am Gärtnerplatztheater, noch bunter, noch schriller, mit einem Tenor in der Hauptrolle, um die Burleske, die Bourgeoisie und vor allem die Travestie bei Offenbach noch deutlicher herauszustellen. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob ein Tenor in der Rolle einer Sopranistin dem musikalischen Anspruch gerecht werden kann, aber spielerisch und für den künstlerischen Ausdruck der Inszenierung war die Besetzung nicht nur ein Coup, sondern auch eine Weiterentwicklung der Inszenierung. O-Ton berichtete aus München.

Gleiches trifft auf Mozarts Zauberflöte zu, die Köpplinger ebenfalls zunächst an der Semperoper inszenierte, allerdings nicht als Co-Produktion. Die Inszenierung litt unter den erschwerten Bedingungen und Auflagen während der Corona-Pandemie, wo auf der Bühne Abstand eingehalten werden musste und auch nur wenige Zuschauer live dabei sein konnten. Auch hier gab es mit Klaus Florian Vogt als Tamino wieder ein Zugpferd, dessen Zeit als reiner Mozarttenor längst überschritten ist. Am Gärtnerplatztheater konnte Köpplinger seine Inszenierung weiterentwickeln, ohne die einschränkenden Auflagen und fast ausschließlich mit Ensemblemitgliedern des Gärtnerplatztheaters. Auch hier konnte der Regisseur seine Inszenierung verfeinern und in eine neue Richtung führen, basierend auf seinem Dresdner Grundkonzept. Der Intendant schwärmt von seinen Münchner Protagonisten als „Mozartensemble“, und diese Charakterisierung trifft bei der Zauberflöte in jeder Hinsicht zu. Hier wich Köpplinger im Übrigen von seiner sonst üblichen Besetzungspraxis ab und holte keinen geringeren als René Pape für die Rolle des Sarastro, den er auch schon in Dresden gesungen hatte. Pape gab mit der Produktion sein spätes Hausdebüt am Gärtnerplatztheater und bereicherte das Ensemble ohne jegliche Starallüren. Auch so kann man Erfolge feiern, und das Publikum dankt es mit Ovationen und ausverkauften Vorstellungen. Vielleicht auch ein Grund, warum das Publikum des Gärtnerplatztheaters in einer Umfrage eines Kulturmagazins zum „Publikum des Jahres 2023“ nominiert wurde.

Zwischendurch klingelt das Handy von Josef E. Köpplinger, und der Anrufer ist Daniel Prohaska, der besorgt ist wegen des gemeinsamen Liederabends mit seiner Schwester Anna in wenigen Stunden. Einerseits ist da die Ungewissheit, ob Anna überhaupt singen kann, andererseits hat Daniel am Abend vorher ein Händel-Oratorium gesungen und am Vormittag eine Durchlaufprobe für die Wiederaufnahme der Fledermaus gehabt. Eine nachvollziehbare stimmliche Belastung für den Tenor. In dem Telefonat zeigt Köpplinger, dass er auch Psychologe ist. Er beruhigt Prohaska, zeigt ihm seine sängerischen Stärken auf und ist überzeugt, dass auch Anna es gut über die Bühne bringen wird. Es sind zwar keine guten Voraussetzungen für einen perfekten Liederabend, aber der Wunsch nach dem einmaligen gemeinsamen Konzert ist größer als alle rationalen Bedenken. Und beide seien sehr nervös, wie Köpplinger mit einem leichten Schmunzeln feststellt.

