Kulturmagazin mit Charakter
Hintergründe
Seit vielen Jahren arbeiten die Ehrenfeldstudios an der Sichtbarkeit des freien Tanzes in Köln. Der künstlerische Schwerpunkt liegt dabei auf intergenerationellen und inklusiven Arbeiten in den Bereichen Tanz und Performance. Jetzt hat der Verein die Option, seine Arbeit in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Der Bund hat Fördermittel für ein Bauvorhaben genehmigt.
Silke Z. und Caroline Simon – Foto © Beppo Leichenich
Im Gegensatz zur Landeshauptstadt Düsseldorf ist Köln inzwischen breit aufgestellt, wenn es um den zeitgenössischen Tanz in der so genannten Freien Szene geht. Die Tanzfaktur von Slava Gepner im Stadtteil Deutz steht vor allem wegen ihres Bühnenprogramms im Blickpunkt, Barnes Crossing in der Wachsfabrik im Stadtteil Rodenkirchen hat sich insbesondere als Produktionsstätte und Ausrichter des Solo-Duo-Festivals einen Namen gemacht, und die Ehrenfeldstudios im gleichnamigen Stadtteil kümmern sich im Schwerpunkt um intergenerationelles Arbeiten. Alle drei Häuser sind mit Bühnenaufführungen, Bildungsangeboten, Netzwerken und internationalen Festivals breit aufgestellt, schon allein, um ihre Finanzierung sicherzustellen, aber so in etwa könnte man sie voneinander unterscheiden, um zu verstehen, dass sie friedlich koexistieren und damit dem Kölner Publikum eine breite Palette an Erscheinungsformen des zeitgenössischen Tanzes anbieten. Allen dreien gemein ist, dass man sie gezielt aufsuchen muss.
So liegen die Ehrenfeldstudios in Ehrenfeld zwar eigentlich zentral, aber von einer A-Lauflage ist man trotzdem weit entfernt. Nur wenige Meter geht es von der Subbelrather Straße in die Wißmannstraße, um den Eingang zu dem unscheinbaren, aber anheimelnden Innenhof zu finden, um den sich das Gebäude schart. Durch ein Foyer gelangt man in zwei Studios, ins Büro kommt man direkt vom Innenhof. Die Ausstattung des Hauses ist denkbar einfach, aber hier kann man sich als Besucher wohlfühlen. Der Arbeit, die hier tagtäglich geleistet wird, sind allerdings längst Grenzen gesetzt. Seit vielen Jahren setzen sich Silke Zimmermann und Caroline Simon mit dem Thema Tanz und alte Menschen in jeder nur erdenklichen Form auseinander. „Künstlerische Forschung, innovative Vermittlungsprojekte und partizipative Ansätze“ bestimmen die tägliche Arbeit, die sich in Workshops, Trainings und Aufführungen niederschlägt. Der Anspruch der Intergenerationalität weitet den Blick auf Menschen vom ersten bis zum letzten Lebensjahr. Daraus resultiert dann auch ein Kinder- und Jugendprogramm. Geografisch sind die Ehrenfeldstudios einerseits fest im Stadtteil verankert, was für die zukünftige Ausrichtung noch eine bedeutende Rolle spielen wird, andererseits reicht die Publikumsansprache über das gesamte Rheinland und wenn es in den Festival-Bereich geht, wird es gar international. Wer die Choreografin Silke Z. und damit die künstlerische Leitung und Vereinsvorsitzende Silke Zimmermann und die Tänzerin Caroline Simon als ihre Vertreterin mit großer Freude an Improvisation im Tanz in ihrem Engagement erlebt, kann nur staunen.
Das Engagement stimmt
Außenansicht – Foto © Ehrenfeldstudios
Ob ihnen allerdings wirklich klar ist, dass sie gerade dabei sind, das größte Abenteuer ihres Lebens zu beginnen, darf man bezweifeln. Dabei wollen sie ja „nur“ ihre Visionen umsetzen. Vielleicht wären die ja auch Wunschträume geblieben, gäbe es nicht den Eigentümer der Immobilie, Heinz Fassbender, der sie mit in sein Boot nahm. Dazu muss man wissen, dass ihm nicht nur das Gebäude gehört, in dem die Ehrenfeldstudios residieren, sondern auch das Grundstück, das nebenan liegt und ebenfalls bebaut ist. „Was wäre denn“, fragte er die beiden sinngemäß, „wenn wir sämtliche Gebäude auf den Grundstücken entfernen und darauf ein neues Tanztheater mit allen Schikanen bauen?“ Er musste die beiden Künstlerinnen nicht großartig überzeugen. Die Vorstellung, im Herzen Ehrenfelds ein Tanztheater entstehen zu lassen, dass über ausreichende Studios und Bühnen, einen Verwaltungstrakt, Übernachtungsmöglichkeiten für Tänzer aus aller Herren Länder verfügt, war verlockend. Wer träumen will, muss Anträge stellen. Und mit vielen Menschen sprechen. Die Kulturverantwortlichen der Stadt zeigten sich den Plänen der Tänzerinnen gegenüber genauso offen wie die Bundestagsabgeordneten, die aus Köln kommen.
Während allerorten bevorzugt Einzelkünstlern und kleinen Ensembles die finanzielle Unterstützung ihrer Arbeit entzogen wird, oft mit verheerenden Folgen, gar das Neue-Musik-Festival Acht Brücken in Köln scheint vor dem Aus zu stehen, existiert nach wie vor das Programm Kulturinvest. Damit bezuschusst der Bund bis zu 50 Prozent der förderfähigen Kosten für investive Maßnahmen, also beispielsweise bauliche Aktivitäten oder Ausstattungen, bei kulturellen Einrichtungen, Objekten und Kulturdenkmälern mit nationaler Bedeutsamkeit. Man mag sich darüber streiten, inwieweit Neubauten in Köln von nationaler Bedeutung sind. Allein den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags interessierte das nicht. Er lenkte via Beschluss im vergangenen September fast 22 Millionen in die Rheinmetropole – darunter auch 2,16 Millionen Euro für die Ehrenfeldstudios.
Nun liegen also mehr als zwei Millionen Euro auf dem Konto der Ehrenfeldstudios. Und doch hält sich die Freude in Grenzen. Denn das Geld ist weniger Geschenk als Verpflichtung. An Zimmermann und Simon liegt es nun, die andere Hälfte der Mittel aufzutreiben, sonst ist Essig mit den großen Plänen. Zimmermann ist zuversichtlich. Sie baut auf die Unterstützung von Land und Stadt. Und Fassbender kann das Projekt – zumindest der Stadt – schon mal schmackhaft machen. Schließlich plant er, dass in dem zukünftigen Gebäudekomplex auch neue Wohnungen entstehen. Für Simon und Zimmermann bedeutet die Umsetzung nicht nur ein schier unglaubliches Arbeitsaufkommen, sondern in erster Linie die Verwirklichung einer Utopie. Sie werden, wenn die Pläne Wirklichkeit werden, dereinst ihren Nachfolgern ein Tanztheater als Mehrgenerationenhaus übergeben können, in dem sich die Menschen aus dem Stadtteil ebenso wie Gäste aus aller Welt wohlfühlen und gemeinsam an der Weiterentwicklung des zeitgenössischen Tanzes arbeiten. Eine schöne Vorstellung, die allein schon preisverdächtig ist.
Michael S. Zerban