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Kulturmagazin mit Charakter

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Hintergründe

Feier ohne Gelage

Viele ausgefallene Spielstätten müssen ihre Angebote durch Hochzeits-, Trauer- und andere Familien- oder Firmenfeiern querfinanzieren. Da bildet die Kulturvilla Mettmann keine Ausnahme. In der Regel können die Veranstalter das strikt trennen. Mit dem Tanz in den Mai richtet die Kulturvilla eine Feier aus, die sich an alle Zielgruppen richtet. Eine schöne Gelegenheit, auch mal die „andere Seite“ einer Spielstätte kennenzulernen, die man sonst nur als Ausrichter kulturell hochstehender Angebote kennt. Ein Partybesuch.

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Nein, hier soll nicht die Rede von den Bräuchen der Walpurgisnacht sein. Und es soll auch nicht von den wilden Gelagen gesprochen werden, die man im urbanen Bereich als Tanz in den Mai begeht. Auch, wenn die Jugendlichen es nicht glauben mögen, ab einem gewissen Alter lässt die Lust auf größtmöglichen Alkoholkonsum nach. Dann – und bei den inzwischen exorbitanten Preisen – ist die Stammkneipe vielleicht nicht mehr der geeignete Ort, um in den Mai zu feiern. Aber was unternehmen, wenn das heimische Sofa doch noch zu langweilig ist? Die Kulturvilla Mettmann lädt zu einem Tanz in den Mai ein.

Ein wundervoller, lauer Vorsommerabend lockt die Menschen aus den Häusern. Der Empfangsbereich erinnert so ein bisschen daran, wie es einst in der Beckershoffstraße 20 in Mettmann zugegangen sein könnte, als die Villa im bergischen Stil als Domizil eines Herrenvereins Ende des 19. Jahrhunderts ihre erste Hochzeit erlebte. Vor den Stufen, die zum Eingang hochführen, ist ein Tisch zur Eingangskontrolle aufgebaut. Links davon ein Crêpes-Mobil, aus dem die Verpflegung für den heutigen Abend ausgegeben wird. Dahinter steht das Doppeltor zum Garten offen. In einem schmalen Gang ist links ein kleiner Stand aufgebaut, an dem Lederuntersetzer mit Prägebuchstaben versehen werden. Die Sitzbänke dahinter sind längst belegt. Nach dem Empfang des Stempels und der Wertjetons geht es ins Foyer, in dem heute Abend zusätzliche Stehtische und eine weitere Getränkeausgabe aufgebaut sind. Der Theatersaal ist komplett ausgeräumt, auf der Bühne steht ein Musikpult.

Rasch füllen sich die Räume. Viele der Besucher kennen sich untereinander. Constanze Backes und Bodo Herlyn, Betreiber der Kulturvilla, haben ein Programm vorbereitet. Den Beginn macht eine Gruppe junger Leute, die eigens für diesen Abend zwei Choreografien einstudiert haben. Sie kommen aus der Tanzschule Constanze Krauss aus unmittelbarer Nähe der Kulturvilla. Krauss hat ihre eigene Tanzschule 2004 gegründet und bietet ein umfangreiches Programm an, das weit über die üblichen Kurse hinausgeht. Bewegung zur Musik für jung und alt beschreibt das Angebot wohl eher. Obwohl Krauss selbst an diesem Abend verletzungsbedingt nicht mit dabei sein kann, geben die Jugendlichen die denkbar beste Visitenkarte für ihre Lehrerin ab. Ihr Gruppentanz sprüht vor Vitalität und Freude am Tanz. Ein wunderbarer Auftakt. Das Publikum weiß es zu würdigen.

Es ist erst das zweite Mal, dass Backes und Herlyn den Tanz in den Mai anbieten. Wenn hier trotzdem alles in größtmöglicher Gelassenheit und Professionalität abläuft, liegt das daran, dass die beiden über mehr als ein Jahrzehnt an Veranstaltungserfahrung verfügen. Sei es, dass sie Feiern für andere organisieren, eigene Feste ausrichten oder kulturelle Aufführungen durchführen. Wer heute eine ungewöhnliche Spielstätte betreiben will, ohne sich auf staatliche Unterstützung zu verlassen, kommt mit einem ausgefüllten Spielplan nicht mehr weit. Da muss schon ordentlich querfinanziert werden. Und selbst damit wird es für viele zunehmend schwieriger. Die Kulturvilla ist einstweilen gut aufgestellt, wie auch der Zuspruch an diesem Abend zeigt.

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Mit dem zweiten Programmpunkt der Maifeier wird die Stimmung regelrecht angeheizt. Die gebürtige Mettmannerin Johanna Kliss hat 2020 ihr Musicaldiplom erworben und verdient seither ihr Geld als Sängerin, Stimmtrainerin, Schauspielerin und Sprecherin. Eine ihrer Hauptaufgaben derzeit ist, als Hintergrundsängerin bei der Michael Jackson Tribute Live Experience mitzuwirken, einer Show, die der Kölner Sascha Pazdera seit 35 Jahren auf Europas Bühnen zeigt. Für den Tanz in den Mai bringt Kliss eine eigene Aufführung mit – und Pazdera. Jetzt kann Herlyn zeigen, dass die Kulturvilla auch musiktechnisch brillant ausgerüstet ist, denn die beiden singen live zu Musik von der Festplatte, wechselweise oder im Duett. Mit den Dauerschlagern der 1980-er Jahre treffen sie voll und ganz den Geschmack der Besucher. Ob Footlose, We will rock you, ein Abba-Medley oder direkt auf der Schnellstraße in die Hölle: Das Stimmungsbarometer kennt nur noch eine Richtung, und die zeigt unmittelbar nach oben. Obwohl die Temperaturen im Saal trotz geöffneter Fenster ordentlich steigen, hält das niemanden vom Tanzen ab. Ganz im Gegenteil lassen die Besucher sich gern von der guten Laune anstecken, die die Künstler verbreiten und dabei auch keine Angst haben, von der Bühne herunterzusteigen und sich unter das Volk zu mischen, während Lichtorgel und Disco-Kugel für die richtige Atmosphäre sorgen.

Wenn es am schönsten ist, soll man gehen. Für das verbleibende Publikum wird Nick Parensen im dritten Teil des Abends, den man, eine schöne Idee, auch gesondert besuchen kann, Tanzmusik auflegen. Und Constanze Backes weiß auch schon, dass die großartige Feier vermutlich noch bis zwei Uhr morgens dauern wird. Mit diesem Abend hat sich die Kulturvilla Mettmann – ohne Besäufnis, aber mit einer wunderbaren Party – schon jetzt für das kommende Jahr empfohlen. Denn auch das hat sich Bodo Herlyn fest vorgenommen. Die Neuauflage steht bereits im Plan.

Michael S. Zerban