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Hintergründe
Vom 20. März bis zum 1. Juni findet Dance All In, ein internationales Tanzfestival, in drei Ländern statt. Fünf Partner aus Finnland, Deutschland, Litauen, Portugal und Spanien präsentieren ihre „generationsübergreifenden, vielfältigen und inklusiven“ Tanzaufführungen in Litauen, Spanien und Deutschland. Ein fulminantes Finale wird in Köln in den Ehrenfeldstudios erwartet.
Szenenbild Mit uns! – Foto © Silke Z.
Das Festival Dance All In ist ein Tanzfestival, das sich auf europäischer Ebene auf generationsübergreifende, vielfältige und inklusive Tanzproduktionen konzentriert. Ermöglicht wird es durch das europäische Förderprogramm Perform Europe, das 42 inklusive, diverse und umweltfreundliche Tourneeprojekte in 40 Ländern unterstützt. Die Pikanterie einer solchen Förderung liegt darin, dass die Förderung der so genannten Freien Szene auf breiter Front massiv gekürzt wird – bis eben auf die Programme, die sich Inklusion und Diversität auf die Fahnen schreiben. In der Folge werden von freien Künstlern und Ensembles Anträge geschrieben, die den Töpfen entsprechen. So steuert Politik Kultur und pervertiert ein Fördersystem, das ursprünglich eingerichtet wurde, um unabhängige und freie Kunst zu ermöglichen. Dance All In allerdings entzieht sich dem Verdacht der Opportunität, muss vielmehr befürchten, dass nun vermehrt zusätzliche Bewerber um die entsprechenden Fördertöpfe anstehen. In diesem Jahr aber ist die Finanzierung gesichert, und so konnte das Festival am 20. März seine diesjährige Tournee im litauischen Vilnius beginnen. Vom 24. bis zum 27. April ist das Festival auf Mallorca zu erleben, ehe sich die Beteiligten mit weiteren Akteuren vom 29. Mai bis zum 1. Juni in den Kölner Ehrenfeldstudios zu einer Art Super-Festival zusammenfinden.
Sechs Ensembles nehmen an Dance All In teil: das Low Air Vilnius Dance Theatre aus Litauen, Baal aus Spanien, Vo’Arte und die CiM Dance Company aus Portugal, Liisa Pentii und Co. aus Finnland sowie Silke Z., die die Ehrenfeldstudios in Köln vertritt. Airida Gudaitė und Laurynas Žakevicius gründeten 2012 die Tanzkompanie Low Air als erstes erweitertes urbanes Tanztheater in Litauen. Ihre Produktion Vienudu, was so viel wie zusammen allein bedeutet, „erforscht Identitätsprinzipien im Hip-Hop-Tanz durch die Nutzung der maskulinsten Tanzform, Breaking“. Catalina Carrasco und Gaspar Morrey gründeten die spanische Kompanie Baal im Jahr 2013. Ihre A & S Space Travellers sind eine Inszenierung, „die darauf zielt, Empathie, Fantasie, Dialog und Kommunikation in einem fantastischen Mars-Universum zu erzeugen. Ein „surreales Stück mit plastischer und bildlicher Magie, erstellt mit Objekten, Tanz, der Beziehung zu Technologie und der Partizipation des Publikums“. Vo’Arte produziert die Choreografie von CiM Dance Company Somatati. Choreografin Ana Rita Barata zeigt eine Besetzung von Darstellern „mit und ohne Behinderungen, wobei Sinn für Einheit und Zugehörigkeit innerhalb der Gemeinschaft genährt wird“. Aus Finnland stammt Liisa Pentti, die als eine „der wichtigsten Visionärinnen der finnischen Tanzszene“ bezeichnet wird. Seit 1987 arbeitet sie als Tänzerin, Choreografin und Lehrerin. Mabel ist eine Frau ohne Reue, eine weibliche Diva und Schamanen-Performerin. Um das Leben zu feiern, muss man über den Tod sprechen und sich auf Reiche einlassen, die wir nur in unseren Träumen betreten können – so die Geschichte von Mabel (Revival). Mit Uns! schließlich ist eine intergenerationelle und inklusive Tanzperformance der Choreografin Silke Z. aus Köln. Karel, ein 66-jähriger Tänzer, und David, ein 27-jähriger Tänzer mit Trisomie 21, treffen aufeinander. Sie zeichnen ihre Körperlandschaften nach, vermessen ihre individuellen körperlichen Formen und fordern die Bewegungskräfte des jeweils anderen heraus. Sie begegnen sich gegenseitig in einer komplett menschlichen Art: wie Vater und Sohn oder wie beste Freunde.
Fulminantes Finale in Köln
Vienudu – Foto © D. Matvejevo
Im Kölner Stadtteil Ehrenfeld fusioniert Dance All In mit dem biennalen Festival Sharing Across Borders. Dabei verstehen die Veranstalter unter sharing den Austausch und das Zusammenkommen von Künstlern, Nachwuchs und Publikum, unter across borders den Anspruch, sich international zu vernetzen. Im Rahmen des Festivals ist Marion Dieterles Dandelion zu sehen. Viele Menschen haben Ereignisse erlebt, die sie aus ihrem normalen Geisteszustand herausgerissen haben. Dandelion erforscht die Momente und nutzt Tanz, Musik und Erzählungen, um die Emotionen und Erfahrungen für das Publikum zu reflektieren. In seiner Solo-Performance A Society of Screens erforscht der Choreograf Ido Grinberg die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft in einer sich verändernden Welt. Er untersucht die Interaktion zwischen Körper und Bildschirm über den Tastsinn und arbeitet in seiner Aufführung mit Text, Bewegung, Ton und Videos, um den geistigen, physischen und sozialen Einfluss der Bildschirme auf unser Leben zu erkunden. Adrián Hernández und José Agüero sind das Teatro al Vacío. Seit 2007 besteht ihr Hauptziel darin, die Rechte von Kindern auf Kunst und Kultur sowie die Achtung von Vielfalt und Integration zu gewährleisten. Ihre Produktion I am ist eine „Inszenierung über die Möglichkeiten und Freiheiten des Seins. Die Inszenierung des Körpertheaters und die Dramaturgie von Bildern und Handlungen macht die Erfahrung, unsichtbar zu sein, poetisch und macht uns sichtbar in einer Welt, in der Akzeptanz grundlegend für den Aufbau von Identität ist“.
Ein Sahnehäubchen gibt es in Köln noch dazu. Im Schwerpunkt Pitch (Im)perfect bekommen fünf Nachwuchskünstler aus Nordrhein-Westfalen die Gelegenheit, mit nationalen und internationalen Choreografen zusammenzukommen, ihre Entwicklung zu stärken, Arbeitsperspektiven über die gewohnten Grenzen hinaus zu schaffen und nachhaltige Kontakte zu knüpfen. Und nicht zuletzt wird Silke Z. eine Vorschau ihrer kommenden Produktion fear:less zeigen.
Während andere „internationale“ Festivals sich darauf beschränken, Künstler aus dem Ausland einzuladen, um mehr Publikum zu generieren, schafft Dance All In ein Festival auf europäischer Ebene, auf der tatsächlich mehrere Länder an gemeinsamen Projekten teilnehmen. Das sollte auch in Köln durchaus anregende Auswirkungen auf die Atmosphäre im Festival haben. Das vollständige Programm in Köln kann man hier nachlesen.
Michael S. Zerban