Uneingeschränkter Respekt

Foto © Wilfried Hösl

Nach der kurzen Unterbrechung kommt Köpplinger auf seine Produktion Die Fledermaus, seinen hintergründigen Humor und auf das Thema Regietheater zu sprechen. Für Köpplinger besteht Modernität nicht im Anziehen von anderen Kleidungsstücken, sondern von einer Haltung der Menschen, „dass man Menschen auf die Bühne bringt“. Da ist Otto Schenk sein Vorbild, der Menschen inszeniert habe. Köpplinger outet sich aber auch als Fan von Tobias Kratzer, dessen klar geführte Personenregie etwas von Poesie habe. Ein stilistischer Ausdruck, der dem Theatermann wichtig ist. Für Köpplinger ist ein Problem des deutschsprachigen Theaters, dass es sich immer weiter nach vorne entwickeln muss, was er für einen Anflug von Arroganz erachtet. Er bleibe da lieber konventionell. Und im Hinblick auf eine durchschnittliche Auslastung des Theaters von etwa 95 Prozent wird Köpplinger nicht müde zu betonen, dass das kein Selbstläufer sei, sondern täglich harte Arbeit. Und dann wird er deutlich: „Wir müssen hinterfragen, was die Aufgabe des Theaters in der heutigen Zeit ist. Wir brauchen nicht noch einmal irgendeine Nachrichtenshow und Hypercharakterisierung, sondern es müssen Themen aufgegriffen werden, die über Geschichten, mit oder ohne Musik, mit oder ohne Tanz, einfach die Seelen der Menschen erreichen, dass neben der geistigen auch die etwas vernachlässigte Herzensbildung stattfindet.“ Seine vielfältigen Inszenierungen der letzten Jahre sind Beweis dafür, dass das Credo Köpplingers nicht nur eine schöne Floskel, sondern gelebte Theaterwelt am Gärtnerplatztheater ist.

Als Gesprächspartner ist Köpplinger sehr offen in seiner Diktion, wägt seine Worte nicht wie ein Politiker ab, sondern ist sehr direkt und ehrlich mit seinen Statements. Das macht ihn authentisch und sympathisch zugleich. Wenn er über seine Rolle als Intendant spricht, dann gibt er freimütig zu, dass ihn eine „Machtposition“ nie interessiert habe.  Er erzählt von einer Begebenheit, die er an einem anderen Theater erlebt hat, als er es ablehnte, einen jungen Sänger mit einer Rolle zu betrauen, für die der in seiner stimmlichen Entwicklung noch nicht weit genug sei. Der betroffene Künstler sah das anders und warf Köpplinger Machtmissbrauch vor. Köpplinger spricht in dem Zusammenhang auch von fehlendem Respekt und einer fatalen Entwicklung in den sozialen Medien von Befindlichkeiten und einer „Weicheiergesellschaft“, in der wir leben. Es sind deutliche Worte, die Köpplinger verwendet, die aber authentisch sind und den Menschen Köpplinger hinter den Positionen des Intendanten und Regisseurs ehrlich machen. Auch wenn er augenscheinlich locker und verbindlich wirkt, ist er in seiner Funktion als Intendant oder Regisseur klar und stringent. Er verdeutlicht, dass alle im Theater, von der Reinigungskraft bis zum GMD, seinen uneingeschränkten Respekt haben, den er aber auch genauso einfordert. In erster Linie müssten aber seine Leute funktionieren. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, das gilt auch und gerade am Gärtnerplatztheater.

Auch über das Thema „Cancel Culture“ lässt er sich aus und erzählt tief betroffen von der Produktion Johnny spielt auf von Ernst Krenek in der Inszenierung von Peter Lund am Gärtnerplatztheater, die er nach Morddrohungen gegen sich und vor allem gegen den Hauptdarsteller vor zwei Jahren abgesetzt hatte. Was war passiert? Zum ersten Mal seit fast hundert Jahren stand Jonny spielt auf wieder auf dem Spielplan des Gärtnerplatztheaters, und wieder wurde die Titelfigur zum Stein des Anstoßes. Regisseur Lund wollte die historischen Umstände der Erstaufführung in seiner Inszenierung thematisieren, weshalb er, wie damals üblich, den weißen Bariton schwarz schminken ließ. „Blackfacing“ nennt sich diese Praxis, nach einem ursprünglich amerikanischen Diskurs, der inzwischen das Schminken explizit als schwarz ausgewiesener Figuren auch aus der europäischen Opernszene verbannt hat. Nach der Premiere gab es Proteste, Aktivistengruppen organisierten sich und kritisierten in einem offenen Brief „die Reproduktion der rassistischen Kulturpraxis Blackfacing“; es gab die Forderung nach einer sofortigen Absetzung der Inszenierung und Aufrufe, den Vorstellungen der Produktion fernzubleiben.

