O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Galerie N18 - Foto © Bernd Bauer

Hintergründe

Der ewige Gaukler

Am 23. Februar feiert Milan Sladek seinen 85. Geburtstag. Und zwar in einer so guten körperlichen und geistigen Frische, dass der große Pantomime die meisten Veranstaltungen seines Jubiläumsfestivals selbst bestreiten wird. Vom 23. Februar bis zum 7. April präsentiert sich der Künstler in seiner Wahlheimat Köln mit diversen Ausstellungen, Aktionen und Theaterprojektionen.

Milan Sladek vor eigenen Arbeiten – Foto © O-Ton

Dabei rückt Milan Sladek nicht nur als Pantomime in den Fokus, sondern auch mit einer Ausstellung einiger seiner Bilder in der von Bernd Bauer betriebenen Galerie N 18. Dass Sladek seit langem auch als Maler erfolgreich ist, bestätigt sein Interesse an allen Fassetten der Kunst. Das Zusammenwirken von Schauspiel, Musik, Malerei, Masken, Puppen, Kostümen und Film sind Ingredienzien seiner Vorstellung von der Pantomime als eigenständige Gattung. Dass auch seine Bilder thematisch immer um den Körper kreisen, verwundert nicht. „In meinen Pantomimen bin ich sehr darum bemüht, verständlich zu sein. Meiner Überzeugung nach ist die Pantomime ein reines Schauspiel, bei dem es um die Wiedergabe der Realität geht, um die Suche nach Ausdrucksformen, die mit detaillierten Gedankengängen, Bildern und konkreten emotionalen Situationen unterlegt sind“, sagt Sladek.

Dafür bedarf es präzis ausgearbeiteter Libretti. In der Kirche St. Michael spielt Sladek die Hauptrolle in dem Stück Das Leben und der Tod des König Lear, dessen Textbuch er zusammen mit dem ehemaligen Kölner Schauspielintendanten Hansgünther Heyme erarbeitet hat. Heyme wollte auch in den Aufführungen vom 27. März an die Texte sprechen, wird aber aufgrund einer schweren Erkrankung von Andreas Kunz ersetzt. In der zweiten Produktion Magic Four interagiert Sladek mit dem Klangkünstler Jochen Fassbender. Als Maler agiert Sladek in einer musikalisch inspirierten „Painting-Performance-Jazz“. Und den Abschluss bildet eine pantomimische Auseinandersetzung mit Marcel Duprés Orgelzyklus Der Kreuzweg.

Milan Sladek gehört neben Marcel Marceau und Samy Molcho zu den größten Pantomimen der Nachkriegszeit. In der Slowakei geboren, sammelte er reiche Erfahrungen als Schauspieler, Puppenspieler und Pantomime in verschiedenen Ensembles von Bratislava und Prag, bevor er 1968 im Umfeld der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ in den Westen übersiedelte. In Köln gründete er 1974 mit dem Theater Kefka das einzige professionelle Pantomimentheater in Westeuropa. Mit riesigem Erfolg bei Publikum und Kritik, verbunden mit Gastspielreisen in 55 Länder und unzähligen Auszeichnungen. Eine Erfolgsgeschichte, die durch das international besetzte Gaukler-Festival noch verstärkt wurde. Besonders dankbar zeigte sich die Stadt Köln allerdings nicht. Die Stadt weigerte sich, die Mietkosten zu übernehmen, so dass das Theater nach zwölf erfolgreichen, weit über die Stadt hinausstrahlenden Jahren schließen musste. Die Chance, als „Mekka der Pantomime“, wie ein Kritiker Köln mit seinem Theater Kefka nannte, in die Theatergeschichte einzugehen, verschenkte die Stadt leichtherzig.

Arbeiten Milan Sladeks – Foto © Bernd Bauer

Groll hegt Sladek allerdings nicht. Ihn stärkt die Treue und Zustimmung des Publikums, so dass er seit 20 Jahren wieder in Köln ansässig ist. Vorausgegangen sind weite Reisen in alle Kontinente, unter anderem im Auftrag des Goethe-Instituts, die ihm neue Impulse verliehen. An der Folkwang-Universität der Künste unterrichtete er mehrere Jahre.

Nach dem Fall des kommunistischen Regimes kehrte Milan Sladek 1989 erstmals in seine Heimat zurück. 1994 wurde er Direktor des Theater Arena in Bratislava. Er initiierte die Restaurierung des historischen Arena-Gebäudes und leitete bis Juni 2002 das neu gegründete Internationale Institut für Bewegungstheater. Im Jahr 2002 verließ Milan Sladek Bratislava und kehrte nach Deutschland zurück, um sich von Köln aus, neben seiner eigenen künstlerischen Arbeit, an verschiedenen internationalen Projekten zu beteiligen.

Im Jahr 2005 inszenierte er in Tokio Die Dreigroschenoper, 2006 nahm er an der Rekonstruktion der Uraufführung von Mozarts Pantomime Pantalon und Columbine KV 446 für das Mozart-Festival in Wien teil. Im Januar 2016 präsentierte Sladek vor der UNESCO in Paris seine Inszenierung Antigone. Es war die historisch erste Pantomimenvorstellung überhaupt auf dem Boden dieser Institution.

Die Erfolge, und das verkennt auch Sladek nicht, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pantomime als eigenständige Gattung in den letzten drei Jahrzehnten in den Hintergrund gerückt ist und längst nicht mehr an die Bedeutung während der 1970-er und 80-er Jahre anknüpfen kann. Sladek nimmt wahr, dass im Schauspiel zwar viel Wert auf körperbetonte Ausdrucksformen gelegt und auch in manchen Schauspielschulen „Pantomimenkunst“ gelehrt wird. „Aber was versteht man darunter? Ist es nur das Erlernen der äußeren Fertigkeiten, die schon jemand geprägt hat? Oder sollten nicht die inneren Prozesse, die für die Suche nach dem Ausdruck wichtig sind, als Grundlage der pädagogischen Arbeit gelten?“, fragt sich Sladek. Doch gerade das vermisst er in der Ausbildung. Anders als in anderen Ländern, beispielsweise in Indonesien, wo er regelmäßig und gern mit überragenden Künstlern arbeitet. Doch er ist optimistisch, dass sich das Verständnis für die spezifischen Qualitäten der Pantomime insgesamt verbessern wird und die Gattung auch in Zukunft erhalten bleibt.

Die Ausstellung ist in der Galerie N 18 zu sehen. Die Veranstaltungen finden in der Kirche St. Michael am Brüsseler Platz statt.

Pedro Obiera