O-Ton

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Manfred Sailer

Hintergründe

Saitenweise Vergnügen

Einmal im Jahr heißt es für die Freunde der musikalischen Streichkunst, die Ohren nach Bayern auszurichten. Dann findet zum Ausklang des Sommers das Festival Vielsaitig statt. So auch in diesem Jahr in der Zeit vom 30. August bis zum 9. September, zum ersten Mal unter der künstlerischen Leitung von Julian Steckel. Ungewöhnliche Programme, außergewöhnliche Gäste und das Flair der Geigenbauerstadt lockten auch heuer wieder viele Besucher in den Kaisersaal des Klosters St. Mang.

Vilde Frang – Foto © Marco Borggreve

Es ist schwierig, bei all den fantastischen Konzerten eins hervorzuheben. Es gab bei jedem Konzert Momente, die ich nicht vergessen werde, und besonders spannend finde ich immer, wenn man spürt, wie das Publikum sich für Neues öffnet. Sei es, dass man sich gemeinsam auf die lange Reise durch die Goldberg-Variationen begibt oder man sich im Kaisersaal bei BartolomeyBittmann in ein Rockkonzert oder einen Jazzclub versetzt fühlt“, fasst Julian Steckel seine Begeisterung für das diesjährige Festival Vielsaitig in Füssen zusammen, das er jetzt zum ersten Mal leitete. 1982 als Sohn der Klavierlehrerin Vilja Steckel und des Geigenlehrers und Dirigenten Helfried Steckel in Pirmasens geboren, begann Julian mit fünf Jahren, Cello zu lernen. Nach dem Abitur studierte er das Instrument in Saarbrücken, Berlin und Wien. Er gewann den ARD-Musikwettbewerb und arbeitet als Professor zunächst in Rostock, seit 2017 in München an den Musikhochschulen.

Schon, als die Stadt Füssen ihm die künstlerische Leitung des Festivals antrug, das alljährlich zum Ausklang des Sommers in der Geigenbauerstadt stattfindet, war für Steckel klar, dass er nicht als programmierender Intendant Hände an der Eingangstür schütteln, sondern tatkräftig im Festival mitwirken wollte. Und so dürfen ihn die Besucher gleich beim Eröffnungskonzert erleben. Gemeinsam mit dem Geiger Tobias Feldmann und der Bratschistin Lise Berthaud spielte er die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach in einer Fassung für Streichtrio. Am darauffolgenden Abend gab es eine eher ungewöhnliche Auswahl. Saxofonist Michal Knot und Akkordeonist Bogdan Lakatic traten als Duo Aliada auf, um unter dem Titel East West eine musikalische Reise zu unternehmen, die schließlich bei Chick Corea und George Gershwin landete.

Wunderbare Festival-Atmosphäre

Sergey Malov – Foto © Julia Wesely

Den dritten und vierten Abend bestimmte das Cuarteto Quiroga mit seinem Debüt das Klangbild im atmosphärisch eindrucksvollen Kaisersaal. Am zweiten Abend gesellt sich niemand Geringeres als Matthias Kirschnereit zu dem Streicherquartett, um unter anderem das Schumannsche Klavierquintett Es-Dur opus 44 zu präsentieren. Con brio – so lautete in diesem Jahr das Motto des Festivals, das man sehr frei mit dem schönen Wort beseelt übersetzen kann – wollte Steckel eigentlich am Dienstag einen Geheimtipp vorstellen. Karen Gomyo sollte als Geigerin, die in anderen Ländern längst große Erfolge feiert, ihre Fähigkeiten nun auch in Füssen unter Beweis stellen. Daraus wurde krankheitsbedingt nichts. Aber nicht zum Leidwesen der Besucher. Die durften nämlich so Vilde Frang im Zusammenspiel mit Julian Steckel erleben. Und zu den Qualitäten dieser Musikerin braucht man selbst für Laien nichts mehr hinzuzufügen.

Rund 1.100 Besucher konnte das Festival auch in diesem Jahr begrüßen, was etwa einem „ausverkauft“ entspricht. Da kommt auch bei den Veranstaltern durchaus Freude auf. Noch größer aber war die Freude des Geigers Sergey Malov, als er die Bühne des Kaisersaals betrat. Gebannt blieb er einen Moment stehen und schaute sich fasziniert um. Hier hatte vor 25 Jahren seine Karriere begonnen. Nun begeisterte er die Besucher gleich mit einer ganzen Reihe von Instrumenten. Vom historischen Violoncello da Spalla, einem Schultercello, bis zur E-Geige reichte seine Auswahl. Nach dem Duo BartolomeyBittmann fand dann am Samstag das Abschlusskonzert statt, das abermals eine Überraschung bot, indem es Peter Tschaikowskys Rokoko-Variationen als Cello-Quartett – wieder unter Mitwirkung von Steckel – zu Gehör brachte.

„Es war mein erstes Jahr in der neuen Funktion, und die innere Spannung war hoch. Doch man hat mir enorm viel Vertrauen entgegengebracht. Mit den Goldberg-Variationen wurde das Publikum maximal gefordert, und das hat uns zusammengeschweißt. Das hat Spuren hinterlassen. Ich bin sehr froh und erleichtert, wie sehr das auch von den Besuchern honoriert wurde“, zieht Steckel das Fazit für sein erstes Jahr.

Während andere Festivals quasi unter Ausschluss der Stadtbevölkerung stattfinden, war in Füssen während der „Feiertage“ auch echte Festival-Luft in der Altstadt zu schnuppern. Liebevolle Dekorationen in der ganzen Stadt, ein spezielles Festival-Eis, die Aufmachung der Schaufenster und die Flaggen, die über der ganzen Stadt flattern, sorgten dafür, dass auch Besucher von außerhalb nicht nur den Charme der Stadt, sondern auch dieses ganz besondere Festival-Gefühl erlebten. So soll es sein.

Michael S. Zerban