Köpplinger gab nach, und ab der dritten Vorstellung entfiel das „Blackfacing“. Dabei hatte Lund genau das getan, was im Diskurs über das „Blackfacing“ immer wieder gefordert wurde: Er kontextualisierte es, unterstützt von einem Artikel im Programmheft. Natürlich hätte er auch einen schwarzen Sänger beschäftigen können, sah aber gerade im Umgang mit dem weißen Ensemblemitglied eine Möglichkeit, das Schminken kritisch zu reflektieren. Der Darsteller schminkte sich denn auch keineswegs vollständig, sondern schminkte sich auf der Bühne selbst das Gesicht als Maske, später entfernte er sie wieder. Außerdem traten in der Inszenierung schwarze Tänzer auf, die den Vorgang kommentierten und während der Proben nach ihrer Meinung gefragt wurden. Trotz des Nachgebens, trotz Kontextes und Erklärung, es gab am Ende Morddrohungen gegen den Bariton und gegen Köpplinger selbst. Um den Sänger zu schützen, setzte Köpplinger die Produktion dann komplett ab, da für ihn mit Morddrohungen gegen ein Ensemblemitglied und gegen sich selbst eine rote Linie überschritten wurde. In dem Gespräch wird deutlich, wie tief diese Anfeindungen den sonst so fröhlichen und humorvollen Intendanten und Regisseur getroffen haben. Dennoch bleibt er seiner Linie und seiner Haltung treu.

Er sagt zu der Diskussion, was man auf der Bühne noch darstellen darf, ganz klar: „Man darf alles darstellen, mit der richtigen Haltung! Ansonsten fände eine Cancel-Culture statt, wo man sich ganz schnell in Metternichs Zensurzeitraum wiederfindet“. Theater müsse die Freiheit haben. So lehnt er es zum Beispiel ab, „Trigger-Warnungen“ vor einer Aufführung herauszugeben, da er dem Publikum selbst die Entscheidung überlassen möchte, sich unvoreingenommen mit einer Produktion zu befassen.

Beziehungsgeflechte und Humor

Nach diesem doch sehr emotionalen Kapitel spricht Köpplinger über Beziehungsgeflechte in seinen Inszenierungen und über seinen vordergründigen und manchmal durchaus skurrilen und schrägen Humor. Für ihn ist es wichtig, dass man dabei immer noch das Werk wiedererkennen kann. Sein Lieblingsautor ist William Shakespeare, der seine Stücke eigentlich für einfache Menschen geschrieben hat. Wenn er sich eine Welt wünschen dürfte, dann wäre es eine Welt vom Sommernachtstraum. Ins Schwärmen gerät er dann bei Mozarts Hochzeit des Figaro, wo jeder Satz im Libretto analysiert wurde. Wie er den Pulsschlag in Susannas Rosenarie im vierten Akt empfindet, die die Arie für ihren frisch angetrauten Figaro singt, das sei eine dieser Geschichten, die seiner Sinnlichkeit entsprächen. Und für ihn ist der Humor extrem wichtig, er lache gern und kann überhaupt nicht verstehen, dass das großartige Satirestück Little Britain abgesetzt wurde, weil sich da wieder irgendwelche Leute betroffen fühlen. Er findet die Absetzung „entsetzlich und unverzeihlich“.

Mit seinen letzten beiden Neuinszenierungen von der Hochzeit des Figaro und der Fledermaus hat Köpplinger in München vorgelegt, die Bayerische Staatsoper zog mit beiden Werken nach. Am Silvester-Abend gab es sogar parallel zwei Fledermaus-Vorstellungen in München, und beide Vorstellungen, sowohl am Gärtnerplatztheater als auch an der Staatsoper, waren ausverkauft. Die Doppelungen der Werke in einer Stadt sind für Köpplinger überhaupt kein Problem, da solche Werke an beide Häuser gehören. Außerdem spreche man sich schon etwas ab, und mit Barrie Kosky, dem Regisseur der Fledermaus an der Staatsoper, sei er eng befreundet. Er habe aber auch keinerlei Intentionen, in Konkurrenz zur Staatsoper zu treten, was im Übrigen auch gar nicht möglich sei. Er findet die Situation, wie sie sich in München darstellt, mit den beiden Häusern und den unterschiedlichen Zielgruppen, aber auch dem unterschiedlichen Preisgefüge, völlig in Ordnung. Es müsse neben einem durchaus elitären Theater auch ein Haus geben, dass sich Familien noch leisten können. Deswegen seien auch die Doppelungen kein Problem. Sie würden halt das spielen, was sie können.

