O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Thomas Schermer

Hintergründe

Neben der Erfolgsspur

Im Juni dieses Jahres beschloss der Stadtrat der Stadt Köln, die Verträge des Choreografen Richard Siegal und seiner Compagnie Ballet of Difference im kommenden Jahr auslaufen zu lassen. Eine überraschende und kaum nachvollziehbare Entscheidung. Nun wurde auch eine Verlängerung bis zum übernächsten Jahr im Betriebsausschuss Bühnen des Kölner Stadtrates abgelehnt. Eine Petition soll nun ein Jahr Tanzpause bei den Bühnen der Stadt Köln verhindern.

Richard Siegal – Foto © Luis Alberto Rodriguez

Wenn der Stadtrat Kölns verlauten lässt, in irgendeinem Bereich der Kultur „internationale Ausstrahlung“ erreichen oder stärken zu wollen, ist größtes Misstrauen angebracht. In der Regel folgen dann hanebüchene Entscheidungen, die häufig genug nur noch für Kopfschütteln sorgen. Vierzehn Jahre lang mussten die Bühnen der Stadt Köln ohne eigene Tanzsparte auskommen. Unter anderem nach den Erfolgen des Choreografen Richard Siegal und seiner Compagnie Ballet of Difference entschloss sich der Stadtrat, im Rahmen der Neuordnung im übernächsten Jahr wieder eine Tanzsparte einzurichten. Denn angeblich sollen Schauspiel und Oper 2025 wieder an den Offenbachplatz ziehen können, und dann würde die „Interimsspielstätte“ Depot im Stadtteil Mülheim für eine neue Nutzung zur Verfügung stehen.

Ins Leben gerufen wurde das Ballet of Difference unter der künstlerischen Leitung von Richard Siegal dank einer Optionsförderung der Stadt München. 2017 wurde die Stadt Köln neuer Partner in einem innovativen Koproduktionsmodell beider Metropolen, bevor die Compagnie zwei Jahre später eine räumliche und institutionelle Heimat am Schauspiel Köln fand. Seitdem nennen sich die Tänzer Richard Siegal/Ballet of Difference am Schauspiel Köln. Sie sorgten für einen Auslastung zwischen 90 und 100 Prozent der Aufführungen, und sie zogen ein deutlich jüngeres Publikum an. Kooperationen mit der so genannten Freien Szene wie auch mit der LitCologne und dem Kolumba-Museum in Köln sorgten für eine engmaschige Vernetzung in der Stadt. Die Medien berichteten durchweg lobend über die Arbeit der Compagnie.

Es geht um ein weiteres Jahr

Eine solche Entwicklung sollte also dafür sorgen, dass die Zusammenarbeit mit der Compagnie seitens der Stadt fortgesetzt würde. Aber in Köln ist Erfolg gefährlich. Wer sich hier einen Namen macht, sollte sich schon mal nach einem neuen Posten in einer anderen Stadt umschauen. Der alte Grundsatz vom „Man muss auch jönne könne“ scheint in Köln längst vergessen. Im Sommer dieses Jahres erfuhr die Compagnie, dass ihre Verträge auslaufen sollten. Damit wird nicht nur der Erfolg der Compagnie vorzeitig abgebrochen, sondern auch dafür gesorgt, dass sie sich nicht an der Ausschreibung für die neue Tanzsparte beteiligen kann. Denn mit dem vorzeitigen Aus entsteht eine einjährige Lücke, so dass viele der Tänzer, nämlich die mit einem außereuropäischen Visum, Köln werden verlassen müssen. Maria Helmis, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion spricht von einem Fehler. „Dieses Tanzensemble hat es geschafft, ein junges, diverses und wahnsinnig spannendes Publikum dauerhaft zu begeistern. Zu befürchten ist, dass in Köln nun ein Loch in die tänzerische Bespielung des Depots gerissen wird. Köln wird so auf Dauer junges Publikum verlieren!“, erklärt sie. Wen interessiert’s? Ein Dringlichkeitsantrag der FDP wurde gerade abgelehnt.

Einmal mehr bleiben die Entscheidungen des Stadtrats intransparent und unverständlich. Stefan Charles, Kulturdezernent der Stadt Köln, weigert sich, die Entscheidung, die eine politische sei, zu kommentieren. Gérard A. Goodrow, Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer des Ballet of Difference, will das nicht hinnehmen und hat eine Petition ins Leben gerufen, „um die mit viel Mühe und Herzblut geschaffene Kontinuität in Sachen Tanz an den Bühnen Köln zu erhalten“. Wie hat Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, es so schön formuliert? „Der Tanz hat schon immer einen wichtigen Stellenwert in der Kölner Kultur. Der Neustart ist der richtige Zeitpunkt, um die Bühnen zu einem Dreispartenhaus zu machen. Mit einer internationalen Ausschreibung werden wir nach dem besten Tanzkonzept für Köln suchen und es dann zeitgerecht umsetzen.“ Bislang klingt eher alles nach einer Provinzposse.

Michael S. Zerban