Natürlich wäre auch das Gärtnerplatztheater in der Lage, den Fliegenden Holländer zu spielen, aber warum sollte man das machen, wenn es so viel Repertoire gibt. Gleiches gilt für Richard Strauss. Neben der Ariadne auf Naxos wäre noch das Intermezzo denkbar, das wolle er aber nicht spielen. Köpplinger vergleicht sein Haus mit einem guten Feinkostladen, wo man alles bekommt, aber sie seien kein Supermarkt. Die maximal acht Premieren pro Spielzeit würden sich verteilen auf zwei Ballettaufführungen, die auch schon mal mit einer Ballettoper kombiniert würden, einer Operette, einem Musical und einer Kammerproduktion, so dass pro Spielzeit nur noch Platz für drei neue Opernproduktionen sei, mit dem man Spieloper, Belcanto und Barockoper abdecke. Das alles mit einem festen Ensemble von rund vierzig Damen und Herren, die etwa 120 Abende pro Jahr bespielen müssten, was schon ein enormes Pensum darstelle.

Die Frage, ob ein Rosenkavalier am Hause denkbar sei, beantwortet Köpplinger mit einem „Ja, das ist möglich, aber zuerst muss eine Ariadne kommen“. Köpplinger kommt dabei auf ein weiteres Lieblingsthema in seinen Inszenierungen zu sprechen, die Rolle von „Eros und Thanatos“. Und einen weiteren wichtigen Punkt fügt Köpplinger an, nämlich die Wirtschaftlichkeit der Kunst ernst zu nehmen. Wenn er, was er gerne mal machen möchte, für das Herrenensemble Benjamin Brittens Oper Billy Budd und für das Damenensemble die Oper Bernarda Albers Haus von Aribert Reimann auf die Bühne brächte, dann wisse er genau, dass sich die beiden Produktionen nicht einfach verkaufen ließen. Das müsse man abfangen können. Hier habe er als Intendant auch eine wirtschaftliche Verantwortung gegenüber dem Haus, und da reichten die Subventionen nicht. Vor leerem Hause zu spielen, das könne man sich am Gärtnerplatztheater einfach nicht leisten.

Musikalische Prägung durch Franz Schubert

Josef E. Köpplinger hat durch sein Musikstudium, einschließlich Klavier und Gesang, einen ganz besonderen Zugang zur Musik. Einer seiner Lieblingskomponisten ist Franz Schubert, den er viel am Klavier gespielt habe und er sich bei der Musik vorgestellt habe, was der Mann alles durchgemacht haben muss. In diesem Zusammenhang kommen wir auf die Uraufführung der Oper Schuberts Reise nach Atzenbrugg zu sprechen, die im April 2021 unter Corona-Bedingungen auf die Bühne gebracht wurde. Köpplinger, der bei diesem Stück selbst Regie geführt hat, hatte die Komponistin Johanna Doderer bereits 2016 während der Arbeiten zur Oper Liliom, dem ersten Auftragswerk Doderers für das Gärtnerplatztheater, um die Komposition einer Schubert-Oper angefragt. Der Schriftsteller Peter Turrini konnte dafür als Librettist gewonnen werden. Schuberts Reise nach Atzenbrugg ist eine Reise einer fröhlichen, jungen und schönen Gesellschaft. Der Grundton ist heiter: Da wird gefeiert, getanzt, gelacht und gesungen. Das Stück muss ja lustig sein, damit der Ernst klar wird. Es gibt in der Oper die Wegelagerer, die Kriegskrüppel. Die sind immer präsent, ohne eine wirkliche Rolle zu haben. Das eigentlich Interessante ist aber, dass sie Schubert symbolisieren. Der ist nämlich, inmitten der fröhlichen Reisegesellschaft, zornig auf sich selbst, weil er es nicht schafft, Josepha für sich zu erobern. Da ist er in seiner Stimmung manchmal den Kriegskrüppeln näher als seinen engsten Freunden, die ihn vergöttern und bejubeln, sagt Doderer. Das Libretto von Peter Turrini, im Wiener Dialekt geschrieben, unterstreicht die dramatischen Passagen der Musik und zeichnet ein Psychogramm eines einsamen, alkoholabhängigen und nervlich und körperlich am Boden liegenden Sonderlings, der nur durch seine Musik sprechen und seine Gefühle nicht anders ausdrücken kann.

Für Köpplinger ist die Produktion eine ganz besondere, die auch das Publikum „geflasht“ habe, und Johanna Doderer sei seine „Kompositeurin in Residence“, von der es in Zukunft noch ein drittes Werk gäbe. Die Doderer sei hier auch ganz besonders auf die Sänger eingegangen, insbesondere auf Daniel Prohaska, den Darsteller der Titelrolle. Und mit einem gewissen Stolz sagt Köpplinger über die Inszenierung, dass sich da die „Vollkommenheit eines ganzen Ensembles aufgezeigt habe, durch die Bank, wo es einfach gestimmt hat.“ Und auch das Publikum habe das Werk gut aufgenommen, auch bei der Wiederaufnahme nach der Corona-Pandemie, mit einer Auslastung von bis zu 80 Prozent, was er als „durchaus erstaunlich“ bezeichnet.

Und dann kommt er wieder auf Schubert zu sprechen. Die Winterreise habe er selbst gesungen, ganz brauchbar, wie er mit einem Schmunzeln zugibt. Doch dann wird er wieder ernst, wenn er über Schuberts Impromptus Op. 90 Nr. 1 in c-Moll zu sprechen kommt.  „Wie der Mensch mutig komponiert hat, auch mit leeren Quinten und leeren Oktaven, und sich über ein simples, fast martialisches Thema, das immer so an den Tod erinnert, an einen Trauermarsch, und das dann in einem strahlenden C-Dur endet, in einer Verklärung oder in dem Wunsch nach Verklärung.“ Hier spricht nicht nur ein Regisseur, hier spricht auch der Musiker und Künstler.

Überhaupt ist das Thema „Uraufführung“ am Gärtnerplatzthema ein ganz besonderes. Neben Schuberts Reise nach Atzenbrugg gab es in der jüngeren Vergangenheit die Uraufführung der skurril-witzigen Revueoperette Drei Männer im Schnee von Thomas Pigor.  Erich Kästners Roman Drei Männer im Schnee aus dem Jahre 1934 wurde schon häufig inszeniert und verfilmt, war aber als Musiktheater bisher noch nicht zu sehen. Köpplinger gab dem Musikkabarettisten Thomas Pigor einen Schreib- und Kompositionsauftrag, und am 31. Januar 2019 feierte die Revueoperette Drei Männer im Schnee ihre Uraufführung. Während Pigor für das Libretto verantwortlich war, waren es gleich drei Komponisten, die die unterschiedlichen Musikstile erarbeiteten und zu einer herrlich spritzigen, modernen Revueoperette im Stil der dreißiger Jahre zusammenfügten, wie sie so in den Dreißigern in Deutschland nicht geschrieben worden wäre. Auch diese Uraufführung wurde, was bei dem Inhalt und dem Arrangement nicht verwunderlich ist, ein Knüller, der sich immer noch im Repertoire hält. Und im Sommer steht mit Oh! Oh! Amelio! die nächste bunt-schrille Uraufführung von Pigor auf dem Spielplan, auf die man sich gewiss schon freuen darf.

Resümee

Das Gärtnerplatztheater nach der Sanierung – Foto © Christian Pogo Zach

Am Ende des Gesprächs zieht Köpplinger noch einmal ein Resümee seiner bisherigen fast zwölfjährigen Amtszeit und stellt dabei heraus, dass er in dieser Zeit lediglich dreieinhalb Jahre „Normalbetrieb“ hatte. Zu Beginn seiner Amtszeit war der kolossale Umbau des Gärtnerplatztheaters, der fünfeinhalb Jahre dauerte, und im Übrigen trotz der Kosten in Höhe von 120 Millionen Euro einer der günstigsten Theaterumbauten gewesen sei. Und dann kam die Corona-Pandemie mit eingeschränkten Spielmöglichkeiten und Lockdowns über einen Zeitraum von weiteren zweieinhalb Jahren. Aber das waren natürlich auch Herausforderungen, zumal die Funktionen als Intendant und Regisseur zwei ganz unterschiedliche Positionen sind, die beide extrem viel Zeit und Energie beanspruchen. Und dafür brauche man natürlich ausreichende Erfahrung in beiden Positionen, um an einem Haus wie dem Gärtnerplatztheater die Doppelfunktion zu übernehmen. Freimütig bekennt Köpplinger, dass sein Vorvorgänger, Klaus Schultz, ihn schon 2007 als seinen Wunschnachfolger gesehen habe. Er habe das damals aber abgelehnt, weil es für ihn zu früh sei und er sich diese Aufgabe noch nicht zutraute. Eine in diesem Geschäft sehr seltene und ehrliche Form der Selbstreflexion. Mit dem erneuten Angebot, 2012 die Leitung des Gärtnerplatztheaters zu übernehmen, wechselte er dann, mit der zusätzlichen Erfahrung von fünf Jahren als Intendant in Klagenfurt und weiteren Tätigkeiten als Regisseur, endgültig an das Gärtnerplatztheater, wo ihn die gerade beschriebenen Herausforderungen erwarteten, vor allem der Theaterumbau und das Ausweichen auf diverse andere Spielstätten. Das Thema „Theaterumbau“, dass derzeit ja einige Häuser betrifft, sei auch ein kulturpolitisches Problem, und zwar parteiübergreifend, so Köpplinger. Das Thema treibe ihn auch um, was man an seiner klaren Aussage „Kultur ist der einzige Schritt, der uns von der Barbarei trennt“ auch festmachen kann, und er zitiert dabei den Artikel 3 der Bayerischen Verfassung: „Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat“, wobei er dezidiert auf die Einbettung der Kultur zwischen Recht und Sozialem zu sprechen kommt.

Für ihn ist wichtig, dass die Menschen sich die Kultur auch leisten können, und dafür will er auch bis zum Ende seiner Amtszeit arbeiten, um dann das Haus in einem guten Zustand an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu übergeben, dass sei sein Wunsch. Dann gibt Köpplinger auch lachend zu, dass er natürlich noch viele andere Wünsche habe, und er erzählt er von seinem Lebenstraum, den er schon lange hat, der sich aber wohl nicht realisieren lasse. Er wünscht sich in einer Großstadt ein kleines, altes historisches Haus mit etwa 450 Plätzen, wo er mit einem kleinen Ensemble von 16 bis 20 Leuten und einem Orchester in derselben Stärke alles machen kann. Von einem Shakespeare’schen Sommernachtstraum über eine Dreigroschenoper bis hin zu einer Offenbach-Operette. Dass man das Theater nicht in eine Schublade stecke, und dass man Musik und Sprache verbinde, was den Bogen zur Ariadne wieder schließt. Das sei sein Traum, den er aber auch am Gärtnerplatztheater so gut es geht zu verwirklichen versuche. Er versuche, „die Fächer aufzureißen“, und die Gescheiten würden mitgehen, dass sei das Gros des Ensembles, und die, die nicht wollen oder sich nicht trauen, die stütze er trotzdem. Er könne nicht „von jedem Puccini-Tenor verlangen, in einer Operette zu singen, und trotzdem würden sie es tun, wenn es die Richtigen sind“. Die aktuelle Besetzung des Tenors Alexandros Tsilogiannis als Graf Stanislaus in der Operette Der Vogelhändler ist dafür der beste Beweis.

Nach weit über einer Stunde intensiven Gedankenaustauschs bleibt etwas Zeit zum Nachdenken über das Gehörte und Erlebte. Josef E. Köpplinger beeindruckt durch seine Offenheit, aber auch durch seine stringente Gedankenführung und Wortwahl. Ein Intendant, ein Regisseur, ein Künstler und Musiker, aber vor allem ein Mensch mit einer klaren Haltung. Dass Köpplinger ein Gewinn für das Gärtnerplatztheater und für München ist, darf man sicher ohne Übertreibung feststellen. Es bleibt zu hoffen und ihm zu wünschen, dass er seine Vorstellungen von einem modernen Theaterbetrieb weiterhin erfolgreich umsetzen kann, und vielleicht wird dann eines Tages der Traum vom kleinen historischen Theater für ihn doch noch wahr.

Andreas H. Hölscher